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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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welche im normalen unverbänderten Zustande einen einfachen und unver-
zweigten Stengel haben, wie dies bekanntlich z. B. bei dem Hahnen-
kamm der Fall ist. Es dürften ferner die verbänderten Stengel selbst
keine Verzweigung zeigen, während ich selbst an einer Kamillenpflanze an
dem drei Zoll breit verbänderten Stengel eine ungewöhnlich große Anzahl
von Aesten gefunden habe. Dagegen kommt der Fall vor, daß sich eine
Verbänderung an der Spitze in Zweige auflöst. Endlich ist noch das ein
Beweis gegen die Entstehung der Verbänderungen aus Stengel- und
Zweigverwachsung, daß man bis jetzt noch nicht solche Verbänderungen
gefunden hat, die das Ansehen von nur beginnender, noch nicht voll-
ständiger Verwachsung haben und die etwa ähnlich würden aussehen
müssen, wie die aneinandergedrückten Finger der Hand, wobei man als-
dann auf einem Querschnitte die einzelnen Mark- und Holzkörper würde
unterscheiden können, die blos von einer gemeinsamen Rinde über-
zogen wären.

Was man daher an einigen Gartenpflanzen, namentlich an der
Georgine zuweilen findet und für eine Verbänderung gehalten werden
könnte, ist keine solche, sondern ist eine wirkliche Verwachsung. Man
findet nämlich bei der genannten Pflanze zuweilen, daß sich aus dem
Blattwinkel ein offenbar aus zwei aneinander gewachsenen Blattstielen
zusammengesetzter, breiter auf dem Querschnitt die Figur der Ziffer 8
zeigender Blattstiel erhebt, auf dessen Spitze zwei mehr oder weniger
monströse Blüthen stehen, welche mit dem Rücken gegeneinandergekehrt und
hier bald mehr bald weniger mit einander verwachsen sind.

Um zu den wahren Verbänderungen zurückzugehen, so ist auch bei
diesen natürlich anzunehmen, daß der Keim dazu in der Knospe lag, und
wenn wir die Ursache der Verbänderung ergründen wollten, so müßten
wir sie hier suchen.

Wenn aber auch in neuerer Zeit der anatomische Bau des Vege-
tationspunktes, d. h. der kleinen Zellengruppe, welche dem neuen Axen-
gliede als Grundlage dient, namentlich durch Wilhelm Hofmeisters
Verdienste besser bekannt worden ist als früher, so sind wir dadurch jener
Ergründung um keinen Schritt näher; denn wenn wir auch bei solchen
höchst mühsamen mikroskopischen Untersuchungen Abweichungen von dem
normalen Bau des Vegetationspunktes finden würden, so könnten wir

welche im normalen unverbänderten Zuſtande einen einfachen und unver-
zweigten Stengel haben, wie dies bekanntlich z. B. bei dem Hahnen-
kamm der Fall iſt. Es dürften ferner die verbänderten Stengel ſelbſt
keine Verzweigung zeigen, während ich ſelbſt an einer Kamillenpflanze an
dem drei Zoll breit verbänderten Stengel eine ungewöhnlich große Anzahl
von Aeſten gefunden habe. Dagegen kommt der Fall vor, daß ſich eine
Verbänderung an der Spitze in Zweige auflöſt. Endlich iſt noch das ein
Beweis gegen die Entſtehung der Verbänderungen aus Stengel- und
Zweigverwachſung, daß man bis jetzt noch nicht ſolche Verbänderungen
gefunden hat, die das Anſehen von nur beginnender, noch nicht voll-
ſtändiger Verwachſung haben und die etwa ähnlich würden ausſehen
müſſen, wie die aneinandergedrückten Finger der Hand, wobei man als-
dann auf einem Querſchnitte die einzelnen Mark- und Holzkörper würde
unterſcheiden können, die blos von einer gemeinſamen Rinde über-
zogen wären.

Was man daher an einigen Gartenpflanzen, namentlich an der
Georgine zuweilen findet und für eine Verbänderung gehalten werden
könnte, iſt keine ſolche, ſondern iſt eine wirkliche Verwachſung. Man
findet nämlich bei der genannten Pflanze zuweilen, daß ſich aus dem
Blattwinkel ein offenbar aus zwei aneinander gewachſenen Blattſtielen
zuſammengeſetzter, breiter auf dem Querſchnitt die Figur der Ziffer 8
zeigender Blattſtiel erhebt, auf deſſen Spitze zwei mehr oder weniger
monſtröſe Blüthen ſtehen, welche mit dem Rücken gegeneinandergekehrt und
hier bald mehr bald weniger mit einander verwachſen ſind.

Um zu den wahren Verbänderungen zurückzugehen, ſo iſt auch bei
dieſen natürlich anzunehmen, daß der Keim dazu in der Knospe lag, und
wenn wir die Urſache der Verbänderung ergründen wollten, ſo müßten
wir ſie hier ſuchen.

Wenn aber auch in neuerer Zeit der anatomiſche Bau des Vege-
tationspunktes, d. h. der kleinen Zellengruppe, welche dem neuen Axen-
gliede als Grundlage dient, namentlich durch Wilhelm Hofmeiſters
Verdienſte beſſer bekannt worden iſt als früher, ſo ſind wir dadurch jener
Ergründung um keinen Schritt näher; denn wenn wir auch bei ſolchen
höchſt mühſamen mikroſkopiſchen Unterſuchungen Abweichungen von dem
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[319/0349] welche im normalen unverbänderten Zuſtande einen einfachen und unver- zweigten Stengel haben, wie dies bekanntlich z. B. bei dem Hahnen- kamm der Fall iſt. Es dürften ferner die verbänderten Stengel ſelbſt keine Verzweigung zeigen, während ich ſelbſt an einer Kamillenpflanze an dem drei Zoll breit verbänderten Stengel eine ungewöhnlich große Anzahl von Aeſten gefunden habe. Dagegen kommt der Fall vor, daß ſich eine Verbänderung an der Spitze in Zweige auflöſt. Endlich iſt noch das ein Beweis gegen die Entſtehung der Verbänderungen aus Stengel- und Zweigverwachſung, daß man bis jetzt noch nicht ſolche Verbänderungen gefunden hat, die das Anſehen von nur beginnender, noch nicht voll- ſtändiger Verwachſung haben und die etwa ähnlich würden ausſehen müſſen, wie die aneinandergedrückten Finger der Hand, wobei man als- dann auf einem Querſchnitte die einzelnen Mark- und Holzkörper würde unterſcheiden können, die blos von einer gemeinſamen Rinde über- zogen wären. Was man daher an einigen Gartenpflanzen, namentlich an der Georgine zuweilen findet und für eine Verbänderung gehalten werden könnte, iſt keine ſolche, ſondern iſt eine wirkliche Verwachſung. Man findet nämlich bei der genannten Pflanze zuweilen, daß ſich aus dem Blattwinkel ein offenbar aus zwei aneinander gewachſenen Blattſtielen zuſammengeſetzter, breiter auf dem Querſchnitt die Figur der Ziffer 8 zeigender Blattſtiel erhebt, auf deſſen Spitze zwei mehr oder weniger monſtröſe Blüthen ſtehen, welche mit dem Rücken gegeneinandergekehrt und hier bald mehr bald weniger mit einander verwachſen ſind. Um zu den wahren Verbänderungen zurückzugehen, ſo iſt auch bei dieſen natürlich anzunehmen, daß der Keim dazu in der Knospe lag, und wenn wir die Urſache der Verbänderung ergründen wollten, ſo müßten wir ſie hier ſuchen. Wenn aber auch in neuerer Zeit der anatomiſche Bau des Vege- tationspunktes, d. h. der kleinen Zellengruppe, welche dem neuen Axen- gliede als Grundlage dient, namentlich durch Wilhelm Hofmeiſters Verdienſte beſſer bekannt worden iſt als früher, ſo ſind wir dadurch jener Ergründung um keinen Schritt näher; denn wenn wir auch bei ſolchen höchſt mühſamen mikroſkopiſchen Unterſuchungen Abweichungen von dem normalen Bau des Vegetationspunktes finden würden, ſo könnten wir

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/349>, abgerufen am 22.12.2024.