Diese aber, indem sie darüber auffuhr, befahl ihr, sie sollte fragen, wer so unbescheiden wäre, und was es gäbe? Der Diener, dessen Stimme gar wohl be- kannt war, antwortete: Er hätte einen Brief an die gnädige Frau von grosser Importanz. Die Dame, welche sich nichts weniger besorgte, als was über sie beschlossen war, ertheilte dem Mägdgen Befehl, aufzumachen, und den Brieff anzunehmen, dem Diener aber zu sagen, daß er ihre Antwort un- ten erwartete. Das Kammer-Kätzgen hatte nicht so bald die Thür geöffnet, so wischte der Baronet mit einem entblösseten Degen hinein, und sein Die- ner mit einem Paar geladenen Pistolen hinter ihm her. Herr Middleton schlieff, und die Dame, die plötzlich erschrack, that einen lauten Schrey, worüber der Galan erwachte, und denselben Au- genblick des Baronets Degen zugleich in seiner Brust hatte, welcher durch offt wiederholte Wun- den seiner flüchtigen Seele einen schnellen Weg in die andere Welt bahnete.
Die Dame lag darneben, und zitterte und be- bete, weil sie nunmehro nichts anders sich zu getrö- sten hatte, als daß sie sich alle Augenblicke versahe, wenn sein rachgieriger Stahl gleichmäßige Gerech- tigkeit an ihrer Treu-brüchigen Brust ausüben würde; Allein er that ihr weiter nichts, als daß er ihr einen Circumflex über das schöne Angesicht machte, indem er demselben auf beyden Seiten, von
der
Der ſchoͤne Seymour,
Dieſe aber, indem ſie daruͤber auffuhr, befahl ihr, ſie ſollte fragen, wer ſo unbeſcheiden waͤre, und was es gaͤbe? Der Diener, deſſen Stimme gar wohl be- kannt war, antwortete: Er haͤtte einen Brief an die gnaͤdige Frau von groſſer Importanz. Die Dame, welche ſich nichts weniger beſorgte, als was uͤber ſie beſchloſſen war, ertheilte dem Maͤgdgen Befehl, aufzumachen, und den Brieff anzunehmen, dem Diener aber zu ſagen, daß er ihre Antwort un- ten erwartete. Das Kammer-Kaͤtzgen hatte nicht ſo bald die Thuͤr geoͤffnet, ſo wiſchte der Baronet mit einem entbloͤſſeten Degen hinein, und ſein Die- ner mit einem Paar geladenen Piſtolen hinter ihm her. Herr Middleton ſchlieff, und die Dame, die ploͤtzlich erſchrack, that einen lauten Schrey, woruͤber der Galan erwachte, und denſelben Au- genblick des Baronets Degen zugleich in ſeiner Bruſt hatte, welcher durch offt wiederholte Wun- den ſeiner fluͤchtigen Seele einen ſchnellen Weg in die andere Welt bahnete.
Die Dame lag darneben, und zitterte und be- bete, weil ſie nunmehro nichts anders ſich zu getroͤ- ſten hatte, als daß ſie ſich alle Augenblicke verſahe, wenn ſein rachgieriger Stahl gleichmaͤßige Gerech- tigkeit an ihrer Treu-bruͤchigen Bruſt ausuͤben wuͤrde; Allein er that ihr weiter nichts, als daß er ihr einen Circumflex uͤber das ſchoͤne Angeſicht machte, indem er demſelben auf beyden Seiten, von
der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="3"><p><pbfacs="#f0490"n="470"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der ſchoͤne <hirendition="#aq">Seymour,</hi></hi></fw><lb/>
Dieſe aber, indem ſie daruͤber auffuhr, befahl ihr, ſie<lb/>ſollte fragen, wer ſo unbeſcheiden waͤre, und was es<lb/>
gaͤbe? Der Diener, deſſen Stimme gar wohl be-<lb/>
kannt war, antwortete: Er haͤtte einen Brief an die<lb/>
gnaͤdige Frau von groſſer <hirendition="#aq">Importanz.</hi> Die<lb/><hirendition="#aq">Dame,</hi> welche ſich nichts weniger beſorgte, als was<lb/>
uͤber ſie beſchloſſen war, ertheilte dem Maͤgdgen<lb/>
Befehl, aufzumachen, und den Brieff anzunehmen,<lb/>
dem Diener aber zu ſagen, daß er ihre Antwort un-<lb/>
ten erwartete. Das Kammer-Kaͤtzgen hatte nicht<lb/>ſo bald die Thuͤr geoͤffnet, ſo wiſchte der <hirendition="#aq">Baronet</hi><lb/>
mit einem entbloͤſſeten Degen hinein, und ſein Die-<lb/>
ner mit einem Paar geladenen Piſtolen hinter ihm<lb/>
her. Herr <hirendition="#aq">Middleton</hi>ſchlieff, und die <hirendition="#aq">Dame,</hi><lb/>
die ploͤtzlich erſchrack, that einen lauten Schrey,<lb/>
woruͤber der <hirendition="#aq">Galan</hi> erwachte, und denſelben Au-<lb/>
genblick des <hirendition="#aq">Baronets</hi> Degen zugleich in ſeiner<lb/>
Bruſt hatte, welcher durch offt wiederholte Wun-<lb/>
den ſeiner fluͤchtigen Seele einen ſchnellen Weg in<lb/>
die andere Welt bahnete.</p><lb/><p>Die <hirendition="#aq">Dame</hi> lag darneben, und zitterte und be-<lb/>
bete, weil ſie nunmehro nichts anders ſich zu getroͤ-<lb/>ſten hatte, als daß ſie ſich alle Augenblicke verſahe,<lb/>
wenn ſein rachgieriger Stahl gleichmaͤßige Gerech-<lb/>
tigkeit an ihrer Treu-bruͤchigen Bruſt ausuͤben<lb/>
wuͤrde; Allein er that ihr weiter nichts, als daß er<lb/>
ihr einen <hirendition="#aq">Circumflex</hi> uͤber das ſchoͤne Angeſicht<lb/>
machte, indem er demſelben auf beyden Seiten, von<lb/><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[470/0490]
Der ſchoͤne Seymour,
Dieſe aber, indem ſie daruͤber auffuhr, befahl ihr, ſie
ſollte fragen, wer ſo unbeſcheiden waͤre, und was es
gaͤbe? Der Diener, deſſen Stimme gar wohl be-
kannt war, antwortete: Er haͤtte einen Brief an die
gnaͤdige Frau von groſſer Importanz. Die
Dame, welche ſich nichts weniger beſorgte, als was
uͤber ſie beſchloſſen war, ertheilte dem Maͤgdgen
Befehl, aufzumachen, und den Brieff anzunehmen,
dem Diener aber zu ſagen, daß er ihre Antwort un-
ten erwartete. Das Kammer-Kaͤtzgen hatte nicht
ſo bald die Thuͤr geoͤffnet, ſo wiſchte der Baronet
mit einem entbloͤſſeten Degen hinein, und ſein Die-
ner mit einem Paar geladenen Piſtolen hinter ihm
her. Herr Middleton ſchlieff, und die Dame,
die ploͤtzlich erſchrack, that einen lauten Schrey,
woruͤber der Galan erwachte, und denſelben Au-
genblick des Baronets Degen zugleich in ſeiner
Bruſt hatte, welcher durch offt wiederholte Wun-
den ſeiner fluͤchtigen Seele einen ſchnellen Weg in
die andere Welt bahnete.
Die Dame lag darneben, und zitterte und be-
bete, weil ſie nunmehro nichts anders ſich zu getroͤ-
ſten hatte, als daß ſie ſich alle Augenblicke verſahe,
wenn ſein rachgieriger Stahl gleichmaͤßige Gerech-
tigkeit an ihrer Treu-bruͤchigen Bruſt ausuͤben
wuͤrde; Allein er that ihr weiter nichts, als daß er
ihr einen Circumflex uͤber das ſchoͤne Angeſicht
machte, indem er demſelben auf beyden Seiten, von
der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]
Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers sind fingiert. Die Angaben basieren auf dem Katalogeintrag der Bayerische Staatsbibliothek München sowie Weller (Druckorte), Bd. 1, S. 70. - Bibliogr. Nachweis: BLC to 1975, Bd. 186, S. 449.
Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/490>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.