Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

derselben, daß die Schlupfwespen nur solche Insekten zu ihren Wohnungs-
und Ernährungsthieren wählen, welche bereits krank und einem die Fort-
pflanzung ausschließenden Tode verfallen seien. Es ist sogar die Meinung
ausgesprochen und verfochten worden, daß eine zu unermeßlichen Mengen
in wenigen Jahren herangewachsene Insektenvermehrung an sich schon
eine allgemeine Seuche derselben im Gefolge habe, welche sich namentlich
auch durch einen Verlust des Fortpflanzungsvermögens kund gebe. Ob
diese Theorie vollkommen begründet sei, würde sich blos durch einen Fall
entscheiden lassen, durch den nachgewiesen werden könnte, daß eine
Insektenvermehrung wieder verschwunden sei, ohne daß eine Mitwirkung
der Schlupfwespen dabei sichtbarer gewesen war. Bei einigen schäd-
lichen Kiefernraupen, welche zu solchen Beobachtungen die beste Gelegen-
heit geben, hat man das plötzliche Verschwinden der größten Mengen
derselben immer von Schlupfwespen begleitet gefunden, so daß es un-
möglich scheint, den Beweis zu führen, daß dieselben auch ohne die
Schlupfwespen verschwunden sein würden. So lange diese Meinungs-
verschiedenheit nach einer Seite hin noch nicht mit Bestimmtheit ent-
schieden worden ist, dürfen wir immerhin an einiges Verdienst der Schlupf-
wespen glauben, wobei jedoch nicht verschwiegen werden darf, daß man
bei großen Ausbreitungen gewöhnlich viele Raupen sterben sieht, in denen
sich keine solche Schmarotzer finden.

Unter allen Verhältnissen bleibt ihnen, wie Ratzeburg sagt, das
Verdienst, daß wir durch eine Beachtung ihrer Vermehrung während
einer Raupen-Vermehrung darauf schließen können, ob der Raupen-
fraß länger oder kürzer dauern werde. Letzteres ist um so mehr der
Fall, je mehr wir in den Raupen Schlupfwespen finden, mögen nun
diese die Mörder der Raupen oder blos das Anzeichen von der überhand
nehmenden Seuche der Raupen sein.

Diese zum Theil sehr kleinen in einzelnen Arten aber auch mehr
als zollgroßen, zierlichen Geschöpfe, sind großentheils sehr bestimmt mit
ihrer Wohnung und Ernährung auf gewisse Insektenarten beschränkt,
ähnlich wie andere Insekten nur bestimmte Futterpflanzen, viele viele
Eingeweidewürmer nur bestimmte Wohnungsthiere haben.

Im Allgemeinen haben die Schlupfwespen die bekannte schlanke
Wespengestalt und bei vielen ist das Weibchen am Hinterbleibsende mit

derſelben, daß die Schlupfwespen nur ſolche Inſekten zu ihren Wohnungs-
und Ernährungsthieren wählen, welche bereits krank und einem die Fort-
pflanzung ausſchließenden Tode verfallen ſeien. Es iſt ſogar die Meinung
ausgeſprochen und verfochten worden, daß eine zu unermeßlichen Mengen
in wenigen Jahren herangewachſene Inſektenvermehrung an ſich ſchon
eine allgemeine Seuche derſelben im Gefolge habe, welche ſich namentlich
auch durch einen Verluſt des Fortpflanzungsvermögens kund gebe. Ob
dieſe Theorie vollkommen begründet ſei, würde ſich blos durch einen Fall
entſcheiden laſſen, durch den nachgewieſen werden könnte, daß eine
Inſektenvermehrung wieder verſchwunden ſei, ohne daß eine Mitwirkung
der Schlupfwespen dabei ſichtbarer geweſen war. Bei einigen ſchäd-
lichen Kiefernraupen, welche zu ſolchen Beobachtungen die beſte Gelegen-
heit geben, hat man das plötzliche Verſchwinden der größten Mengen
derſelben immer von Schlupfwespen begleitet gefunden, ſo daß es un-
möglich ſcheint, den Beweis zu führen, daß dieſelben auch ohne die
Schlupfwespen verſchwunden ſein würden. So lange dieſe Meinungs-
verſchiedenheit nach einer Seite hin noch nicht mit Beſtimmtheit ent-
ſchieden worden iſt, dürfen wir immerhin an einiges Verdienſt der Schlupf-
wespen glauben, wobei jedoch nicht verſchwiegen werden darf, daß man
bei großen Ausbreitungen gewöhnlich viele Raupen ſterben ſieht, in denen
ſich keine ſolche Schmarotzer finden.

Unter allen Verhältniſſen bleibt ihnen, wie Ratzeburg ſagt, das
Verdienſt, daß wir durch eine Beachtung ihrer Vermehrung während
einer Raupen-Vermehrung darauf ſchließen können, ob der Raupen-
fraß länger oder kürzer dauern werde. Letzteres iſt um ſo mehr der
Fall, je mehr wir in den Raupen Schlupfwespen finden, mögen nun
dieſe die Mörder der Raupen oder blos das Anzeichen von der überhand
nehmenden Seuche der Raupen ſein.

Dieſe zum Theil ſehr kleinen in einzelnen Arten aber auch mehr
als zollgroßen, zierlichen Geſchöpfe, ſind großentheils ſehr beſtimmt mit
ihrer Wohnung und Ernährung auf gewiſſe Inſektenarten beſchränkt,
ähnlich wie andere Inſekten nur beſtimmte Futterpflanzen, viele viele
Eingeweidewürmer nur beſtimmte Wohnungsthiere haben.

Im Allgemeinen haben die Schlupfwespen die bekannte ſchlanke
Wespengeſtalt und bei vielen iſt das Weibchen am Hinterbleibsende mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0298" n="272"/>
der&#x017F;elben, daß die Schlupfwespen nur &#x017F;olche In&#x017F;ekten zu ihren Wohnungs-<lb/>
und Ernährungsthieren wählen, welche bereits krank und einem die Fort-<lb/>
pflanzung aus&#x017F;chließenden Tode verfallen &#x017F;eien. Es i&#x017F;t &#x017F;ogar die Meinung<lb/>
ausge&#x017F;prochen und verfochten worden, daß eine zu unermeßlichen Mengen<lb/>
in wenigen Jahren herangewach&#x017F;ene In&#x017F;ektenvermehrung an &#x017F;ich &#x017F;chon<lb/>
eine allgemeine Seuche der&#x017F;elben im Gefolge habe, welche &#x017F;ich namentlich<lb/>
auch durch einen Verlu&#x017F;t des Fortpflanzungsvermögens kund gebe. Ob<lb/>
die&#x017F;e Theorie vollkommen begründet &#x017F;ei, würde &#x017F;ich blos durch einen Fall<lb/>
ent&#x017F;cheiden la&#x017F;&#x017F;en, durch den nachgewie&#x017F;en werden könnte, daß eine<lb/>
In&#x017F;ektenvermehrung wieder ver&#x017F;chwunden &#x017F;ei, ohne daß eine Mitwirkung<lb/>
der Schlupfwespen dabei &#x017F;ichtbarer gewe&#x017F;en war. Bei einigen &#x017F;chäd-<lb/>
lichen Kiefernraupen, welche zu &#x017F;olchen Beobachtungen die be&#x017F;te Gelegen-<lb/>
heit geben, hat man das plötzliche Ver&#x017F;chwinden der größten Mengen<lb/>
der&#x017F;elben immer von Schlupfwespen begleitet gefunden, &#x017F;o daß es un-<lb/>
möglich &#x017F;cheint, den Beweis zu führen, daß die&#x017F;elben auch ohne die<lb/>
Schlupfwespen ver&#x017F;chwunden &#x017F;ein würden. So lange die&#x017F;e Meinungs-<lb/>
ver&#x017F;chiedenheit nach einer Seite hin noch nicht mit Be&#x017F;timmtheit ent-<lb/>
&#x017F;chieden worden i&#x017F;t, dürfen wir immerhin an einiges Verdien&#x017F;t der Schlupf-<lb/>
wespen glauben, wobei jedoch nicht ver&#x017F;chwiegen werden darf, daß man<lb/>
bei großen Ausbreitungen gewöhnlich viele Raupen &#x017F;terben &#x017F;ieht, in denen<lb/>
&#x017F;ich keine &#x017F;olche Schmarotzer finden.</p><lb/>
            <p>Unter allen Verhältni&#x017F;&#x017F;en bleibt ihnen, wie <hi rendition="#g">Ratzeburg</hi> &#x017F;agt, das<lb/>
Verdien&#x017F;t, daß wir durch eine Beachtung <hi rendition="#g">ihrer</hi> Vermehrung während<lb/>
einer <hi rendition="#g">Raupen</hi>-Vermehrung darauf &#x017F;chließen können, ob der Raupen-<lb/>
fraß länger oder kürzer dauern werde. Letzteres i&#x017F;t um &#x017F;o mehr der<lb/>
Fall, je mehr wir in den Raupen Schlupfwespen finden, mögen nun<lb/>
die&#x017F;e die Mörder der Raupen oder blos das Anzeichen von der überhand<lb/>
nehmenden Seuche der Raupen &#x017F;ein.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e zum Theil &#x017F;ehr kleinen in einzelnen Arten aber auch mehr<lb/>
als zollgroßen, zierlichen Ge&#x017F;chöpfe, &#x017F;ind großentheils &#x017F;ehr be&#x017F;timmt mit<lb/>
ihrer Wohnung und Ernährung auf gewi&#x017F;&#x017F;e In&#x017F;ektenarten be&#x017F;chränkt,<lb/>
ähnlich wie andere In&#x017F;ekten nur be&#x017F;timmte Futterpflanzen, viele viele<lb/>
Eingeweidewürmer nur be&#x017F;timmte Wohnungsthiere haben.</p><lb/>
            <p>Im Allgemeinen haben die Schlupfwespen die bekannte &#x017F;chlanke<lb/>
Wespenge&#x017F;talt und bei vielen i&#x017F;t das Weibchen am Hinterbleibsende mit<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0298] derſelben, daß die Schlupfwespen nur ſolche Inſekten zu ihren Wohnungs- und Ernährungsthieren wählen, welche bereits krank und einem die Fort- pflanzung ausſchließenden Tode verfallen ſeien. Es iſt ſogar die Meinung ausgeſprochen und verfochten worden, daß eine zu unermeßlichen Mengen in wenigen Jahren herangewachſene Inſektenvermehrung an ſich ſchon eine allgemeine Seuche derſelben im Gefolge habe, welche ſich namentlich auch durch einen Verluſt des Fortpflanzungsvermögens kund gebe. Ob dieſe Theorie vollkommen begründet ſei, würde ſich blos durch einen Fall entſcheiden laſſen, durch den nachgewieſen werden könnte, daß eine Inſektenvermehrung wieder verſchwunden ſei, ohne daß eine Mitwirkung der Schlupfwespen dabei ſichtbarer geweſen war. Bei einigen ſchäd- lichen Kiefernraupen, welche zu ſolchen Beobachtungen die beſte Gelegen- heit geben, hat man das plötzliche Verſchwinden der größten Mengen derſelben immer von Schlupfwespen begleitet gefunden, ſo daß es un- möglich ſcheint, den Beweis zu führen, daß dieſelben auch ohne die Schlupfwespen verſchwunden ſein würden. So lange dieſe Meinungs- verſchiedenheit nach einer Seite hin noch nicht mit Beſtimmtheit ent- ſchieden worden iſt, dürfen wir immerhin an einiges Verdienſt der Schlupf- wespen glauben, wobei jedoch nicht verſchwiegen werden darf, daß man bei großen Ausbreitungen gewöhnlich viele Raupen ſterben ſieht, in denen ſich keine ſolche Schmarotzer finden. Unter allen Verhältniſſen bleibt ihnen, wie Ratzeburg ſagt, das Verdienſt, daß wir durch eine Beachtung ihrer Vermehrung während einer Raupen-Vermehrung darauf ſchließen können, ob der Raupen- fraß länger oder kürzer dauern werde. Letzteres iſt um ſo mehr der Fall, je mehr wir in den Raupen Schlupfwespen finden, mögen nun dieſe die Mörder der Raupen oder blos das Anzeichen von der überhand nehmenden Seuche der Raupen ſein. Dieſe zum Theil ſehr kleinen in einzelnen Arten aber auch mehr als zollgroßen, zierlichen Geſchöpfe, ſind großentheils ſehr beſtimmt mit ihrer Wohnung und Ernährung auf gewiſſe Inſektenarten beſchränkt, ähnlich wie andere Inſekten nur beſtimmte Futterpflanzen, viele viele Eingeweidewürmer nur beſtimmte Wohnungsthiere haben. Im Allgemeinen haben die Schlupfwespen die bekannte ſchlanke Wespengeſtalt und bei vielen iſt das Weibchen am Hinterbleibsende mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/298
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/298>, abgerufen am 22.12.2024.