organe nennen, wobei wir uns jedoch hüten müssen, die Blätter ihrer Geltung nach den Verdauungsorganen des Thieres gleich zu stellen.
Man hat die Blätter auch Athmungsorgane genannt, weil sie durch Vermittlung der Spaltöffnungen (S. 127) gasförmige Stoffe aus- und wahrscheinlich auch eintreten lassen.
Dieses Athmen der Blätter steht aber mit der Zubereitung des ihnen zuströmenden rohen Nahrungssaftes in unmittelbarem Zusammenhange, indem von diesen der überschüssige Theil an Wasser in Gasform und außerdem namentlich Sauerstoff ausgehaucht wird.
Obgleich wir es bisher schon mit Zellenbildung zu thun hatten, so sei doch hier erst über dieselbe Einiges gesagt, weil mit der Entfaltung der Knospen die Massenzunahme des Baumes am entschiedensten beginnt und ein Baum um so stärkere Jahresringe ansetzt, je vollständiger er be- laubt ist.
Es ist schwer das Verhältniß der Zeit genau anzugeben, in welchem die Blätterentfaltung zu dem Beginn der neuen Holzlage unter der Rinde steht, obgleich so viel wohl fest steht, daß letztere ohne die Blätter, die den Stoff dazu vorbereiten, nicht möglich ist.
Der in den Blättern geläuterte und gestaltungsfähig gewordene Bildungssaft steigt nun im Baume abwärts. Sowohl diese auffallende rückgängige Bewegung an sich ist lange Zeit ein Gegenstand der Unge- wißheit und des Meinungswiderstreites gewesen als auch der Ort, das Gewebe, in dem dieser Strom stattfindet.
Was den ersten Punkt betrifft, so ist es zwar schon früher von der Mehrheit angenommen aber erst in neuester Zeit durch Hausteins mit größter Umsicht angestellte Experimente unumstößlich nachgewiesen worden, daß der Bildungssaft wirklich abwärts strömt, mithin der Zuwachs von oben nach unten fortschreitet. Um uns dies klar zu machen, müssen wir vorher den andern Punkt feststellen.
Wenn auf Seite 15 gesagt wurde, daß der Bildungssaft zwischen Rinde und Holz abwärts strömt, so ist dies nicht so zu verstehen, als dränge er dabei diese beiden auseinander und ströme nun frei in der da- durch gebildeten Kluft, sondern es ist dabei vorläufig auf die allgemein bekannte Erscheinung, vielleicht zu sehr, Rücksicht genommen worden, daß man im Frühjahr eine geschälte Weidenruthe von einer Flüssigkeit benetzt
organe nennen, wobei wir uns jedoch hüten müſſen, die Blätter ihrer Geltung nach den Verdauungsorganen des Thieres gleich zu ſtellen.
Man hat die Blätter auch Athmungsorgane genannt, weil ſie durch Vermittlung der Spaltöffnungen (S. 127) gasförmige Stoffe aus- und wahrſcheinlich auch eintreten laſſen.
Dieſes Athmen der Blätter ſteht aber mit der Zubereitung des ihnen zuſtrömenden rohen Nahrungsſaftes in unmittelbarem Zuſammenhange, indem von dieſen der überſchüſſige Theil an Waſſer in Gasform und außerdem namentlich Sauerſtoff ausgehaucht wird.
Obgleich wir es bisher ſchon mit Zellenbildung zu thun hatten, ſo ſei doch hier erſt über dieſelbe Einiges geſagt, weil mit der Entfaltung der Knospen die Maſſenzunahme des Baumes am entſchiedenſten beginnt und ein Baum um ſo ſtärkere Jahresringe anſetzt, je vollſtändiger er be- laubt iſt.
Es iſt ſchwer das Verhältniß der Zeit genau anzugeben, in welchem die Blätterentfaltung zu dem Beginn der neuen Holzlage unter der Rinde ſteht, obgleich ſo viel wohl feſt ſteht, daß letztere ohne die Blätter, die den Stoff dazu vorbereiten, nicht möglich iſt.
Der in den Blättern geläuterte und geſtaltungsfähig gewordene Bildungsſaft ſteigt nun im Baume abwärts. Sowohl dieſe auffallende rückgängige Bewegung an ſich iſt lange Zeit ein Gegenſtand der Unge- wißheit und des Meinungswiderſtreites geweſen als auch der Ort, das Gewebe, in dem dieſer Strom ſtattfindet.
Was den erſten Punkt betrifft, ſo iſt es zwar ſchon früher von der Mehrheit angenommen aber erſt in neueſter Zeit durch Hauſteins mit größter Umſicht angeſtellte Experimente unumſtößlich nachgewieſen worden, daß der Bildungsſaft wirklich abwärts ſtrömt, mithin der Zuwachs von oben nach unten fortſchreitet. Um uns dies klar zu machen, müſſen wir vorher den andern Punkt feſtſtellen.
Wenn auf Seite 15 geſagt wurde, daß der Bildungsſaft zwiſchen Rinde und Holz abwärts ſtrömt, ſo iſt dies nicht ſo zu verſtehen, als dränge er dabei dieſe beiden auseinander und ſtröme nun frei in der da- durch gebildeten Kluft, ſondern es iſt dabei vorläufig auf die allgemein bekannte Erſcheinung, vielleicht zu ſehr, Rückſicht genommen worden, daß man im Frühjahr eine geſchälte Weidenruthe von einer Flüſſigkeit benetzt
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organe nennen, wobei wir uns jedoch hüten müſſen, die Blätter ihrer
Geltung nach den Verdauungsorganen des Thieres gleich zu ſtellen.
Man hat die Blätter auch Athmungsorgane genannt, weil ſie durch
Vermittlung der Spaltöffnungen (S. 127) gasförmige Stoffe aus- und
wahrſcheinlich auch eintreten laſſen.
Dieſes Athmen der Blätter ſteht aber mit der Zubereitung des ihnen
zuſtrömenden rohen Nahrungsſaftes in unmittelbarem Zuſammenhange,
indem von dieſen der überſchüſſige Theil an Waſſer in Gasform und
außerdem namentlich Sauerſtoff ausgehaucht wird.
Obgleich wir es bisher ſchon mit Zellenbildung zu thun hatten,
ſo ſei doch hier erſt über dieſelbe Einiges geſagt, weil mit der Entfaltung
der Knospen die Maſſenzunahme des Baumes am entſchiedenſten beginnt
und ein Baum um ſo ſtärkere Jahresringe anſetzt, je vollſtändiger er be-
laubt iſt.
Es iſt ſchwer das Verhältniß der Zeit genau anzugeben, in welchem
die Blätterentfaltung zu dem Beginn der neuen Holzlage unter der Rinde
ſteht, obgleich ſo viel wohl feſt ſteht, daß letztere ohne die Blätter, die
den Stoff dazu vorbereiten, nicht möglich iſt.
Der in den Blättern geläuterte und geſtaltungsfähig gewordene
Bildungsſaft ſteigt nun im Baume abwärts. Sowohl dieſe auffallende
rückgängige Bewegung an ſich iſt lange Zeit ein Gegenſtand der Unge-
wißheit und des Meinungswiderſtreites geweſen als auch der Ort, das
Gewebe, in dem dieſer Strom ſtattfindet.
Was den erſten Punkt betrifft, ſo iſt es zwar ſchon früher von der
Mehrheit angenommen aber erſt in neueſter Zeit durch Hauſteins mit
größter Umſicht angeſtellte Experimente unumſtößlich nachgewieſen worden,
daß der Bildungsſaft wirklich abwärts ſtrömt, mithin der Zuwachs von
oben nach unten fortſchreitet. Um uns dies klar zu machen, müſſen wir
vorher den andern Punkt feſtſtellen.
Wenn auf Seite 15 geſagt wurde, daß der Bildungsſaft zwiſchen
Rinde und Holz abwärts ſtrömt, ſo iſt dies nicht ſo zu verſtehen, als
dränge er dabei dieſe beiden auseinander und ſtröme nun frei in der da-
durch gebildeten Kluft, ſondern es iſt dabei vorläufig auf die allgemein
bekannte Erſcheinung, vielleicht zu ſehr, Rückſicht genommen worden, daß
man im Frühjahr eine geſchälte Weidenruthe von einer Flüſſigkeit benetzt
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/194>, abgerufen am 22.12.2024.
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