nicht meine Gedancken allemal zugleich einen Tritt zurück nach ihnen zu thun sollen: Denn das Andencken von ihnen hat auch abwesend die Gewalt, alle Freu- de in mir zu erneuern, und den Nebel der Traurigkeit zu vertreiben: und dieses mit solcher Würckung, (so starck ist die Macht der Einbildung!) als ob ich mich würcklich in dero Gegenwart befände. Daferne sie für iedwedes Hundert Ge- dancken, die ich ihnen gewiedmet, nur ei- nen auf mich gewendet haben, so bin ich zufrieden: Weil ich glaube, daß meiner Liebe keine andere, an so hohenGraden, beykommen könne, noch einiger Stand so glückselig, als dieser sey, daß ich bin,
Mademoiselle,
Dero ergebenster Diener Ibrahim Ahmet.
Sie ergriff diesen Brieff mit begierigen Händen, und hatte ihn nicht so bald gelesen, als sie ihn zu tau- sendmalen küssete, und hernach in ihren Bussen steckte: Weil er gleichsam, nach ihren Gedancken, der unschätzbarste Schatz auf Erden war, und da-
her
Die heimlichen Liebes-Geſchichte
nicht meine Gedancken allemal zugleich einen Tritt zuruͤck nach ihnen zu thun ſollen: Denn das Andencken von ihnen hat auch abweſend die Gewalt, alle Freu- de in mir zu erneuern, und den Nebel der Traurigkeit zu vertreiben: und dieſes mit ſolcher Wuͤrckung, (ſo ſtarck iſt die Macht der Einbildung!) als ob ich mich wuͤrcklich in dero Gegenwart befaͤnde. Daferne ſie fuͤr iedwedes Hundert Ge- dancken, die ich ihnen gewiedmet, nur ei- nen auf mich gewendet haben, ſo bin ich zufrieden: Weil ich glaube, daß meiner Liebe keine andere, an ſo hohenGraden, beykommen koͤnne, noch einiger Stand ſo gluͤckſelig, als dieſer ſey, daß ich bin,
Mademoiſelle,
Dero ergebenſter Diener Ibrahim Ahmet.
Sie ergriff dieſen Brieff mit begierigen Haͤnden, und hatte ihn nicht ſo bald geleſen, als ſie ihn zu tau- ſendmalen kuͤſſete, und hernach in ihren Buſſen ſteckte: Weil er gleichſam, nach ihren Gedancken, der unſchaͤtzbarſte Schatz auf Erden war, und da-
her
<TEI><text><body><divn="1"><divn="3"><floatingText><body><divtype="letter"><p><pbfacs="#f0560"n="540"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Die heimlichen Liebes-Geſchichte</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">nicht meine Gedancken allemal zugleich<lb/>
einen Tritt zuruͤck nach ihnen zu thun<lb/>ſollen: Denn das Andencken von ihnen<lb/>
hat auch abweſend die Gewalt, alle Freu-<lb/>
de in mir zu erneuern, und den Nebel der<lb/>
Traurigkeit zu vertreiben: und dieſes<lb/>
mit ſolcher Wuͤrckung, (ſo ſtarck iſt die<lb/>
Macht der Einbildung!) als ob ich mich<lb/>
wuͤrcklich in dero Gegenwart befaͤnde.<lb/>
Daferne ſie fuͤr iedwedes Hundert Ge-<lb/>
dancken, die ich ihnen gewiedmet, nur ei-<lb/>
nen auf mich gewendet haben, ſo bin ich<lb/>
zufrieden: Weil ich glaube, daß meiner<lb/>
Liebe keine andere, an ſo hohen</hi><hirendition="#aq">Grad</hi><hirendition="#fr">en,<lb/>
beykommen koͤnne, noch einiger Stand<lb/>ſo gluͤckſelig, als dieſer ſey, daß ich bin,</hi></p><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#aq">Mademoiſelle,</hi></hi></p><lb/><closer><salute><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Dero</hi><lb/>
ergebenſter Diener<lb/><hirendition="#aq">Ibrahim Ahmet.</hi></hi></salute></closer></div></body></floatingText><lb/><p>Sie ergriff dieſen Brieff mit begierigen Haͤnden,<lb/>
und hatte ihn nicht ſo bald geleſen, als ſie ihn zu tau-<lb/>ſendmalen kuͤſſete, und hernach in ihren Buſſen<lb/>ſteckte: Weil er gleichſam, nach ihren Gedancken,<lb/>
der unſchaͤtzbarſte Schatz auf Erden war, und da-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">her</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[540/0560]
Die heimlichen Liebes-Geſchichte
nicht meine Gedancken allemal zugleich
einen Tritt zuruͤck nach ihnen zu thun
ſollen: Denn das Andencken von ihnen
hat auch abweſend die Gewalt, alle Freu-
de in mir zu erneuern, und den Nebel der
Traurigkeit zu vertreiben: und dieſes
mit ſolcher Wuͤrckung, (ſo ſtarck iſt die
Macht der Einbildung!) als ob ich mich
wuͤrcklich in dero Gegenwart befaͤnde.
Daferne ſie fuͤr iedwedes Hundert Ge-
dancken, die ich ihnen gewiedmet, nur ei-
nen auf mich gewendet haben, ſo bin ich
zufrieden: Weil ich glaube, daß meiner
Liebe keine andere, an ſo hohen Graden,
beykommen koͤnne, noch einiger Stand
ſo gluͤckſelig, als dieſer ſey, daß ich bin,
Mademoiſelle,
Dero
ergebenſter Diener
Ibrahim Ahmet.
Sie ergriff dieſen Brieff mit begierigen Haͤnden,
und hatte ihn nicht ſo bald geleſen, als ſie ihn zu tau-
ſendmalen kuͤſſete, und hernach in ihren Buſſen
ſteckte: Weil er gleichſam, nach ihren Gedancken,
der unſchaͤtzbarſte Schatz auf Erden war, und da-
her
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]
Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers sind fingiert. Die Angaben basieren auf dem Katalogeintrag der Bayerische Staatsbibliothek München sowie Weller (Druckorte), Bd. 1, S. 70. - Bibliogr. Nachweis: BLC to 1975, Bd. 186, S. 449.
Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/560>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.