daher auf einem Stammquerschnitt sehr oft Jahrringe von der verschie- densten Breite neben einander vorkommen. Oft aber sehen wir an einem Querschnitte alle Jahrringe an einer Seite des Stammes viel breiter als an der entgegengesetzten und daher den Querschnitt mehr eirund als kreis- rund, und das Mark weit aus dem wahren Mittelpunkte des Stammes gerückt. Dies deutet auf eine ungleichmäßige Ernährung des Stammes. Stand ein Baum am Rande eines Bestandes und konnte er vielleicht als Randbaum einige recht kräftige Wurzeln in den lockern fruchtbaren Boden einer anstoßenden Wiese hinaustreiben, und dabei seine Aeste an dieser Seite frei in die Luft hinaus entfalten; oder stand ein Baum dicht an einem steilen Felsen, in den er keine Wurzeln hineintreiben und gegen den hin er auch keine Aeste ausbilden konnte, so wird in beiden Fällen der Stamm excentrisch wachsen, d. h. es werden bei dem einen auf der nach der Wiese hin und bei dem andern auf der vom Felsen ab liegenden Seite die Jahresringe stärker sein als auf der entgegengesetzten, weil beide hier die stärkeren Wurzeln und Aeste hatten.
Dies Verhalten sehen wir an Fig. X. 1. dargestellt (einem mitten durchgespaltenen Baume), wo a eine kümmerliche dünne, etwa in einen Felsspalt eingetriebene Wurzel darstellt und zugleich der Baum nach der- selben Seite nur wenig Aeste hatte. Darum sehen wir das Mark sehr außer der Mitte des Stammes und dessen Jahreslagen in gleichem Sinne nach rechts dünner als nach links.
Dieses höchst ungleichmäßige Verhalten der Jahresringe zeigt sich namentlich an den dicken Aesten des Stammes und des Wurzelstockes. Erstere zeigen sich an ihrem Ursprunge oft seitlich dreit gedrückt und dann liegt das Mark weit außer dem wahren Mittelpunkte nach oben hin (Fig. X. 3.).
Stand aber ein Baum -- was namentlich von der oft in dichtestem Schlusse stehenden Fichte gilt -- von allen Seiten von anderen Bäumen dicht umstanden, so daß auch seine Wurzeln und Aeste ringsum die ganz gleichen Entwicklungsbedingungen und das gleiche Maaß von Ernährung fanden, so sind auch die Jahresringe ringsum von ganz gleicher Dicke und solche Stämme haben dann oft einen wie mit dem Zirkel gezogenen Querschnitt und ihr Mark liegt vollkommen im Mittelpunkte.
Zuweilen stehen auch, und hier wieder vorzugsweise Fichten, zwei alte Bäume ganz dicht beisammen, so daß in der unteren Partie
daher auf einem Stammquerſchnitt ſehr oft Jahrringe von der verſchie- denſten Breite neben einander vorkommen. Oft aber ſehen wir an einem Querſchnitte alle Jahrringe an einer Seite des Stammes viel breiter als an der entgegengeſetzten und daher den Querſchnitt mehr eirund als kreis- rund, und das Mark weit aus dem wahren Mittelpunkte des Stammes gerückt. Dies deutet auf eine ungleichmäßige Ernährung des Stammes. Stand ein Baum am Rande eines Beſtandes und konnte er vielleicht als Randbaum einige recht kräftige Wurzeln in den lockern fruchtbaren Boden einer anſtoßenden Wieſe hinaustreiben, und dabei ſeine Aeſte an dieſer Seite frei in die Luft hinaus entfalten; oder ſtand ein Baum dicht an einem ſteilen Felſen, in den er keine Wurzeln hineintreiben und gegen den hin er auch keine Aeſte ausbilden konnte, ſo wird in beiden Fällen der Stamm excentriſch wachſen, d. h. es werden bei dem einen auf der nach der Wieſe hin und bei dem andern auf der vom Felſen ab liegenden Seite die Jahresringe ſtärker ſein als auf der entgegengeſetzten, weil beide hier die ſtärkeren Wurzeln und Aeſte hatten.
Dies Verhalten ſehen wir an Fig. X. 1. dargeſtellt (einem mitten durchgeſpaltenen Baume), wo a eine kümmerliche dünne, etwa in einen Felsſpalt eingetriebene Wurzel darſtellt und zugleich der Baum nach der- ſelben Seite nur wenig Aeſte hatte. Darum ſehen wir das Mark ſehr außer der Mitte des Stammes und deſſen Jahreslagen in gleichem Sinne nach rechts dünner als nach links.
Dieſes höchſt ungleichmäßige Verhalten der Jahresringe zeigt ſich namentlich an den dicken Aeſten des Stammes und des Wurzelſtockes. Erſtere zeigen ſich an ihrem Urſprunge oft ſeitlich dreit gedrückt und dann liegt das Mark weit außer dem wahren Mittelpunkte nach oben hin (Fig. X. 3.).
Stand aber ein Baum — was namentlich von der oft in dichteſtem Schluſſe ſtehenden Fichte gilt — von allen Seiten von anderen Bäumen dicht umſtanden, ſo daß auch ſeine Wurzeln und Aeſte ringsum die ganz gleichen Entwicklungsbedingungen und das gleiche Maaß von Ernährung fanden, ſo ſind auch die Jahresringe ringsum von ganz gleicher Dicke und ſolche Stämme haben dann oft einen wie mit dem Zirkel gezogenen Querſchnitt und ihr Mark liegt vollkommen im Mittelpunkte.
Zuweilen ſtehen auch, und hier wieder vorzugsweiſe Fichten, zwei alte Bäume ganz dicht beiſammen, ſo daß in der unteren Partie
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daher auf einem Stammquerſchnitt ſehr oft Jahrringe von der verſchie-
denſten Breite neben einander vorkommen. Oft aber ſehen wir an einem
Querſchnitte alle Jahrringe an einer Seite des Stammes viel breiter als
an der entgegengeſetzten und daher den Querſchnitt mehr eirund als kreis-
rund, und das Mark weit aus dem wahren Mittelpunkte des Stammes
gerückt. Dies deutet auf eine ungleichmäßige Ernährung des Stammes.
Stand ein Baum am Rande eines Beſtandes und konnte er vielleicht als
Randbaum einige recht kräftige Wurzeln in den lockern fruchtbaren Boden
einer anſtoßenden Wieſe hinaustreiben, und dabei ſeine Aeſte an dieſer
Seite frei in die Luft hinaus entfalten; oder ſtand ein Baum dicht an
einem ſteilen Felſen, in den er keine Wurzeln hineintreiben und gegen
den hin er auch keine Aeſte ausbilden konnte, ſo wird in beiden Fällen
der Stamm excentriſch wachſen, d. h. es werden bei dem einen auf der
nach der Wieſe hin und bei dem andern auf der vom Felſen ab liegenden
Seite die Jahresringe ſtärker ſein als auf der entgegengeſetzten, weil beide
hier die ſtärkeren Wurzeln und Aeſte hatten.
Dies Verhalten ſehen wir an Fig. X. 1. dargeſtellt (einem mitten
durchgeſpaltenen Baume), wo a eine kümmerliche dünne, etwa in einen
Felsſpalt eingetriebene Wurzel darſtellt und zugleich der Baum nach der-
ſelben Seite nur wenig Aeſte hatte. Darum ſehen wir das Mark ſehr außer
der Mitte des Stammes und deſſen Jahreslagen in gleichem Sinne nach
rechts dünner als nach links.
Dieſes höchſt ungleichmäßige Verhalten der Jahresringe zeigt ſich
namentlich an den dicken Aeſten des Stammes und des Wurzelſtockes.
Erſtere zeigen ſich an ihrem Urſprunge oft ſeitlich dreit gedrückt und dann
liegt das Mark weit außer dem wahren Mittelpunkte nach oben hin (Fig. X. 3.).
Stand aber ein Baum — was namentlich von der oft in dichteſtem
Schluſſe ſtehenden Fichte gilt — von allen Seiten von anderen Bäumen
dicht umſtanden, ſo daß auch ſeine Wurzeln und Aeſte ringsum die ganz
gleichen Entwicklungsbedingungen und das gleiche Maaß von Ernährung
fanden, ſo ſind auch die Jahresringe ringsum von ganz gleicher Dicke
und ſolche Stämme haben dann oft einen wie mit dem Zirkel gezogenen
Querſchnitt und ihr Mark liegt vollkommen im Mittelpunkte.
Zuweilen ſtehen auch, und hier wieder vorzugsweiſe Fichten,
zwei alte Bäume ganz dicht beiſammen, ſo daß in der unteren Partie
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/115>, abgerufen am 22.12.2024.
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