ist es uns bloß darum zu thun, den Wald als ein Beispiel des Gesellig- keitstriebes im Pflanzenreiche uns vorzuhalten und nun weiter den Unter- schied zwischen Wald und Forst festzustellen.
Jeder Forst ist zugleich auch ein Wald, aber nicht jeder Wald, und wäre er auch noch so groß, ein Forst. Die geregelte Pflege und Bewirthschaftung macht den Wald zum Forste. Darum giebt es Urwälder aber keine Urforsten, eine Forstwissenschaft, keine Waldwissenschaft. Das uralte deutsche Wort trägt diese seine beschränkende Bedeutung in dem Worte Förster klar zur Schau, für welches die Sprache kein gleich- bedeutendes von Wald gebildetes hat.
Die Nutzung des Waldes macht ihn noch nicht zum Forste und darum sind leider noch viele unserer Gemeindewaldungen keine Gemeinde- forsten. Die Aufgabe der Zeit aber ist es, wenigstens in Kulturstaaten, alle Wälder Forsten werden zu lassen. Wir alle sind dabei betheiligt, und mehr noch als wir unsere Enkel.
Man darf es wohl sagen, daß die fern von großen Waldungen in volkreichen Städten Wohnenden die forstliche Bedeutung des Waldes nur oberflächlich, meist sogar noch weniger, kennen und würdigen. Ihnen ist der Wald eine von selbst fließende Quelle, die ihnen um so unerschöpf- licher zu sein scheint, je weniger sie das Baumleben kennen und je unbe- kannter sie sind mit den Ziffern der Statistik, einer Wissenschaft, so meinen sie, die sie ja nichts angeht.
Wie wenig ahnt man, daß der Förster mit dem Gärtner und Acker- bauer die gleiche Aufgabe hat: Pflanzen zu säen und zu erziehen, nur unter noch weit größeren Mühen und Widerwärtigkeiten und -- das ver- gesse man nicht -- oft, ja meist ohne in der Reife seiner Saaten seinen Lohn zu erleben. Leider ist ja Vielen der Förster mehr bloß ein Holz- verwalter als ein Walderzieher.
Diejenigen meiner Leser, welche sich zu den Freunden, nicht zu den Pflegern des Waldes zählen, mögen nur jetzt nicht fürchten, es könne ihnen etwas verloren gehen von ihrer poetischen Waldliebe, wenn sie ihren Freund als Forst in das kalte Licht der Wissenschaft gestellt sehen. Lieben wir denn einen Freund dann weniger, wenn wir hören, daß er nicht bloß durch seine Innigkeit und Tiefe des Gemüths, nicht bloß durch den leuch- tenden Blick seines schönen Auges und durch den Zauber seines Gesprächs
iſt es uns bloß darum zu thun, den Wald als ein Beiſpiel des Geſellig- keitstriebes im Pflanzenreiche uns vorzuhalten und nun weiter den Unter- ſchied zwiſchen Wald und Forſt feſtzuſtellen.
Jeder Forſt iſt zugleich auch ein Wald, aber nicht jeder Wald, und wäre er auch noch ſo groß, ein Forſt. Die geregelte Pflege und Bewirthſchaftung macht den Wald zum Forſte. Darum giebt es Urwälder aber keine Urforſten, eine Forſtwiſſenſchaft, keine Waldwiſſenſchaft. Das uralte deutſche Wort trägt dieſe ſeine beſchränkende Bedeutung in dem Worte Förſter klar zur Schau, für welches die Sprache kein gleich- bedeutendes von Wald gebildetes hat.
Die Nutzung des Waldes macht ihn noch nicht zum Forſte und darum ſind leider noch viele unſerer Gemeindewaldungen keine Gemeinde- forſten. Die Aufgabe der Zeit aber iſt es, wenigſtens in Kulturſtaaten, alle Wälder Forſten werden zu laſſen. Wir alle ſind dabei betheiligt, und mehr noch als wir unſere Enkel.
Man darf es wohl ſagen, daß die fern von großen Waldungen in volkreichen Städten Wohnenden die forſtliche Bedeutung des Waldes nur oberflächlich, meiſt ſogar noch weniger, kennen und würdigen. Ihnen iſt der Wald eine von ſelbſt fließende Quelle, die ihnen um ſo unerſchöpf- licher zu ſein ſcheint, je weniger ſie das Baumleben kennen und je unbe- kannter ſie ſind mit den Ziffern der Statiſtik, einer Wiſſenſchaft, ſo meinen ſie, die ſie ja nichts angeht.
Wie wenig ahnt man, daß der Förſter mit dem Gärtner und Acker- bauer die gleiche Aufgabe hat: Pflanzen zu ſäen und zu erziehen, nur unter noch weit größeren Mühen und Widerwärtigkeiten und — das ver- geſſe man nicht — oft, ja meiſt ohne in der Reife ſeiner Saaten ſeinen Lohn zu erleben. Leider iſt ja Vielen der Förſter mehr bloß ein Holz- verwalter als ein Walderzieher.
Diejenigen meiner Leſer, welche ſich zu den Freunden, nicht zu den Pflegern des Waldes zählen, mögen nur jetzt nicht fürchten, es könne ihnen etwas verloren gehen von ihrer poetiſchen Waldliebe, wenn ſie ihren Freund als Forſt in das kalte Licht der Wiſſenſchaft geſtellt ſehen. Lieben wir denn einen Freund dann weniger, wenn wir hören, daß er nicht bloß durch ſeine Innigkeit und Tiefe des Gemüths, nicht bloß durch den leuch- tenden Blick ſeines ſchönen Auges und durch den Zauber ſeines Geſprächs
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iſt es uns bloß darum zu thun, den Wald als ein Beiſpiel des Geſellig-
keitstriebes im Pflanzenreiche uns vorzuhalten und nun weiter den Unter-
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Jeder Forſt iſt zugleich auch ein Wald, aber nicht jeder Wald, und
wäre er auch noch ſo groß, ein Forſt. Die geregelte Pflege und
Bewirthſchaftung macht den Wald zum Forſte. Darum giebt es
Urwälder aber keine Urforſten, eine Forſtwiſſenſchaft, keine Waldwiſſenſchaft.
Das uralte deutſche Wort trägt dieſe ſeine beſchränkende Bedeutung in
dem Worte Förſter klar zur Schau, für welches die Sprache kein gleich-
bedeutendes von Wald gebildetes hat.
Die Nutzung des Waldes macht ihn noch nicht zum Forſte und
darum ſind leider noch viele unſerer Gemeindewaldungen keine Gemeinde-
forſten. Die Aufgabe der Zeit aber iſt es, wenigſtens in Kulturſtaaten,
alle Wälder Forſten werden zu laſſen. Wir alle ſind dabei betheiligt,
und mehr noch als wir unſere Enkel.
Man darf es wohl ſagen, daß die fern von großen Waldungen in
volkreichen Städten Wohnenden die forſtliche Bedeutung des Waldes nur
oberflächlich, meiſt ſogar noch weniger, kennen und würdigen. Ihnen iſt
der Wald eine von ſelbſt fließende Quelle, die ihnen um ſo unerſchöpf-
licher zu ſein ſcheint, je weniger ſie das Baumleben kennen und je unbe-
kannter ſie ſind mit den Ziffern der Statiſtik, einer Wiſſenſchaft, ſo meinen
ſie, die ſie ja nichts angeht.
Wie wenig ahnt man, daß der Förſter mit dem Gärtner und Acker-
bauer die gleiche Aufgabe hat: Pflanzen zu ſäen und zu erziehen, nur
unter noch weit größeren Mühen und Widerwärtigkeiten und — das ver-
geſſe man nicht — oft, ja meiſt ohne in der Reife ſeiner Saaten ſeinen
Lohn zu erleben. Leider iſt ja Vielen der Förſter mehr bloß ein Holz-
verwalter als ein Walderzieher.
Diejenigen meiner Leſer, welche ſich zu den Freunden, nicht zu den
Pflegern des Waldes zählen, mögen nur jetzt nicht fürchten, es könne
ihnen etwas verloren gehen von ihrer poetiſchen Waldliebe, wenn ſie ihren
Freund als Forſt in das kalte Licht der Wiſſenſchaft geſtellt ſehen. Lieben
wir denn einen Freund dann weniger, wenn wir hören, daß er nicht bloß
durch ſeine Innigkeit und Tiefe des Gemüths, nicht bloß durch den leuch-
tenden Blick ſeines ſchönen Auges und durch den Zauber ſeines Geſprächs
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/28>, abgerufen am 22.12.2024.
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