glänzt -- daß er in aller Stille einem ernsten edeln Berufe folgt? So ist es mit dem Walde.
Wenn der Eichbaum gefällt neben seiner Wurzel liegt und Säge und Beil ihn zerstücken -- nicht dann erst beginnt er uns zu nützen. Die größere Halbschied seines Nutzens endet mit seinem Leben. Was wir uns aus seinem Holze machen, kommt dem an Wichtigkeit nicht gleich, wozu er im Interesse unseres Lebens mit anderen Bäumen als lebendiger Baum beitrug. Als Waldpfleger, nicht als Holzfäller ist der Förster ein wichtiger Arbeiter im Dienste des Völkerlebens, nicht minder wichtig als der Ackers- mann. Zwar muß zugegeben werden, daß diese Seite des Wäldersegens, welche mit dem Fällen der Wälder aufhört, vielleicht selbst von manchem Förster noch nicht gewürdigt ist. Aber die warme Liebe der Waldpfleger für ihre grünen Reviere verhütet die Gefahr, welche in jener Unkenntniß liegen könnte, von selbst, denn nur selten ist ein Förster nichts weiter als ein kalter Finanzmann, der nur Klaftern im Walde wachsen sieht, und nur nach dem Ruhme eines hohen "Abgabe-Etats" trachtet.
Vielleicht nur für wenige meiner Leser und Leserinnen brauche ich erst noch zu sagen, daß ich jetzt die Bedeutung des Waldes für das Klima und also für die Fruchtbarkeit des Bodens im Auge habe. Die Forst- wissenschaft erkennt in neuerer Zeit in der Würdigung dieser Bedeutung des Waldes die Spitze ihrer Aufgabe und ist dadurch aus der niederen Stellung der Holzerzieherin zu einer Höhe emporgestiegen, wo sie sich neben Wissenschaften erblickt, welche man sonst hoch über sie setzte.
Allerdings nimmt die ausübende Forstwissenschaft, die Forstwirthschaft, in ihren Maßregeln und Arbeiten auf diese höchste Seite der Waldbedeu- tung noch keinen besonderen Bedacht, denn ihr letztes und nächstes Ziel war immer nur eine möglichst reichliche Holzernte unter vorsichtigem Bedacht, daß eine gleiche auch den kommenden Zeiten gesichert sei. Es kam aber dabei von selbst auch für den in Rede stehenden Nutzen des Waldes das überhaupt Erreichbare heraus, denn der des Holzes wegen zu möglichster Lebensfülle erzogene Wald war zugleich geeignet, jener Aufgabe zu genügen.
Wie könnte ich noch zweifeln wollen, daß schon nach dieser kurzen Andeutung kein Waldfreund mehr den Forst mit scheuem Bedenken ansehen werde, daß keinem die Forstwissenschaft länger als ein Eingriff in sein poetisches Besitzthum erscheine.
glänzt — daß er in aller Stille einem ernſten edeln Berufe folgt? So iſt es mit dem Walde.
Wenn der Eichbaum gefällt neben ſeiner Wurzel liegt und Säge und Beil ihn zerſtücken — nicht dann erſt beginnt er uns zu nützen. Die größere Halbſchied ſeines Nutzens endet mit ſeinem Leben. Was wir uns aus ſeinem Holze machen, kommt dem an Wichtigkeit nicht gleich, wozu er im Intereſſe unſeres Lebens mit anderen Bäumen als lebendiger Baum beitrug. Als Waldpfleger, nicht als Holzfäller iſt der Förſter ein wichtiger Arbeiter im Dienſte des Völkerlebens, nicht minder wichtig als der Ackers- mann. Zwar muß zugegeben werden, daß dieſe Seite des Wälderſegens, welche mit dem Fällen der Wälder aufhört, vielleicht ſelbſt von manchem Förſter noch nicht gewürdigt iſt. Aber die warme Liebe der Waldpfleger für ihre grünen Reviere verhütet die Gefahr, welche in jener Unkenntniß liegen könnte, von ſelbſt, denn nur ſelten iſt ein Förſter nichts weiter als ein kalter Finanzmann, der nur Klaftern im Walde wachſen ſieht, und nur nach dem Ruhme eines hohen „Abgabe-Etats“ trachtet.
Vielleicht nur für wenige meiner Leſer und Leſerinnen brauche ich erſt noch zu ſagen, daß ich jetzt die Bedeutung des Waldes für das Klima und alſo für die Fruchtbarkeit des Bodens im Auge habe. Die Forſt- wiſſenſchaft erkennt in neuerer Zeit in der Würdigung dieſer Bedeutung des Waldes die Spitze ihrer Aufgabe und iſt dadurch aus der niederen Stellung der Holzerzieherin zu einer Höhe emporgeſtiegen, wo ſie ſich neben Wiſſenſchaften erblickt, welche man ſonſt hoch über ſie ſetzte.
Allerdings nimmt die ausübende Forſtwiſſenſchaft, die Forſtwirthſchaft, in ihren Maßregeln und Arbeiten auf dieſe höchſte Seite der Waldbedeu- tung noch keinen beſonderen Bedacht, denn ihr letztes und nächſtes Ziel war immer nur eine möglichſt reichliche Holzernte unter vorſichtigem Bedacht, daß eine gleiche auch den kommenden Zeiten geſichert ſei. Es kam aber dabei von ſelbſt auch für den in Rede ſtehenden Nutzen des Waldes das überhaupt Erreichbare heraus, denn der des Holzes wegen zu möglichſter Lebensfülle erzogene Wald war zugleich geeignet, jener Aufgabe zu genügen.
Wie könnte ich noch zweifeln wollen, daß ſchon nach dieſer kurzen Andeutung kein Waldfreund mehr den Forſt mit ſcheuem Bedenken anſehen werde, daß keinem die Forſtwiſſenſchaft länger als ein Eingriff in ſein poetiſches Beſitzthum erſcheine.
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Wenn der Eichbaum gefällt neben ſeiner Wurzel liegt und Säge und
Beil ihn zerſtücken — nicht dann erſt beginnt er uns zu nützen. Die
größere Halbſchied ſeines Nutzens endet mit ſeinem Leben. Was wir uns
aus ſeinem Holze machen, kommt dem an Wichtigkeit nicht gleich, wozu
er im Intereſſe unſeres Lebens mit anderen Bäumen als lebendiger Baum
beitrug. Als Waldpfleger, nicht als Holzfäller iſt der Förſter ein wichtiger
Arbeiter im Dienſte des Völkerlebens, nicht minder wichtig als der Ackers-
mann. Zwar muß zugegeben werden, daß dieſe Seite des Wälderſegens,
welche mit dem Fällen der Wälder aufhört, vielleicht ſelbſt von manchem
Förſter noch nicht gewürdigt iſt. Aber die warme Liebe der Waldpfleger
für ihre grünen Reviere verhütet die Gefahr, welche in jener Unkenntniß
liegen könnte, von ſelbſt, denn nur ſelten iſt ein Förſter nichts weiter als
ein kalter Finanzmann, der nur Klaftern im Walde wachſen ſieht, und
nur nach dem Ruhme eines hohen „Abgabe-Etats“ trachtet.
Vielleicht nur für wenige meiner Leſer und Leſerinnen brauche ich
erſt noch zu ſagen, daß ich jetzt die Bedeutung des Waldes für das Klima
und alſo für die Fruchtbarkeit des Bodens im Auge habe. Die Forſt-
wiſſenſchaft erkennt in neuerer Zeit in der Würdigung dieſer Bedeutung
des Waldes die Spitze ihrer Aufgabe und iſt dadurch aus der niederen
Stellung der Holzerzieherin zu einer Höhe emporgeſtiegen, wo ſie ſich
neben Wiſſenſchaften erblickt, welche man ſonſt hoch über ſie ſetzte.
Allerdings nimmt die ausübende Forſtwiſſenſchaft, die Forſtwirthſchaft,
in ihren Maßregeln und Arbeiten auf dieſe höchſte Seite der Waldbedeu-
tung noch keinen beſonderen Bedacht, denn ihr letztes und nächſtes Ziel war
immer nur eine möglichſt reichliche Holzernte unter vorſichtigem Bedacht,
daß eine gleiche auch den kommenden Zeiten geſichert ſei. Es kam aber
dabei von ſelbſt auch für den in Rede ſtehenden Nutzen des Waldes das
überhaupt Erreichbare heraus, denn der des Holzes wegen zu möglichſter
Lebensfülle erzogene Wald war zugleich geeignet, jener Aufgabe zu genügen.
Wie könnte ich noch zweifeln wollen, daß ſchon nach dieſer kurzen
Andeutung kein Waldfreund mehr den Forſt mit ſcheuem Bedenken
anſehen werde, daß keinem die Forſtwiſſenſchaft länger als ein Eingriff in
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/29>, abgerufen am 22.12.2024.
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