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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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richtet sich daher nach der Beschaffenheit des Bodens und den davon
abhängigen Wachsthumsverhältnissen der Bestände und kann zwischen
40, 80 und 120 Jahren schwanken. Weil die Kiefer bei guter Be-
wurzelung und günstigen Bodenverhältnissen eine große Freistellung ge-
stattet, so werden besonders starke Bäume sehr häufig übergehalten,
d. h. auf übrigens abgetriebenen Schlägen allein stehen gelassen, und entweder
wenn sie ihre höchste Vollkommenheit erlangt haben aus dem jüngeren
Bestande herausgenommen, der inzwischen um sie herum aufgewachsen ist,
oder sie bleiben so lange stehen, bis auch dieser in sein Haubarkeitsalter
eingetreten ist: sie werden also erst nach doppelter Umtriebszeit gehauen.
Dies geschieht namentlich an solchen Orten, wo, wie z. B. zum Schiffs-
bau, besonders starke Holzsortimente gesucht sind.

Der Betrieb der Kiefernwaldungen ist nur Hochwaldbetrieb in
Schlägen, wie das des maugelnden Ausschlagsvermögens wegen, wodurch
Mittel- und Niederwaldbetrieb sich von selbst verbietet, bei den Nadel-
waldungen nicht anders sein kann. Die bisher allein geltende Gewohnheit,
die Kiefer wie alle Nadelhölzer nur in reinen Beständen zu erziehen,
wird jetzt an vielen Orten dahin modifizirt, daß man den Kiefernsaaten
und Kulturen wie auch denen anderer Nadelhölzer ein gewisses Procent
Laubhölzer beimischt, weil man gefunden hat, daß ganz reine Nadelholz-
bestände durch Insektenfraß mehr leiden als gemischte.

Die Benutzung der Kiefer ist eine außerordentlich manchfaltige
und umfangreiche und da sie vielleicht der verbreitetste Baum Deutschlands
ist, so trägt sie wahrscheinlich das Meiste zur Befriedigung unseres Holz-
bedürfnisses bei. Außer der Benutzung zu Brennholz bietet die Kiefer
eine große Manchfaltigkeit von Benutzungsformen dar und da sie be-
sonders ihres Lichtbedürfnisses wegen schon sehr frühzeitig durchforstet
werden muß, so liefert sie schon eine bedeutende Nutzung zu Bohnen-
und Hopfenstangen, bis endlich ihre höchste Nutzung als Mastbaum
eintritt, wozu nächst der Lärche Kiefernstämme ihres Harzreichthums
wegen am meisten gesucht sind. Weil die Kiefernstämme sich schon in
früher Jugend reinigen, so bieten sie im hohen Alter das astreinste
Holz, wodurch dessen Werth wesentlich erhöht wird.

Eine Aufzählung der verschiedenen Dinge, wozu man das Kiefern-
holz verarbeitet, würde eine lange Reihe geben und, wie sich von selbst

richtet ſich daher nach der Beſchaffenheit des Bodens und den davon
abhängigen Wachsthumsverhältniſſen der Beſtände und kann zwiſchen
40, 80 und 120 Jahren ſchwanken. Weil die Kiefer bei guter Be-
wurzelung und günſtigen Bodenverhältniſſen eine große Freiſtellung ge-
ſtattet, ſo werden beſonders ſtarke Bäume ſehr häufig übergehalten,
d. h. auf übrigens abgetriebenen Schlägen allein ſtehen gelaſſen, und entweder
wenn ſie ihre höchſte Vollkommenheit erlangt haben aus dem jüngeren
Beſtande herausgenommen, der inzwiſchen um ſie herum aufgewachſen iſt,
oder ſie bleiben ſo lange ſtehen, bis auch dieſer in ſein Haubarkeitsalter
eingetreten iſt: ſie werden alſo erſt nach doppelter Umtriebszeit gehauen.
Dies geſchieht namentlich an ſolchen Orten, wo, wie z. B. zum Schiffs-
bau, beſonders ſtarke Holzſortimente geſucht ſind.

Der Betrieb der Kiefernwaldungen iſt nur Hochwaldbetrieb in
Schlägen, wie das des maugelnden Ausſchlagsvermögens wegen, wodurch
Mittel- und Niederwaldbetrieb ſich von ſelbſt verbietet, bei den Nadel-
waldungen nicht anders ſein kann. Die bisher allein geltende Gewohnheit,
die Kiefer wie alle Nadelhölzer nur in reinen Beſtänden zu erziehen,
wird jetzt an vielen Orten dahin modifizirt, daß man den Kiefernſaaten
und Kulturen wie auch denen anderer Nadelhölzer ein gewiſſes Procent
Laubhölzer beimiſcht, weil man gefunden hat, daß ganz reine Nadelholz-
beſtände durch Inſektenfraß mehr leiden als gemiſchte.

Die Benutzung der Kiefer iſt eine außerordentlich manchfaltige
und umfangreiche und da ſie vielleicht der verbreitetſte Baum Deutſchlands
iſt, ſo trägt ſie wahrſcheinlich das Meiſte zur Befriedigung unſeres Holz-
bedürfniſſes bei. Außer der Benutzung zu Brennholz bietet die Kiefer
eine große Manchfaltigkeit von Benutzungsformen dar und da ſie be-
ſonders ihres Lichtbedürfniſſes wegen ſchon ſehr frühzeitig durchforſtet
werden muß, ſo liefert ſie ſchon eine bedeutende Nutzung zu Bohnen-
und Hopfenſtangen, bis endlich ihre höchſte Nutzung als Maſtbaum
eintritt, wozu nächſt der Lärche Kiefernſtämme ihres Harzreichthums
wegen am meiſten geſucht ſind. Weil die Kiefernſtämme ſich ſchon in
früher Jugend reinigen, ſo bieten ſie im hohen Alter das aſtreinſte
Holz, wodurch deſſen Werth weſentlich erhöht wird.

Eine Aufzählung der verſchiedenen Dinge, wozu man das Kiefern-
holz verarbeitet, würde eine lange Reihe geben und, wie ſich von ſelbſt

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[286/0312] richtet ſich daher nach der Beſchaffenheit des Bodens und den davon abhängigen Wachsthumsverhältniſſen der Beſtände und kann zwiſchen 40, 80 und 120 Jahren ſchwanken. Weil die Kiefer bei guter Be- wurzelung und günſtigen Bodenverhältniſſen eine große Freiſtellung ge- ſtattet, ſo werden beſonders ſtarke Bäume ſehr häufig übergehalten, d. h. auf übrigens abgetriebenen Schlägen allein ſtehen gelaſſen, und entweder wenn ſie ihre höchſte Vollkommenheit erlangt haben aus dem jüngeren Beſtande herausgenommen, der inzwiſchen um ſie herum aufgewachſen iſt, oder ſie bleiben ſo lange ſtehen, bis auch dieſer in ſein Haubarkeitsalter eingetreten iſt: ſie werden alſo erſt nach doppelter Umtriebszeit gehauen. Dies geſchieht namentlich an ſolchen Orten, wo, wie z. B. zum Schiffs- bau, beſonders ſtarke Holzſortimente geſucht ſind. Der Betrieb der Kiefernwaldungen iſt nur Hochwaldbetrieb in Schlägen, wie das des maugelnden Ausſchlagsvermögens wegen, wodurch Mittel- und Niederwaldbetrieb ſich von ſelbſt verbietet, bei den Nadel- waldungen nicht anders ſein kann. Die bisher allein geltende Gewohnheit, die Kiefer wie alle Nadelhölzer nur in reinen Beſtänden zu erziehen, wird jetzt an vielen Orten dahin modifizirt, daß man den Kiefernſaaten und Kulturen wie auch denen anderer Nadelhölzer ein gewiſſes Procent Laubhölzer beimiſcht, weil man gefunden hat, daß ganz reine Nadelholz- beſtände durch Inſektenfraß mehr leiden als gemiſchte. Die Benutzung der Kiefer iſt eine außerordentlich manchfaltige und umfangreiche und da ſie vielleicht der verbreitetſte Baum Deutſchlands iſt, ſo trägt ſie wahrſcheinlich das Meiſte zur Befriedigung unſeres Holz- bedürfniſſes bei. Außer der Benutzung zu Brennholz bietet die Kiefer eine große Manchfaltigkeit von Benutzungsformen dar und da ſie be- ſonders ihres Lichtbedürfniſſes wegen ſchon ſehr frühzeitig durchforſtet werden muß, ſo liefert ſie ſchon eine bedeutende Nutzung zu Bohnen- und Hopfenſtangen, bis endlich ihre höchſte Nutzung als Maſtbaum eintritt, wozu nächſt der Lärche Kiefernſtämme ihres Harzreichthums wegen am meiſten geſucht ſind. Weil die Kiefernſtämme ſich ſchon in früher Jugend reinigen, ſo bieten ſie im hohen Alter das aſtreinſte Holz, wodurch deſſen Werth weſentlich erhöht wird. Eine Aufzählung der verſchiedenen Dinge, wozu man das Kiefern- holz verarbeitet, würde eine lange Reihe geben und, wie ſich von ſelbſt

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/312>, abgerufen am 06.06.2024.