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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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diese Ausprägung gehört daher vorzugsweise den Laubhölzern an. Was
wir unter Kronenabwölbung zu verstehen haben, können wir am besten
aus einigen Baumbeispielen lernen, wozu sich die Esche und Ahornarten
am besten empfehlen. Diese Bäume haben eine regelmäßige kreuzweis
gegenständige Knospenstellung mit vollkommen ausgeprägten Endknospen
der Triebe (S. 60 Fig. III. 2. 4. und S. 63 Fig. IV. 1.). Diese
Stellung und namentlich die vorherrschende Vollkommenheit der End-
knospe muß ähnlich wie bei den Nadelbäumen eine pyramidale Kronen-
bildung begünstigen, ja müßte diese eigentlich zur nothwendigen Folge
haben, wenn nicht hemmende Umstände in den Weg träten, die uns
schon bekannt sind (S. 217, 218). Nur bis zu einem gewissen Alter
macht sich dieser Einfluß der Knospenstellung in der Kronenbildung
geltend; es ist aber dieses Alter oder vielleicht richtiger diese Periode
einigermaaßen von den äußeren Verhältnissen abhängig. Auf einem in
jeder Hinsicht günstigen Standorte können namentlich Eschen bis zu
einem Alter von 50 Jahren noch vollkommen deutlich den der Knospen-
stellung entsprechenden pyramidalen Wuchs erkennen lassen.

Wenn dieser Einfluß der Knospenstellung auf die Kronengestalt auf-
hört, dann fängt die sogenannte Kronenabwölbung an, und wie groß der
Unterschied eines Baumes vor und nach der Kronenabwölbung sein könne,
das zeigt unser Kiefernbild. Dieser Unterschied ist aber nicht bei allen
Arten, die eine deutliche Periode der Kronenabwölbung haben, an die
kreuzweise gegenständige Knospenstellung gebunden. Bei Erle und Birke
stehen die Knospen anscheinend ganz unregelmäßig und dennoch haben
beide Bäume eine sehr bestimmt ausgesprochene Kronenabwölbung. Beide
sind, selbst aus Samen erwachsen -- als Stockausschlag bekanntlich
in noch höherem Grade -- bis zu einer ansehnlichen Größe entschieden
pyramidal gebaut und wölben erst später ihre Krone ab.

Es giebt aber auch Bäume, welche diesen Unterschied niemals zeigen.
Ein solcher ist z. B. die Linde, welche gleich von Anfang an ihrer Krone
die schöne Kuppelgestalt giebt, die wir an alten Linden kennen und so
sehr lieben.

Fragen wir nun, was eigentlich der von dem Forstmanne erfundene
Ausdruck Kronenabwölbung sagen wolle, so müssen wir, um ihn richtig
und im Sinne des Forstmannes zu verstehen, uns noch weiter von

dieſe Ausprägung gehört daher vorzugsweiſe den Laubhölzern an. Was
wir unter Kronenabwölbung zu verſtehen haben, können wir am beſten
aus einigen Baumbeiſpielen lernen, wozu ſich die Eſche und Ahornarten
am beſten empfehlen. Dieſe Bäume haben eine regelmäßige kreuzweis
gegenſtändige Knospenſtellung mit vollkommen ausgeprägten Endknospen
der Triebe (S. 60 Fig. III. 2. 4. und S. 63 Fig. IV. 1.). Dieſe
Stellung und namentlich die vorherrſchende Vollkommenheit der End-
knospe muß ähnlich wie bei den Nadelbäumen eine pyramidale Kronen-
bildung begünſtigen, ja müßte dieſe eigentlich zur nothwendigen Folge
haben, wenn nicht hemmende Umſtände in den Weg träten, die uns
ſchon bekannt ſind (S. 217, 218). Nur bis zu einem gewiſſen Alter
macht ſich dieſer Einfluß der Knospenſtellung in der Kronenbildung
geltend; es iſt aber dieſes Alter oder vielleicht richtiger dieſe Periode
einigermaaßen von den äußeren Verhältniſſen abhängig. Auf einem in
jeder Hinſicht günſtigen Standorte können namentlich Eſchen bis zu
einem Alter von 50 Jahren noch vollkommen deutlich den der Knospen-
ſtellung entſprechenden pyramidalen Wuchs erkennen laſſen.

Wenn dieſer Einfluß der Knospenſtellung auf die Kronengeſtalt auf-
hört, dann fängt die ſogenannte Kronenabwölbung an, und wie groß der
Unterſchied eines Baumes vor und nach der Kronenabwölbung ſein könne,
das zeigt unſer Kiefernbild. Dieſer Unterſchied iſt aber nicht bei allen
Arten, die eine deutliche Periode der Kronenabwölbung haben, an die
kreuzweiſe gegenſtändige Knospenſtellung gebunden. Bei Erle und Birke
ſtehen die Knospen anſcheinend ganz unregelmäßig und dennoch haben
beide Bäume eine ſehr beſtimmt ausgeſprochene Kronenabwölbung. Beide
ſind, ſelbſt aus Samen erwachſen — als Stockausſchlag bekanntlich
in noch höherem Grade — bis zu einer anſehnlichen Größe entſchieden
pyramidal gebaut und wölben erſt ſpäter ihre Krone ab.

Es giebt aber auch Bäume, welche dieſen Unterſchied niemals zeigen.
Ein ſolcher iſt z. B. die Linde, welche gleich von Anfang an ihrer Krone
die ſchöne Kuppelgeſtalt giebt, die wir an alten Linden kennen und ſo
ſehr lieben.

Fragen wir nun, was eigentlich der von dem Forſtmanne erfundene
Ausdruck Kronenabwölbung ſagen wolle, ſo müſſen wir, um ihn richtig
und im Sinne des Forſtmannes zu verſtehen, uns noch weiter von

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[361/0395] dieſe Ausprägung gehört daher vorzugsweiſe den Laubhölzern an. Was wir unter Kronenabwölbung zu verſtehen haben, können wir am beſten aus einigen Baumbeiſpielen lernen, wozu ſich die Eſche und Ahornarten am beſten empfehlen. Dieſe Bäume haben eine regelmäßige kreuzweis gegenſtändige Knospenſtellung mit vollkommen ausgeprägten Endknospen der Triebe (S. 60 Fig. III. 2. 4. und S. 63 Fig. IV. 1.). Dieſe Stellung und namentlich die vorherrſchende Vollkommenheit der End- knospe muß ähnlich wie bei den Nadelbäumen eine pyramidale Kronen- bildung begünſtigen, ja müßte dieſe eigentlich zur nothwendigen Folge haben, wenn nicht hemmende Umſtände in den Weg träten, die uns ſchon bekannt ſind (S. 217, 218). Nur bis zu einem gewiſſen Alter macht ſich dieſer Einfluß der Knospenſtellung in der Kronenbildung geltend; es iſt aber dieſes Alter oder vielleicht richtiger dieſe Periode einigermaaßen von den äußeren Verhältniſſen abhängig. Auf einem in jeder Hinſicht günſtigen Standorte können namentlich Eſchen bis zu einem Alter von 50 Jahren noch vollkommen deutlich den der Knospen- ſtellung entſprechenden pyramidalen Wuchs erkennen laſſen. Wenn dieſer Einfluß der Knospenſtellung auf die Kronengeſtalt auf- hört, dann fängt die ſogenannte Kronenabwölbung an, und wie groß der Unterſchied eines Baumes vor und nach der Kronenabwölbung ſein könne, das zeigt unſer Kiefernbild. Dieſer Unterſchied iſt aber nicht bei allen Arten, die eine deutliche Periode der Kronenabwölbung haben, an die kreuzweiſe gegenſtändige Knospenſtellung gebunden. Bei Erle und Birke ſtehen die Knospen anſcheinend ganz unregelmäßig und dennoch haben beide Bäume eine ſehr beſtimmt ausgeſprochene Kronenabwölbung. Beide ſind, ſelbſt aus Samen erwachſen — als Stockausſchlag bekanntlich in noch höherem Grade — bis zu einer anſehnlichen Größe entſchieden pyramidal gebaut und wölben erſt ſpäter ihre Krone ab. Es giebt aber auch Bäume, welche dieſen Unterſchied niemals zeigen. Ein ſolcher iſt z. B. die Linde, welche gleich von Anfang an ihrer Krone die ſchöne Kuppelgeſtalt giebt, die wir an alten Linden kennen und ſo ſehr lieben. Fragen wir nun, was eigentlich der von dem Forſtmanne erfundene Ausdruck Kronenabwölbung ſagen wolle, ſo müſſen wir, um ihn richtig und im Sinne des Forſtmannes zu verſtehen, uns noch weiter von

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/395>, abgerufen am 07.06.2024.