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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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einen Massengehalt von 1000--2000 Fuß, die Buchen auch 120 bis
150 Fuß Länge, 3--5 Schuh untere Stärke und 300--1000 Fuß Holz-
masse, und lassen somit all das weit hinter sich, was wir in unsern
modernen Holzbeständen zu sehen gewohnt sind. An diesen Baumkolossen
schätzen sich die geübtesten Massenschätzer des Flachlandes zu Schanden.

Die Majestät dieses gewaltigen Hochholzes ist aber eine schauerliche,
denn inmitten der Stämme höchster Lebenskraft stehen allenthalben die
abgestorbenen Zeugen früherer Jahrhunderte umher, mit gebrochenen
Aesten und Gipfeln, die rindenlosen Schafte geisterbleich und vielfach
durchlöchert von den Insekten suchenden Spechten, öfter auch in lang-
gestreckte Splitter endende Strünke vom Sturm gebrochener Fichten.

Das Riesenhafte dieser Vegetation rührt nicht blos daher, daß die
Stämme bis zu ihrem natürlichen Aussterben, also über das gewöhnliche
Haubarkeitsalter hinaus fortwachsen und ihre Masse mehren können, son-
dern ganz besonders auch vom Vorhandensein aller Umstände, welche eben
das Lebensalter der Bäume auf die äußerste Grenze hinauszurücken ge-
eignet sind. Das rauhere Klima, die mehr gleichmäßig feuchte Atmosphäre,
der äußerst humose Boden, der eigenthümliche gewissermaaßen nie unter-
brochene Waldesschluß, welcher das Wachsthum der Stämme in der
Jugend zurückhält, und ihren Fuß beständig schützt, das alles zusammen-
genommen fördert so absonderlich die Lebensdauer, daß diese Baumriesen,
wenn sie nicht etwa früher von Sturm zerrissen werden, meist ein Alter
von 300--400, öfter sogar von 600 Jahren erreichen.

Tausende von kolossalen Schäften, wie sie Alter und Orkane nach
und nach übereinander geworfen haben, bedecken kreuz und quer -- oft
als wirrer Verhau -- den graslosen Boden. Hier ein frischer eben vom
Sturme in der Fülle seiner Kraft zerrissener Stamm, mit seiner ganzen
markigen tiefgrünen Benadlung; daneben der rindenlose bleiche Schaft
eines heimgegangenen in sich zusammengebrochenen Altvaters astlos mit
geknicktem Gipfel; wieder daneben und darunter die Ueberreste früherer
Generationen, dicht mit grünem Moosfilze mannigfacher Schattirung über-
zogen, in allen Stadien der Verwesung.

Wo Stämme über den einzigen Pfad geworfen wurden, welcher sich
durch diese Wildniß windet, hat man Stufen in die Schäfte gehauen,
auf daß man sie überschreiten könne, denn es hätte eines ungeheuern

einen Maſſengehalt von 1000—2000 Fuß, die Buchen auch 120 bis
150 Fuß Länge, 3—5 Schuh untere Stärke und 300—1000 Fuß Holz-
maſſe, und laſſen ſomit all das weit hinter ſich, was wir in unſern
modernen Holzbeſtänden zu ſehen gewohnt ſind. An dieſen Baumkoloſſen
ſchätzen ſich die geübteſten Maſſenſchätzer des Flachlandes zu Schanden.

Die Majeſtät dieſes gewaltigen Hochholzes iſt aber eine ſchauerliche,
denn inmitten der Stämme höchſter Lebenskraft ſtehen allenthalben die
abgeſtorbenen Zeugen früherer Jahrhunderte umher, mit gebrochenen
Aeſten und Gipfeln, die rindenloſen Schafte geiſterbleich und vielfach
durchlöchert von den Inſekten ſuchenden Spechten, öfter auch in lang-
geſtreckte Splitter endende Strünke vom Sturm gebrochener Fichten.

Das Rieſenhafte dieſer Vegetation rührt nicht blos daher, daß die
Stämme bis zu ihrem natürlichen Ausſterben, alſo über das gewöhnliche
Haubarkeitsalter hinaus fortwachſen und ihre Maſſe mehren können, ſon-
dern ganz beſonders auch vom Vorhandenſein aller Umſtände, welche eben
das Lebensalter der Bäume auf die äußerſte Grenze hinauszurücken ge-
eignet ſind. Das rauhere Klima, die mehr gleichmäßig feuchte Atmoſphäre,
der äußerſt humoſe Boden, der eigenthümliche gewiſſermaaßen nie unter-
brochene Waldesſchluß, welcher das Wachsthum der Stämme in der
Jugend zurückhält, und ihren Fuß beſtändig ſchützt, das alles zuſammen-
genommen fördert ſo abſonderlich die Lebensdauer, daß dieſe Baumrieſen,
wenn ſie nicht etwa früher von Sturm zerriſſen werden, meiſt ein Alter
von 300—400, öfter ſogar von 600 Jahren erreichen.

Tauſende von koloſſalen Schäften, wie ſie Alter und Orkane nach
und nach übereinander geworfen haben, bedecken kreuz und quer — oft
als wirrer Verhau — den grasloſen Boden. Hier ein friſcher eben vom
Sturme in der Fülle ſeiner Kraft zerriſſener Stamm, mit ſeiner ganzen
markigen tiefgrünen Benadlung; daneben der rindenloſe bleiche Schaft
eines heimgegangenen in ſich zuſammengebrochenen Altvaters aſtlos mit
geknicktem Gipfel; wieder daneben und darunter die Ueberreſte früherer
Generationen, dicht mit grünem Moosfilze mannigfacher Schattirung über-
zogen, in allen Stadien der Verweſung.

Wo Stämme über den einzigen Pfad geworfen wurden, welcher ſich
durch dieſe Wildniß windet, hat man Stufen in die Schäfte gehauen,
auf daß man ſie überſchreiten könne, denn es hätte eines ungeheuern

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[206/0230] einen Maſſengehalt von 1000—2000 Fuß, die Buchen auch 120 bis 150 Fuß Länge, 3—5 Schuh untere Stärke und 300—1000 Fuß Holz- maſſe, und laſſen ſomit all das weit hinter ſich, was wir in unſern modernen Holzbeſtänden zu ſehen gewohnt ſind. An dieſen Baumkoloſſen ſchätzen ſich die geübteſten Maſſenſchätzer des Flachlandes zu Schanden. Die Majeſtät dieſes gewaltigen Hochholzes iſt aber eine ſchauerliche, denn inmitten der Stämme höchſter Lebenskraft ſtehen allenthalben die abgeſtorbenen Zeugen früherer Jahrhunderte umher, mit gebrochenen Aeſten und Gipfeln, die rindenloſen Schafte geiſterbleich und vielfach durchlöchert von den Inſekten ſuchenden Spechten, öfter auch in lang- geſtreckte Splitter endende Strünke vom Sturm gebrochener Fichten. Das Rieſenhafte dieſer Vegetation rührt nicht blos daher, daß die Stämme bis zu ihrem natürlichen Ausſterben, alſo über das gewöhnliche Haubarkeitsalter hinaus fortwachſen und ihre Maſſe mehren können, ſon- dern ganz beſonders auch vom Vorhandenſein aller Umſtände, welche eben das Lebensalter der Bäume auf die äußerſte Grenze hinauszurücken ge- eignet ſind. Das rauhere Klima, die mehr gleichmäßig feuchte Atmoſphäre, der äußerſt humoſe Boden, der eigenthümliche gewiſſermaaßen nie unter- brochene Waldesſchluß, welcher das Wachsthum der Stämme in der Jugend zurückhält, und ihren Fuß beſtändig ſchützt, das alles zuſammen- genommen fördert ſo abſonderlich die Lebensdauer, daß dieſe Baumrieſen, wenn ſie nicht etwa früher von Sturm zerriſſen werden, meiſt ein Alter von 300—400, öfter ſogar von 600 Jahren erreichen. Tauſende von koloſſalen Schäften, wie ſie Alter und Orkane nach und nach übereinander geworfen haben, bedecken kreuz und quer — oft als wirrer Verhau — den grasloſen Boden. Hier ein friſcher eben vom Sturme in der Fülle ſeiner Kraft zerriſſener Stamm, mit ſeiner ganzen markigen tiefgrünen Benadlung; daneben der rindenloſe bleiche Schaft eines heimgegangenen in ſich zuſammengebrochenen Altvaters aſtlos mit geknicktem Gipfel; wieder daneben und darunter die Ueberreſte früherer Generationen, dicht mit grünem Moosfilze mannigfacher Schattirung über- zogen, in allen Stadien der Verweſung. Wo Stämme über den einzigen Pfad geworfen wurden, welcher ſich durch dieſe Wildniß windet, hat man Stufen in die Schäfte gehauen, auf daß man ſie überſchreiten könne, denn es hätte eines ungeheuern

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/230>, abgerufen am 22.12.2024.