Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Lord Cutts,
und Mißvergnügen in ihrem Angesichte, welches ei-
nige Bestürtzung in ihm erregte. Zwar hatte er
Zeit sich zu erholen: Denn es befande sich einer von
der Mutter ihren Anverwandten mit in Gesell-
schafft; Er befande sich aber eben solcherwegen
vorietzo nicht im Stande, um die Ursachen dieser
seltzamen Entstellung zu fragen, sondern befand für
gut, die Sache ruhen zu lassen, biß ihm des Freun-
des Abwesenheit Anlaß geben würde, den Grund
dieser kaltsinnigen Empfahung zu untersuchen.
Mittlerweile sahe der Ritter und die Demoiselle
einander recht sehnlich an; Doch erstreckte sich ihre
Glückseligkeit nicht weiter, als auf den Gebrauch
ihrer Augen: Denn er hatte, in Betrachtung der
unordentlichen Geberdung ihrer Mutter, eine so ge-
fährliche Sache gewaget, daß er sie, auf Englische
Art, gegrüsset oder geküsset, ungeachtet sie ihm die E-
he versprochen, als wenn er die schönste Blume, so
irgends Egypten hervorbringet, in dem Angesichte
eines Crocodils abbrechen wollen. Die Demoi-
selle,
die schon merckte, wie viel es geschlagen, und
ein tiefferes Einsehen in ihrer Mutter Gemüth hat-
te, als er, verlangte demnach mit ihr zu reden: Also
begaben sie sich in der Mutter Kammer, und liessen
ihn nebst dem Anverwandten in der Stube; Jm-
mittelst wunderte er sich bald zu tode, was sie doch
für eine Politique mit einander auslegen müsten;
Aber zu seiner grössesten Bestürtzung kam die Mut-

ter

Der Lord Cutts,
und Mißvergnuͤgen in ihrem Angeſichte, welches ei-
nige Beſtuͤrtzung in ihm erregte. Zwar hatte er
Zeit ſich zu erholen: Denn es befande ſich einer von
der Mutter ihren Anverwandten mit in Geſell-
ſchafft; Er befande ſich aber eben ſolcherwegen
vorietzo nicht im Stande, um die Urſachen dieſer
ſeltzamen Entſtellung zu fragen, ſondern befand fuͤr
gut, die Sache ruhen zu laſſen, biß ihm des Freun-
des Abweſenheit Anlaß geben wuͤrde, den Grund
dieſer kaltſinnigen Empfahung zu unterſuchen.
Mittlerweile ſahe der Ritter und die Demoiſelle
einander recht ſehnlich an; Doch erſtreckte ſich ihre
Gluͤckſeligkeit nicht weiter, als auf den Gebrauch
ihrer Augen: Denn er hatte, in Betrachtung der
unordentlichen Geberdung ihrer Mutter, eine ſo ge-
faͤhrliche Sache gewaget, daß er ſie, auf Engliſche
Art, gegruͤſſet oder gekuͤſſet, ungeachtet ſie ihm die E-
he verſprochen, als wenn er die ſchoͤnſte Blume, ſo
irgends Egypten hervorbringet, in dem Angeſichte
eines Crocodils abbrechen wollen. Die Demoi-
ſelle,
die ſchon merckte, wie viel es geſchlagen, und
ein tiefferes Einſehen in ihrer Mutter Gemuͤth hat-
te, als er, verlangte demnach mit ihr zu reden: Alſo
begaben ſie ſich in der Mutter Kammer, und lieſſen
ihn nebſt dem Anverwandten in der Stube; Jm-
mittelſt wunderte er ſich bald zu tode, was ſie doch
fuͤr eine Politique mit einander auslegen muͤſten;
Aber zu ſeiner groͤſſeſten Beſtuͤrtzung kam die Mut-

ter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0464" n="444"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der <hi rendition="#aq">Lord Cutts,</hi></hi></fw><lb/>
und Mißvergnu&#x0364;gen in ihrem Ange&#x017F;ichte, welches ei-<lb/>
nige Be&#x017F;tu&#x0364;rtzung in ihm erregte. Zwar hatte er<lb/>
Zeit &#x017F;ich zu erholen: Denn es befande &#x017F;ich einer von<lb/>
der Mutter ihren Anverwandten mit in Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chafft; Er befande &#x017F;ich aber eben &#x017F;olcherwegen<lb/>
vorietzo nicht im Stande, um die Ur&#x017F;achen die&#x017F;er<lb/>
&#x017F;eltzamen Ent&#x017F;tellung zu fragen, &#x017F;ondern befand fu&#x0364;r<lb/>
gut, die Sache ruhen zu la&#x017F;&#x017F;en, biß ihm des Freun-<lb/>
des Abwe&#x017F;enheit Anlaß geben wu&#x0364;rde, den Grund<lb/>
die&#x017F;er kalt&#x017F;innigen Empfahung zu unter&#x017F;uchen.<lb/>
Mittlerweile &#x017F;ahe der Ritter und die <hi rendition="#aq">Demoi&#x017F;elle</hi><lb/>
einander recht &#x017F;ehnlich an; Doch er&#x017F;treckte &#x017F;ich ihre<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit nicht weiter, als auf den Gebrauch<lb/>
ihrer Augen: Denn er hatte, in Betrachtung der<lb/>
unordentlichen Geberdung ihrer Mutter, eine &#x017F;o ge-<lb/>
fa&#x0364;hrliche Sache gewaget, daß er &#x017F;ie, auf Engli&#x017F;che<lb/>
Art, gegru&#x0364;&#x017F;&#x017F;et oder geku&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, ungeachtet &#x017F;ie ihm die E-<lb/>
he ver&#x017F;prochen, als wenn er die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Blume, &#x017F;o<lb/>
irgends Egypten hervorbringet, in dem Ange&#x017F;ichte<lb/>
eines Crocodils abbrechen wollen. Die <hi rendition="#aq">Demoi-<lb/>
&#x017F;elle,</hi> die &#x017F;chon merckte, wie viel es ge&#x017F;chlagen, und<lb/>
ein tiefferes Ein&#x017F;ehen in ihrer Mutter Gemu&#x0364;th hat-<lb/>
te, als er, verlangte demnach mit ihr zu reden: Al&#x017F;o<lb/>
begaben &#x017F;ie &#x017F;ich in der Mutter Kammer, und lie&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ihn neb&#x017F;t dem Anverwandten in der Stube; Jm-<lb/>
mittel&#x017F;t wunderte er &#x017F;ich bald zu tode, was &#x017F;ie doch<lb/>
fu&#x0364;r eine <hi rendition="#aq">Politique</hi> mit einander auslegen mu&#x0364;&#x017F;ten;<lb/>
Aber zu &#x017F;einer gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Be&#x017F;tu&#x0364;rtzung kam die Mut-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ter</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0464] Der Lord Cutts, und Mißvergnuͤgen in ihrem Angeſichte, welches ei- nige Beſtuͤrtzung in ihm erregte. Zwar hatte er Zeit ſich zu erholen: Denn es befande ſich einer von der Mutter ihren Anverwandten mit in Geſell- ſchafft; Er befande ſich aber eben ſolcherwegen vorietzo nicht im Stande, um die Urſachen dieſer ſeltzamen Entſtellung zu fragen, ſondern befand fuͤr gut, die Sache ruhen zu laſſen, biß ihm des Freun- des Abweſenheit Anlaß geben wuͤrde, den Grund dieſer kaltſinnigen Empfahung zu unterſuchen. Mittlerweile ſahe der Ritter und die Demoiſelle einander recht ſehnlich an; Doch erſtreckte ſich ihre Gluͤckſeligkeit nicht weiter, als auf den Gebrauch ihrer Augen: Denn er hatte, in Betrachtung der unordentlichen Geberdung ihrer Mutter, eine ſo ge- faͤhrliche Sache gewaget, daß er ſie, auf Engliſche Art, gegruͤſſet oder gekuͤſſet, ungeachtet ſie ihm die E- he verſprochen, als wenn er die ſchoͤnſte Blume, ſo irgends Egypten hervorbringet, in dem Angeſichte eines Crocodils abbrechen wollen. Die Demoi- ſelle, die ſchon merckte, wie viel es geſchlagen, und ein tiefferes Einſehen in ihrer Mutter Gemuͤth hat- te, als er, verlangte demnach mit ihr zu reden: Alſo begaben ſie ſich in der Mutter Kammer, und lieſſen ihn nebſt dem Anverwandten in der Stube; Jm- mittelſt wunderte er ſich bald zu tode, was ſie doch fuͤr eine Politique mit einander auslegen muͤſten; Aber zu ſeiner groͤſſeſten Beſtuͤrtzung kam die Mut- ter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/464
Zitationshilfe: Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/464>, abgerufen am 10.06.2024.