Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rost, Johann Christoph]: Schäfererzälungen. [Berlin], 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Vielleicht, weil sich die Blätter stark bewegen?
O nein! Er meint es käme Silvia,
Er meint noch mer, er meint, sie sei schon da.

Weg, armer Titirus, mit dem verhaßten Triebe!
Vergiß erst Silvien, vergiß hernach die Liebe.
Haß du den Augenblick nicht diesen Schluß gefaßt?
Wie kömmt es, daß du ihn zu erst vergessen hast?
Man nennt oft, übereilt, die Liebe seine Last.
Doch weil sein schmeichelhafter Sinn
Jhm schon von seiner Schäferinn
Oft viel gesagt, und oft gelogen,
So streckt er sich nun ganz verdrießlich bei seinem
Baume wieder hinn.

Er dachte.
Vielleicht was Silvie bei ihrer Heerde machte?
O nein! dieß dacht er nicht.
Was aber sonst? Wer liebt, wird dieß von mir
nicht fragen:

Was ein verliebter denkt, kann er oft selbst nicht
sagen.
Jtzt springt er noch einmal von seinem Lager auf.
Doch nun betrügt der Zefir ihn nicht wieder,
Kein rauschend Blatt ermuntert seine Glieder:
Er

Vielleicht, weil ſich die Blaͤtter ſtark bewegen?
O nein! Er meint es kaͤme Silvia,
Er meint noch mer, er meint, ſie ſei ſchon da.

Weg, armer Titirus, mit dem verhaßten Triebe!
Vergiß erſt Silvien, vergiß hernach die Liebe.
Haß du den Augenblick nicht dieſen Schluß gefaßt?
Wie koͤmmt es, daß du ihn zu erſt vergeſſen haſt?
Man nennt oft, uͤbereilt, die Liebe ſeine Laſt.
Doch weil ſein ſchmeichelhafter Sinn
Jhm ſchon von ſeiner Schaͤferinn
Oft viel geſagt, und oft gelogen,
So ſtreckt er ſich nun ganz verdrießlich bei ſeinem
Baume wieder hinn.

Er dachte.
Vielleicht was Silvie bei ihrer Heerde machte?
O nein! dieß dacht er nicht.
Was aber ſonſt? Wer liebt, wird dieß von mir
nicht fragen:

Was ein verliebter denkt, kann er oft ſelbſt nicht
ſagen.
Jtzt ſpringt er noch einmal von ſeinem Lager auf.
Doch nun betruͤgt der Zefir ihn nicht wieder,
Kein rauſchend Blatt ermuntert ſeine Glieder:
Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg>
        <l><pb facs="#f0012" n="8"/>
Vielleicht, weil &#x017F;ich die Bla&#x0364;tter &#x017F;tark bewegen?</l><lb/>
        <l>O nein! Er meint es ka&#x0364;me Silvia,</l><lb/>
        <l>Er meint noch mer, er meint, &#x017F;ie &#x017F;ei &#x017F;chon da.</l>
      </lg><lb/>
      <lg>
        <l>Weg, armer Titirus, mit dem verhaßten Triebe!</l><lb/>
        <l>Vergiß er&#x017F;t Silvien, vergiß hernach die Liebe.</l><lb/>
        <l>Haß du den Augenblick nicht die&#x017F;en Schluß gefaßt?</l><lb/>
        <l>Wie ko&#x0364;mmt es, daß du ihn zu er&#x017F;t verge&#x017F;&#x017F;en ha&#x017F;t?</l><lb/>
        <l>Man nennt oft, u&#x0364;bereilt, die Liebe &#x017F;eine La&#x017F;t.</l>
      </lg><lb/>
      <lg>
        <l>Doch weil &#x017F;ein &#x017F;chmeichelhafter Sinn</l><lb/>
        <l>Jhm &#x017F;chon von &#x017F;einer Scha&#x0364;ferinn</l><lb/>
        <l>Oft viel ge&#x017F;agt, und oft gelogen,</l><lb/>
        <l>So &#x017F;treckt er &#x017F;ich nun ganz verdrießlich bei &#x017F;einem<lb/><hi rendition="#et">Baume wieder hinn.</hi></l><lb/>
        <l>Er dachte.</l><lb/>
        <l>Vielleicht was Silvie bei ihrer Heerde machte?</l><lb/>
        <l>O nein! dieß dacht er nicht.</l><lb/>
        <l>Was aber &#x017F;on&#x017F;t? Wer liebt, wird dieß von mir<lb/><hi rendition="#et">nicht fragen:</hi></l><lb/>
        <l>Was ein verliebter denkt, kann er oft &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;agen.</hi></l>
      </lg><lb/>
      <lg>
        <l>Jtzt &#x017F;pringt er noch einmal von &#x017F;einem Lager auf.</l><lb/>
        <l>Doch nun betru&#x0364;gt der Zefir ihn nicht wieder,</l><lb/>
        <l>Kein rau&#x017F;chend Blatt ermuntert &#x017F;eine Glieder:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/></l>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0012] Vielleicht, weil ſich die Blaͤtter ſtark bewegen? O nein! Er meint es kaͤme Silvia, Er meint noch mer, er meint, ſie ſei ſchon da. Weg, armer Titirus, mit dem verhaßten Triebe! Vergiß erſt Silvien, vergiß hernach die Liebe. Haß du den Augenblick nicht dieſen Schluß gefaßt? Wie koͤmmt es, daß du ihn zu erſt vergeſſen haſt? Man nennt oft, uͤbereilt, die Liebe ſeine Laſt. Doch weil ſein ſchmeichelhafter Sinn Jhm ſchon von ſeiner Schaͤferinn Oft viel geſagt, und oft gelogen, So ſtreckt er ſich nun ganz verdrießlich bei ſeinem Baume wieder hinn. Er dachte. Vielleicht was Silvie bei ihrer Heerde machte? O nein! dieß dacht er nicht. Was aber ſonſt? Wer liebt, wird dieß von mir nicht fragen: Was ein verliebter denkt, kann er oft ſelbſt nicht ſagen. Jtzt ſpringt er noch einmal von ſeinem Lager auf. Doch nun betruͤgt der Zefir ihn nicht wieder, Kein rauſchend Blatt ermuntert ſeine Glieder: Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_schaefererzaelungen_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_schaefererzaelungen_1742/12
Zitationshilfe: [Rost, Johann Christoph]: Schäfererzälungen. [Berlin], 1742, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_schaefererzaelungen_1742/12>, abgerufen am 16.04.2024.