Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Ablösung aller Streuservitute ist in unserer Zeit, welche
sich neben anderer besserer Erkenntniß auch des tieferen Verständnisses des
Waldes rühmen sollte, eine allgemein gebotene Aufgabe. Dieses Ver-
ständniß, wenn es ein allgemeineres geworden sein wird, muß alsdann
der Staatsverwaltung die Berechtigung auf Zwangsabtretung gewähren,
in Gebirgswaldungen, wo die Streuservitute am häufigsten und am nach-
theiligsten sind, durch Ueberweisung eines Aequivalentes an Schneidel-
streu
(S. 322).

Die Beschützung des Waldes vor schädlichen Thieren hat
der Forstwissenschaft als einen wichtigen und nothwendigen Bestandtheil die
Thierkunde, vor allen die Insektenkunde hinzugefügt, weil weder Vor-
bauungs- noch Vertilgungsmaßregeln ohne Kenntniß vom Leben forstschäd-
licher Thiere mit Erfolg angewendet werden können.

Die aus uns bekannten Gründen durch Insektenfraß mehr als die
Laubhölzer leidenden Nadelhölzer haben ihre Feinde fast lediglich in den
drei Ordnungen der Käfer, Falter und Hautflügler oder Immen und bei
Kiefer und Fichte haben wir erfahren, welch ungeheure Verwüstungen diese
kleinen Thiere in den Waldungen anzurichten im Stande sind (S. 276).
Manche von ihnen halten namentlich unter gewissen Zustandsbedingungen
der Bestände den Forstmann fortwährend in Wachsamkeit und gegen sie
ist nach und nach eine ganze kleine strategische Literatur entstanden.

Außer den Insekten sind es Hirsche und Rehe, Hasen und Kaninchen,
Eichhörnchen, das Schwarzwild und vor allen die Mäuse, welche in ver-
schiedenster Weise bald die Knospen, Zweige, die junge Rinde und die letzten
namentlich den noch nicht aufgegangenen Samen oft sehr stark beschädigen.
Von den Vögeln gesellen sich besonders wilde Tauben zu den saatvereitelnden
Mäusen. Die Vögel, welche den reifen Samen auf den Bäumen fressen
sind unschädlich zu nennen, denn in Samenjahren, von denen man allein
eine Samenernte oder Selbstbesamung erwartet, vermögen sie die Samen-
fülle wenig zu verringern und in samenarmen Jahren erwartet der Forst-
mann ohnehin nichts für seine Samenvorräthe oder seine Samenschläge.

Die nahe Verwandtschaft des Forstschutzes mit dem Waldbau lernten
wir schon oben bei den Durchforstungen kennen (S. 598), wie denn über-
haupt Alles was das gesunde und kräftige Gedeihen des Waldes befördert
gewissermassen zwischen beiden Berufsthätigkeiten des Forstmannes sich

Ablöſung aller Streuſervitute iſt in unſerer Zeit, welche
ſich neben anderer beſſerer Erkenntniß auch des tieferen Verſtändniſſes des
Waldes rühmen ſollte, eine allgemein gebotene Aufgabe. Dieſes Ver-
ſtändniß, wenn es ein allgemeineres geworden ſein wird, muß alsdann
der Staatsverwaltung die Berechtigung auf Zwangsabtretung gewähren,
in Gebirgswaldungen, wo die Streuſervitute am häufigſten und am nach-
theiligſten ſind, durch Ueberweiſung eines Aequivalentes an Schneidel-
ſtreu
(S. 322).

Die Beſchützung des Waldes vor ſchädlichen Thieren hat
der Forſtwiſſenſchaft als einen wichtigen und nothwendigen Beſtandtheil die
Thierkunde, vor allen die Inſektenkunde hinzugefügt, weil weder Vor-
bauungs- noch Vertilgungsmaßregeln ohne Kenntniß vom Leben forſtſchäd-
licher Thiere mit Erfolg angewendet werden können.

Die aus uns bekannten Gründen durch Inſektenfraß mehr als die
Laubhölzer leidenden Nadelhölzer haben ihre Feinde faſt lediglich in den
drei Ordnungen der Käfer, Falter und Hautflügler oder Immen und bei
Kiefer und Fichte haben wir erfahren, welch ungeheure Verwüſtungen dieſe
kleinen Thiere in den Waldungen anzurichten im Stande ſind (S. 276).
Manche von ihnen halten namentlich unter gewiſſen Zuſtandsbedingungen
der Beſtände den Forſtmann fortwährend in Wachſamkeit und gegen ſie
iſt nach und nach eine ganze kleine ſtrategiſche Literatur entſtanden.

Außer den Inſekten ſind es Hirſche und Rehe, Haſen und Kaninchen,
Eichhörnchen, das Schwarzwild und vor allen die Mäuſe, welche in ver-
ſchiedenſter Weiſe bald die Knospen, Zweige, die junge Rinde und die letzten
namentlich den noch nicht aufgegangenen Samen oft ſehr ſtark beſchädigen.
Von den Vögeln geſellen ſich beſonders wilde Tauben zu den ſaatvereitelnden
Mäuſen. Die Vögel, welche den reifen Samen auf den Bäumen freſſen
ſind unſchädlich zu nennen, denn in Samenjahren, von denen man allein
eine Samenernte oder Selbſtbeſamung erwartet, vermögen ſie die Samen-
fülle wenig zu verringern und in ſamenarmen Jahren erwartet der Forſt-
mann ohnehin nichts für ſeine Samenvorräthe oder ſeine Samenſchläge.

Die nahe Verwandtſchaft des Forſtſchutzes mit dem Waldbau lernten
wir ſchon oben bei den Durchforſtungen kennen (S. 598), wie denn über-
haupt Alles was das geſunde und kräftige Gedeihen des Waldes befördert
gewiſſermaſſen zwiſchen beiden Berufsthätigkeiten des Forſtmannes ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0660" n="604"/>
            <p><hi rendition="#g">Ablö&#x017F;ung aller Streu&#x017F;ervitute</hi> i&#x017F;t in un&#x017F;erer Zeit, welche<lb/>
&#x017F;ich neben anderer be&#x017F;&#x017F;erer Erkenntniß auch des tieferen Ver&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;es des<lb/>
Waldes rühmen &#x017F;ollte, eine allgemein gebotene Aufgabe. Die&#x017F;es Ver-<lb/>
&#x017F;tändniß, wenn es ein allgemeineres geworden &#x017F;ein wird, muß alsdann<lb/>
der Staatsverwaltung die Berechtigung auf Zwangsabtretung gewähren,<lb/>
in Gebirgswaldungen, wo die Streu&#x017F;ervitute am häufig&#x017F;ten und am nach-<lb/>
theilig&#x017F;ten &#x017F;ind, durch Ueberwei&#x017F;ung eines Aequivalentes an <hi rendition="#g">Schneidel-<lb/>
&#x017F;treu</hi> (S. 322).</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#g">Be&#x017F;chützung des Waldes vor &#x017F;chädlichen Thieren</hi> hat<lb/>
der For&#x017F;twi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft als einen wichtigen und nothwendigen Be&#x017F;tandtheil die<lb/>
Thierkunde, vor allen die In&#x017F;ektenkunde hinzugefügt, weil weder Vor-<lb/>
bauungs- noch Vertilgungsmaßregeln ohne Kenntniß vom Leben for&#x017F;t&#x017F;chäd-<lb/>
licher Thiere mit Erfolg angewendet werden können.</p><lb/>
            <p>Die aus uns bekannten Gründen durch In&#x017F;ektenfraß mehr als die<lb/>
Laubhölzer leidenden Nadelhölzer haben ihre Feinde fa&#x017F;t lediglich in den<lb/>
drei Ordnungen der Käfer, Falter und Hautflügler oder Immen und bei<lb/>
Kiefer und Fichte haben wir erfahren, welch ungeheure Verwü&#x017F;tungen die&#x017F;e<lb/>
kleinen Thiere in den Waldungen anzurichten im Stande &#x017F;ind (S. 276).<lb/>
Manche von ihnen halten namentlich unter gewi&#x017F;&#x017F;en Zu&#x017F;tandsbedingungen<lb/>
der Be&#x017F;tände den For&#x017F;tmann fortwährend in Wach&#x017F;amkeit und gegen &#x017F;ie<lb/>
i&#x017F;t nach und nach eine ganze kleine &#x017F;trategi&#x017F;che Literatur ent&#x017F;tanden.</p><lb/>
            <p>Außer den In&#x017F;ekten &#x017F;ind es Hir&#x017F;che und Rehe, Ha&#x017F;en und Kaninchen,<lb/>
Eichhörnchen, das Schwarzwild und vor allen die Mäu&#x017F;e, welche in ver-<lb/>
&#x017F;chieden&#x017F;ter Wei&#x017F;e bald die Knospen, Zweige, die junge Rinde und die letzten<lb/>
namentlich den noch nicht aufgegangenen Samen oft &#x017F;ehr &#x017F;tark be&#x017F;chädigen.<lb/>
Von den Vögeln ge&#x017F;ellen &#x017F;ich be&#x017F;onders wilde Tauben zu den &#x017F;aatvereitelnden<lb/>
Mäu&#x017F;en. Die Vögel, welche den reifen Samen auf den Bäumen fre&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ind un&#x017F;chädlich zu nennen, denn in Samenjahren, von denen man allein<lb/>
eine Samenernte oder Selb&#x017F;tbe&#x017F;amung erwartet, vermögen &#x017F;ie die Samen-<lb/>
fülle wenig zu verringern und in &#x017F;amenarmen Jahren erwartet der For&#x017F;t-<lb/>
mann ohnehin nichts für &#x017F;eine Samenvorräthe oder &#x017F;eine Samen&#x017F;chläge.</p><lb/>
            <p>Die nahe Verwandt&#x017F;chaft des For&#x017F;t&#x017F;chutzes mit dem Waldbau lernten<lb/>
wir &#x017F;chon oben bei den Durchfor&#x017F;tungen kennen (S. 598), wie denn über-<lb/>
haupt Alles was das ge&#x017F;unde und kräftige Gedeihen des Waldes befördert<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;erma&#x017F;&#x017F;en zwi&#x017F;chen beiden Berufsthätigkeiten des For&#x017F;tmannes &#x017F;ich<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[604/0660] Ablöſung aller Streuſervitute iſt in unſerer Zeit, welche ſich neben anderer beſſerer Erkenntniß auch des tieferen Verſtändniſſes des Waldes rühmen ſollte, eine allgemein gebotene Aufgabe. Dieſes Ver- ſtändniß, wenn es ein allgemeineres geworden ſein wird, muß alsdann der Staatsverwaltung die Berechtigung auf Zwangsabtretung gewähren, in Gebirgswaldungen, wo die Streuſervitute am häufigſten und am nach- theiligſten ſind, durch Ueberweiſung eines Aequivalentes an Schneidel- ſtreu (S. 322). Die Beſchützung des Waldes vor ſchädlichen Thieren hat der Forſtwiſſenſchaft als einen wichtigen und nothwendigen Beſtandtheil die Thierkunde, vor allen die Inſektenkunde hinzugefügt, weil weder Vor- bauungs- noch Vertilgungsmaßregeln ohne Kenntniß vom Leben forſtſchäd- licher Thiere mit Erfolg angewendet werden können. Die aus uns bekannten Gründen durch Inſektenfraß mehr als die Laubhölzer leidenden Nadelhölzer haben ihre Feinde faſt lediglich in den drei Ordnungen der Käfer, Falter und Hautflügler oder Immen und bei Kiefer und Fichte haben wir erfahren, welch ungeheure Verwüſtungen dieſe kleinen Thiere in den Waldungen anzurichten im Stande ſind (S. 276). Manche von ihnen halten namentlich unter gewiſſen Zuſtandsbedingungen der Beſtände den Forſtmann fortwährend in Wachſamkeit und gegen ſie iſt nach und nach eine ganze kleine ſtrategiſche Literatur entſtanden. Außer den Inſekten ſind es Hirſche und Rehe, Haſen und Kaninchen, Eichhörnchen, das Schwarzwild und vor allen die Mäuſe, welche in ver- ſchiedenſter Weiſe bald die Knospen, Zweige, die junge Rinde und die letzten namentlich den noch nicht aufgegangenen Samen oft ſehr ſtark beſchädigen. Von den Vögeln geſellen ſich beſonders wilde Tauben zu den ſaatvereitelnden Mäuſen. Die Vögel, welche den reifen Samen auf den Bäumen freſſen ſind unſchädlich zu nennen, denn in Samenjahren, von denen man allein eine Samenernte oder Selbſtbeſamung erwartet, vermögen ſie die Samen- fülle wenig zu verringern und in ſamenarmen Jahren erwartet der Forſt- mann ohnehin nichts für ſeine Samenvorräthe oder ſeine Samenſchläge. Die nahe Verwandtſchaft des Forſtſchutzes mit dem Waldbau lernten wir ſchon oben bei den Durchforſtungen kennen (S. 598), wie denn über- haupt Alles was das geſunde und kräftige Gedeihen des Waldes befördert gewiſſermaſſen zwiſchen beiden Berufsthätigkeiten des Forſtmannes ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/660
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/660>, abgerufen am 23.11.2024.