Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Vierte Betr. Die Wege Gottes

Aber der Weiseste gehet auch außerdem oft
noch ganz besondere Wege, den Sünder zum Nach-
denken zu bringen. Er nimmt ihm die Stützen,
worauf er sich verlies, oder sucht ihn mit Züchti-
gungen heim, wobey seine Hand ganz deutlich er-
kannt wird. Die Liebe der besten Freunde verwan-
delt sich in Haß. Durch ganz besondere Umstän-
de und Veranlaßungen, kommt der Reiche in Ab-
nahme. Ein einziger, unvorhergesehener Unglücks-
fall, der durch alle menschliche Klugheit nicht konn-
te abgewendet werden, zerstört auf einmahl den
Bau des Glücks, worauf man stolz war. Der
seine Jugendiahre im Dienste der Sünden zuge-
bracht, wird im ehelichen Leben durch mancherley
Hauskreutz mit den Seinigen gedemüthiget. Der-
gleichen bedenkliche Unglücksfälle, fehlgeschlagene
Hofnungen, und andere Umstände können zuweilen
eine gewaltige Veränderung in dem Gemüthe eines
Menschen hervorbringen, ihm die Lust der Sünde
vereckeln, und ihn ermuntern, zur Religion seine
Zuflucht zu nehmen. Und wie manchem war das
ein erwünschter Anfang zu seiner Gemüthsbeße-
rung, wenn er in einer harten Krankheit vor die
Pforten der Ewigkeit gestellt wurde?

Hierbey äußern sich die göttlichen Führungen
nicht selten auch darinnen, daß Gott den Sünder
etwa in solche Verbindungen setzt, da ihm die
Wahrheiten der Religion, die sich recht eigentlich
für seinen Zustand schicken, näher als iemahls an
das Herz gelegt werden. Dieß geschiehet zwar am
häufigsten durch den öffentlichen Vortrag, oder
auch durch besondern Zuspruch der Lehrer des Chri-

sten-
Vierte Betr. Die Wege Gottes

Aber der Weiſeſte gehet auch außerdem oft
noch ganz beſondere Wege, den Sünder zum Nach-
denken zu bringen. Er nimmt ihm die Stützen,
worauf er ſich verlies, oder ſucht ihn mit Züchti-
gungen heim, wobey ſeine Hand ganz deutlich er-
kannt wird. Die Liebe der beſten Freunde verwan-
delt ſich in Haß. Durch ganz beſondere Umſtän-
de und Veranlaßungen, kommt der Reiche in Ab-
nahme. Ein einziger, unvorhergeſehener Unglücks-
fall, der durch alle menſchliche Klugheit nicht konn-
te abgewendet werden, zerſtört auf einmahl den
Bau des Glücks, worauf man ſtolz war. Der
ſeine Jugendiahre im Dienſte der Sünden zuge-
bracht, wird im ehelichen Leben durch mancherley
Hauskreutz mit den Seinigen gedemüthiget. Der-
gleichen bedenkliche Unglücksfälle, fehlgeſchlagene
Hofnungen, und andere Umſtände können zuweilen
eine gewaltige Veränderung in dem Gemüthe eines
Menſchen hervorbringen, ihm die Luſt der Sünde
vereckeln, und ihn ermuntern, zur Religion ſeine
Zuflucht zu nehmen. Und wie manchem war das
ein erwünſchter Anfang zu ſeiner Gemüthsbeße-
rung, wenn er in einer harten Krankheit vor die
Pforten der Ewigkeit geſtellt wurde?

Hierbey äußern ſich die göttlichen Führungen
nicht ſelten auch darinnen, daß Gott den Sünder
etwa in ſolche Verbindungen ſetzt, da ihm die
Wahrheiten der Religion, die ſich recht eigentlich
für ſeinen Zuſtand ſchicken, näher als iemahls an
das Herz gelegt werden. Dieß geſchiehet zwar am
häufigſten durch den öffentlichen Vortrag, oder
auch durch beſondern Zuſpruch der Lehrer des Chri-

ſten-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0056" n="44"/>
        <fw place="top" type="header">Vierte Betr. Die Wege Gottes</fw><lb/>
        <p>Aber der Wei&#x017F;e&#x017F;te gehet auch außerdem oft<lb/>
noch ganz be&#x017F;ondere Wege, den Sünder zum Nach-<lb/>
denken zu bringen. Er nimmt ihm die Stützen,<lb/>
worauf er &#x017F;ich verlies, oder &#x017F;ucht ihn mit Züchti-<lb/>
gungen heim, wobey &#x017F;eine Hand ganz deutlich er-<lb/>
kannt wird. Die Liebe der be&#x017F;ten Freunde verwan-<lb/>
delt &#x017F;ich in Haß. Durch ganz be&#x017F;ondere Um&#x017F;tän-<lb/>
de und Veranlaßungen, kommt der Reiche in Ab-<lb/>
nahme. Ein einziger, unvorherge&#x017F;ehener Unglücks-<lb/>
fall, der durch alle men&#x017F;chliche Klugheit nicht konn-<lb/>
te abgewendet werden, zer&#x017F;tört auf einmahl den<lb/>
Bau des Glücks, worauf man &#x017F;tolz war. Der<lb/>
&#x017F;eine Jugendiahre im Dien&#x017F;te der Sünden zuge-<lb/>
bracht, wird im ehelichen Leben durch mancherley<lb/>
Hauskreutz mit den Seinigen gedemüthiget. Der-<lb/>
gleichen bedenkliche Unglücksfälle, fehlge&#x017F;chlagene<lb/>
Hofnungen, und andere Um&#x017F;tände können zuweilen<lb/>
eine gewaltige Veränderung in dem Gemüthe eines<lb/>
Men&#x017F;chen hervorbringen, ihm die Lu&#x017F;t der Sünde<lb/>
vereckeln, und ihn ermuntern, zur Religion &#x017F;eine<lb/>
Zuflucht zu nehmen. Und wie manchem war das<lb/>
ein erwün&#x017F;chter Anfang zu &#x017F;einer Gemüthsbeße-<lb/>
rung, wenn er in einer harten Krankheit vor die<lb/>
Pforten der Ewigkeit ge&#x017F;tellt wurde?</p><lb/>
        <p>Hierbey äußern &#x017F;ich die göttlichen Führungen<lb/>
nicht &#x017F;elten auch darinnen, daß Gott den Sünder<lb/>
etwa in &#x017F;olche Verbindungen &#x017F;etzt, da ihm die<lb/>
Wahrheiten der Religion, die &#x017F;ich recht eigentlich<lb/>
für &#x017F;einen Zu&#x017F;tand &#x017F;chicken, näher als iemahls an<lb/>
das Herz gelegt werden. Dieß ge&#x017F;chiehet zwar am<lb/>
häufig&#x017F;ten durch den öffentlichen Vortrag, oder<lb/>
auch durch be&#x017F;ondern Zu&#x017F;pruch der Lehrer des Chri-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ten-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0056] Vierte Betr. Die Wege Gottes Aber der Weiſeſte gehet auch außerdem oft noch ganz beſondere Wege, den Sünder zum Nach- denken zu bringen. Er nimmt ihm die Stützen, worauf er ſich verlies, oder ſucht ihn mit Züchti- gungen heim, wobey ſeine Hand ganz deutlich er- kannt wird. Die Liebe der beſten Freunde verwan- delt ſich in Haß. Durch ganz beſondere Umſtän- de und Veranlaßungen, kommt der Reiche in Ab- nahme. Ein einziger, unvorhergeſehener Unglücks- fall, der durch alle menſchliche Klugheit nicht konn- te abgewendet werden, zerſtört auf einmahl den Bau des Glücks, worauf man ſtolz war. Der ſeine Jugendiahre im Dienſte der Sünden zuge- bracht, wird im ehelichen Leben durch mancherley Hauskreutz mit den Seinigen gedemüthiget. Der- gleichen bedenkliche Unglücksfälle, fehlgeſchlagene Hofnungen, und andere Umſtände können zuweilen eine gewaltige Veränderung in dem Gemüthe eines Menſchen hervorbringen, ihm die Luſt der Sünde vereckeln, und ihn ermuntern, zur Religion ſeine Zuflucht zu nehmen. Und wie manchem war das ein erwünſchter Anfang zu ſeiner Gemüthsbeße- rung, wenn er in einer harten Krankheit vor die Pforten der Ewigkeit geſtellt wurde? Hierbey äußern ſich die göttlichen Führungen nicht ſelten auch darinnen, daß Gott den Sünder etwa in ſolche Verbindungen ſetzt, da ihm die Wahrheiten der Religion, die ſich recht eigentlich für ſeinen Zuſtand ſchicken, näher als iemahls an das Herz gelegt werden. Dieß geſchiehet zwar am häufigſten durch den öffentlichen Vortrag, oder auch durch beſondern Zuſpruch der Lehrer des Chri- ſten-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/56
Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/56>, abgerufen am 18.07.2024.