Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Vierte Betr. Die Wege Gottes es doch nur so gut haben, als einer von den vielenTaglöhnern, die mein Vater in seinen Diensten hat! Die haben doch Brod im Ueberfluß, da ich hingegen vor Hunger verschmachten möchte. Wohl- an, ich will, ich kan nicht verlangen, daß er mich von nun an als Sohn behandle, nachdem ich das von ihm erhaltene Vermögen so liederlich verschwen- det habe. Aber -- ich kenne seine Güte -- als Taglöhner wird er mich doch wenigstens annehmen, und mir gleiche Vortheile mit seinem übrigen Ge- sinde angedeyhen laßen. Dann bin ich schon glück- lich genug. Dieß ist denn auch sein vester Ent- schluß: Ich will heim zu meinen Vater gehen, und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich an Gott und an dir versündiget. Ich bin nicht mehr werth dein Sohn zu heißen -- laß mich nur einen deiner Taglöhner seyn. Hier haben wir ein sehr lebhaftes und natür- met
Vierte Betr. Die Wege Gottes es doch nur ſo gut haben, als einer von den vielenTaglöhnern, die mein Vater in ſeinen Dienſten hat! Die haben doch Brod im Ueberfluß, da ich hingegen vor Hunger verſchmachten möchte. Wohl- an, ich will, ich kan nicht verlangen, daß er mich von nun an als Sohn behandle, nachdem ich das von ihm erhaltene Vermögen ſo liederlich verſchwen- det habe. Aber — ich kenne ſeine Güte — als Taglöhner wird er mich doch wenigſtens annehmen, und mir gleiche Vortheile mit ſeinem übrigen Ge- ſinde angedeyhen laßen. Dann bin ich ſchon glück- lich genug. Dieß iſt denn auch ſein veſter Ent- ſchluß: Ich will heim zu meinen Vater gehen, und zu ihm ſagen: Vater, ich habe mich an Gott und an dir verſündiget. Ich bin nicht mehr werth dein Sohn zu heißen — laß mich nur einen deiner Taglöhner ſeyn. Hier haben wir ein ſehr lebhaftes und natür- met
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Vierte Betr. Die Wege Gottes
es doch nur ſo gut haben, als einer von den vielen
Taglöhnern, die mein Vater in ſeinen Dienſten
hat! Die haben doch Brod im Ueberfluß, da ich
hingegen vor Hunger verſchmachten möchte. Wohl-
an, ich will, ich kan nicht verlangen, daß er mich
von nun an als Sohn behandle, nachdem ich das
von ihm erhaltene Vermögen ſo liederlich verſchwen-
det habe. Aber — ich kenne ſeine Güte — als
Taglöhner wird er mich doch wenigſtens annehmen,
und mir gleiche Vortheile mit ſeinem übrigen Ge-
ſinde angedeyhen laßen. Dann bin ich ſchon glück-
lich genug. Dieß iſt denn auch ſein veſter Ent-
ſchluß: Ich will heim zu meinen Vater gehen,
und zu ihm ſagen: Vater, ich habe mich an Gott
und an dir verſündiget. Ich bin nicht mehr werth
dein Sohn zu heißen — laß mich nur einen deiner
Taglöhner ſeyn.
Hier haben wir ein ſehr lebhaftes und natür-
liches Bild der Wege Gottes bey der Bekehrung
der Menſchen. Nicht ſelten, ia gemeiniglich ge-
ſchiehet es, daß der Sünder durch ſeine Unord-
nungen und Laſter ſich in zeitliches Unglück und al-
lerhand Jammer ſtürzt. Der ungerathene Sohn,
der ſich nicht zum Fleis und zur Ordnung gewöh-
nen läßt, der alle treue Bemühungen und Ver-
mahnungen ſeiner Eltern und Lehrer verachtet, und
ſich ſelbſt außer Stand ſetzt, einſtens in einem or-
dentlichen Berufe der Welt zu nützen, wird bald oder
ſpät die traurigen Folgen ſeines Leichtſinnes und
ſeiner Bosheit empfinden. Dürftigkeit und Ver-
achtung warten gemeiniglich auf den, der ſeine
Jugendiahre in Thorheiten und Sünden verträu-
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