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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Boden ein, welcher sich im späteren Alter und je nach der Beschaffenheit
des Bodens, kräftige Seitenwurzeln zugesellen. Dieses Tiefgehen der
Wurzeln verleidet daher auch den Kiefern felsige Standorte, wenn dieser
nicht wenigstens klüftig ist. In diesem Falle jedoch vermag es die Kiefer
mit weit ausgreifenden Wurzeln tief in die Felsenspalten einzudringen
und so gestellte Kiefern werden an Felsabhängen sehr häufig außerordent-
lich malerische Bäume, die freilich den Pyramidencharakter fast gänzlich
verlieren, ja im Gegentheil zuweilen den schirmförmigen Kronenwuchs
der Pinie (Pinus Pinea) vollständig annehmen.

Das Holz der Kiefer stimmt mit dem aller übrigen Nadelhölzer im
anatomischen Bau wesentlich überein. Dieser ist so einfach und regel-
mäßig und dabei in sehr wichtigen Punkten von dem aller übrigen Holz-
pflanzen so bedeutend verschieden, daß diese Verschiedenheit gerade hier
einen der interessantesten Punkte der Pflanzenanatomie, eine von den
scharf markirten Grenzlinien auf dem weiten Gebiete der Pflanzenschöpfung
bildet; weshalb es meinen Lesern und Leserinnen interessant sein wird,
hierüber etwas Ausführliches zu erfahren, nachdem wir auf Seite 162
den anatomischen Bau des Laubholzes kennen gelernt haben. Wir erinnern
uns der beiden Abbildungen XIII. a. b. auf Seite 104, durch welche wir
auch für das wenig oder unbewaffnete Auge die sehr auffallende Ver-
schiedenheit zwischen Nadel- und Laubholz kennen lernten. In beistehenden
Figuren sehen wir den Querschnitt (1.) den Spaltschnitt (2.) und den
Secantenschnitt (3.) des Kiefernholzes und zwar bei sehr starker
Vergrößerung eines sehr kleinen, kaum Stecknadelkopfs großen Stück-
chens Holz.

An Fig. 1. haben wir uns nach oben hin die Gegend der Rinde,
nach unten hin das Mark zu denken. Zwischen jj und zwischen j'j' liegt
ein Jahresring, der wie es in der Wirklichkeit nur an sehr feinjährigem
Holze selten vorkommt, nur aus fünf bis sechs Zellenschichten besteht.
Wir sehen, daß die Holzzellen auffallend, wenn auch nicht vollständig
regelmäßig in Reihen geordnet sind, welche am ganzen Stammquerschnitte
vom Marke nach der Rinde strahlig verlaufen und nicht minder stehen
sie ziemlich regelmäßig in kreisförmiger, mit der Rinde gleichlaufender
Anordnung. Von Innen (jj) nach Außen (j'j') werden die Zellen
immer kleiner, platter und dickwandiger. Bei m sehen wir einen Mark-

Boden ein, welcher ſich im ſpäteren Alter und je nach der Beſchaffenheit
des Bodens, kräftige Seitenwurzeln zugeſellen. Dieſes Tiefgehen der
Wurzeln verleidet daher auch den Kiefern felſige Standorte, wenn dieſer
nicht wenigſtens klüftig iſt. In dieſem Falle jedoch vermag es die Kiefer
mit weit ausgreifenden Wurzeln tief in die Felſenſpalten einzudringen
und ſo geſtellte Kiefern werden an Felsabhängen ſehr häufig außerordent-
lich maleriſche Bäume, die freilich den Pyramidencharakter faſt gänzlich
verlieren, ja im Gegentheil zuweilen den ſchirmförmigen Kronenwuchs
der Pinie (Pinus Pinea) vollſtändig annehmen.

Das Holz der Kiefer ſtimmt mit dem aller übrigen Nadelhölzer im
anatomiſchen Bau weſentlich überein. Dieſer iſt ſo einfach und regel-
mäßig und dabei in ſehr wichtigen Punkten von dem aller übrigen Holz-
pflanzen ſo bedeutend verſchieden, daß dieſe Verſchiedenheit gerade hier
einen der intereſſanteſten Punkte der Pflanzenanatomie, eine von den
ſcharf markirten Grenzlinien auf dem weiten Gebiete der Pflanzenſchöpfung
bildet; weshalb es meinen Leſern und Leſerinnen intereſſant ſein wird,
hierüber etwas Ausführliches zu erfahren, nachdem wir auf Seite 162
den anatomiſchen Bau des Laubholzes kennen gelernt haben. Wir erinnern
uns der beiden Abbildungen XIII. a. b. auf Seite 104, durch welche wir
auch für das wenig oder unbewaffnete Auge die ſehr auffallende Ver-
ſchiedenheit zwiſchen Nadel- und Laubholz kennen lernten. In beiſtehenden
Figuren ſehen wir den Querſchnitt (1.) den Spaltſchnitt (2.) und den
Secantenſchnitt (3.) des Kiefernholzes und zwar bei ſehr ſtarker
Vergrößerung eines ſehr kleinen, kaum Stecknadelkopfs großen Stück-
chens Holz.

An Fig. 1. haben wir uns nach oben hin die Gegend der Rinde,
nach unten hin das Mark zu denken. Zwiſchen jj und zwiſchen j′j′ liegt
ein Jahresring, der wie es in der Wirklichkeit nur an ſehr feinjährigem
Holze ſelten vorkommt, nur aus fünf bis ſechs Zellenſchichten beſteht.
Wir ſehen, daß die Holzzellen auffallend, wenn auch nicht vollſtändig
regelmäßig in Reihen geordnet ſind, welche am ganzen Stammquerſchnitte
vom Marke nach der Rinde ſtrahlig verlaufen und nicht minder ſtehen
ſie ziemlich regelmäßig in kreisförmiger, mit der Rinde gleichlaufender
Anordnung. Von Innen (jj) nach Außen (j′j′) werden die Zellen
immer kleiner, platter und dickwandiger. Bei m ſehen wir einen Mark-

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[263/0289] Boden ein, welcher ſich im ſpäteren Alter und je nach der Beſchaffenheit des Bodens, kräftige Seitenwurzeln zugeſellen. Dieſes Tiefgehen der Wurzeln verleidet daher auch den Kiefern felſige Standorte, wenn dieſer nicht wenigſtens klüftig iſt. In dieſem Falle jedoch vermag es die Kiefer mit weit ausgreifenden Wurzeln tief in die Felſenſpalten einzudringen und ſo geſtellte Kiefern werden an Felsabhängen ſehr häufig außerordent- lich maleriſche Bäume, die freilich den Pyramidencharakter faſt gänzlich verlieren, ja im Gegentheil zuweilen den ſchirmförmigen Kronenwuchs der Pinie (Pinus Pinea) vollſtändig annehmen. Das Holz der Kiefer ſtimmt mit dem aller übrigen Nadelhölzer im anatomiſchen Bau weſentlich überein. Dieſer iſt ſo einfach und regel- mäßig und dabei in ſehr wichtigen Punkten von dem aller übrigen Holz- pflanzen ſo bedeutend verſchieden, daß dieſe Verſchiedenheit gerade hier einen der intereſſanteſten Punkte der Pflanzenanatomie, eine von den ſcharf markirten Grenzlinien auf dem weiten Gebiete der Pflanzenſchöpfung bildet; weshalb es meinen Leſern und Leſerinnen intereſſant ſein wird, hierüber etwas Ausführliches zu erfahren, nachdem wir auf Seite 162 den anatomiſchen Bau des Laubholzes kennen gelernt haben. Wir erinnern uns der beiden Abbildungen XIII. a. b. auf Seite 104, durch welche wir auch für das wenig oder unbewaffnete Auge die ſehr auffallende Ver- ſchiedenheit zwiſchen Nadel- und Laubholz kennen lernten. In beiſtehenden Figuren ſehen wir den Querſchnitt (1.) den Spaltſchnitt (2.) und den Secantenſchnitt (3.) des Kiefernholzes und zwar bei ſehr ſtarker Vergrößerung eines ſehr kleinen, kaum Stecknadelkopfs großen Stück- chens Holz. An Fig. 1. haben wir uns nach oben hin die Gegend der Rinde, nach unten hin das Mark zu denken. Zwiſchen jj und zwiſchen j′j′ liegt ein Jahresring, der wie es in der Wirklichkeit nur an ſehr feinjährigem Holze ſelten vorkommt, nur aus fünf bis ſechs Zellenſchichten beſteht. Wir ſehen, daß die Holzzellen auffallend, wenn auch nicht vollſtändig regelmäßig in Reihen geordnet ſind, welche am ganzen Stammquerſchnitte vom Marke nach der Rinde ſtrahlig verlaufen und nicht minder ſtehen ſie ziemlich regelmäßig in kreisförmiger, mit der Rinde gleichlaufender Anordnung. Von Innen (jj) nach Außen (j′j′) werden die Zellen immer kleiner, platter und dickwandiger. Bei m ſehen wir einen Mark-

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/289>, abgerufen am 15.06.2024.