Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rost, Johann Christoph]: Schäfererzälungen. [Berlin], 1742.

Bild:
<< vorherige Seite
Wer etwas stielt, kann niemals ruhig leben,
Er müsse denn, was er gestolen, wiedergeben.
Auch wir sind one dieß nicht von der Marter
frei,

Die Buße bleibt bei allen Sünden einerlei;
Hier hast du deine Küsse wieder.
Und hiermit gab er nun der frommen Schäfe-
rinn,

Die Küsse zehnfach wieder hinn.
Die halbbekerte warf sich hier aus Reue nieder;
Und der betrügliche Mirtill,
Vor dessen gleichen ich die Mädchen warnen will,
Gab ihr aus Heuchelei auch die Empfindung
wieder,

Die ihn, ich weiß es nicht, wie, wenn und wo
ergetzte,

Als er das erste mal den schweren Eid verletzte.
Der Zweifel, sprach er, wird nun wol gehoben
sein.

Doch Amarillis sagte, nein,
Noch ists, als läg auf mir der allergrößte Stein.
Sie blieb mit herzlichem Vergnügen,
Aus Reue noch ein wenig liegen.
Doch
Wer etwas ſtielt, kann niemals ruhig leben,
Er muͤſſe denn, was er geſtolen, wiedergeben.
Auch wir ſind one dieß nicht von der Marter
frei,

Die Buße bleibt bei allen Suͤnden einerlei;
Hier haſt du deine Kuͤſſe wieder.
Und hiermit gab er nun der frommen Schaͤfe-
rinn,

Die Kuͤſſe zehnfach wieder hinn.
Die halbbekerte warf ſich hier aus Reue nieder;
Und der betruͤgliche Mirtill,
Vor deſſen gleichen ich die Maͤdchen warnen will,
Gab ihr aus Heuchelei auch die Empfindung
wieder,

Die ihn, ich weiß es nicht, wie, wenn und wo
ergetzte,

Als er das erſte mal den ſchweren Eid verletzte.
Der Zweifel, ſprach er, wird nun wol gehoben
ſein.

Doch Amarillis ſagte, nein,
Noch iſts, als laͤg auf mir der allergroͤßte Stein.
Sie blieb mit herzlichem Vergnuͤgen,
Aus Reue noch ein wenig liegen.
Doch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg type="poem">
        <pb facs="#f0065" n="61"/>
        <lg>
          <l>Wer etwas &#x017F;tielt, kann niemals ruhig leben,</l><lb/>
          <l>Er mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e denn, was er ge&#x017F;tolen, wiedergeben.</l><lb/>
          <l>Auch wir &#x017F;ind one dieß nicht von der Marter<lb/><hi rendition="#et">frei,</hi></l><lb/>
          <l>Die Buße bleibt bei allen Su&#x0364;nden einerlei;</l><lb/>
          <l>Hier ha&#x017F;t du deine Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e wieder.</l><lb/>
          <l>Und hiermit gab er nun der frommen Scha&#x0364;fe-<lb/><hi rendition="#et">rinn,</hi></l><lb/>
          <l>Die Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zehnfach wieder hinn.</l><lb/>
          <l>Die halbbekerte warf &#x017F;ich hier aus Reue nieder;</l><lb/>
          <l>Und der betru&#x0364;gliche Mirtill,</l><lb/>
          <l>Vor de&#x017F;&#x017F;en gleichen ich die Ma&#x0364;dchen warnen will,</l><lb/>
          <l>Gab ihr aus Heuchelei auch die Empfindung<lb/><hi rendition="#et">wieder,</hi></l><lb/>
          <l>Die ihn, ich weiß es nicht, wie, wenn und wo<lb/><hi rendition="#et">ergetzte,</hi></l><lb/>
          <l>Als er das er&#x017F;te mal den &#x017F;chweren Eid verletzte.</l><lb/>
          <l>Der Zweifel, &#x017F;prach er, wird nun wol gehoben<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ein.</hi></l><lb/>
          <l>Doch Amarillis &#x017F;agte, nein,</l><lb/>
          <l>Noch i&#x017F;ts, als la&#x0364;g auf mir der allergro&#x0364;ßte Stein.</l><lb/>
          <l>Sie blieb mit herzlichem Vergnu&#x0364;gen,</l><lb/>
          <l>Aus Reue noch ein wenig liegen.</l>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Doch</fw><lb/>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0065] Wer etwas ſtielt, kann niemals ruhig leben, Er muͤſſe denn, was er geſtolen, wiedergeben. Auch wir ſind one dieß nicht von der Marter frei, Die Buße bleibt bei allen Suͤnden einerlei; Hier haſt du deine Kuͤſſe wieder. Und hiermit gab er nun der frommen Schaͤfe- rinn, Die Kuͤſſe zehnfach wieder hinn. Die halbbekerte warf ſich hier aus Reue nieder; Und der betruͤgliche Mirtill, Vor deſſen gleichen ich die Maͤdchen warnen will, Gab ihr aus Heuchelei auch die Empfindung wieder, Die ihn, ich weiß es nicht, wie, wenn und wo ergetzte, Als er das erſte mal den ſchweren Eid verletzte. Der Zweifel, ſprach er, wird nun wol gehoben ſein. Doch Amarillis ſagte, nein, Noch iſts, als laͤg auf mir der allergroͤßte Stein. Sie blieb mit herzlichem Vergnuͤgen, Aus Reue noch ein wenig liegen. Doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_schaefererzaelungen_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_schaefererzaelungen_1742/65
Zitationshilfe: [Rost, Johann Christoph]: Schäfererzälungen. [Berlin], 1742, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_schaefererzaelungen_1742/65>, abgerufen am 06.05.2024.