Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.
Dieses bekannte, vortrefliche Gleichnis trug Je- Der
Dieſes bekannte, vortrefliche Gleichnis trug Je- Der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <cit> <quote> <pb facs="#f0052" n="40"/> <fw place="top" type="header">Vierte Betr. Die Wege Gottes</fw><lb/> <hi rendition="#fr">werth, daß ich dein Sohn heiße, mache mich<lb/> als einen deiner Taglöhner.</hi> </quote> </cit><lb/> <p><hi rendition="#in">D</hi>ieſes bekannte, vortrefliche Gleichnis trug Je-<lb/> ſus bey einer gewißen Gelegenheit vor, da<lb/> ihm einige phariſäiſche Gelehrte wegen ſeines häu-<lb/> figen Umgangs mit Zöllnern und andern Perſonen<lb/> von übeln Ruf, Vorwürfe gemacht hatten. Sie<lb/> glaubten, es ſey ſchon einem gemeinen Iſraeliten,<lb/> und noch mehr einem Manne wie er, einem Pro-<lb/> pheten, höchſtunanſtändig und ſchimpflich, mit dem<lb/> verworfenen Pöbel ſo vertraulich umzugehen. Aber<lb/> Jeſus machte es ihnen durch einige Gleichniße be-<lb/> gaeiflich genug, daß dieſes ſein Betragen nicht nur<lb/> erlaubt, ſondern auch der Abſicht ſeiner Sendung<lb/> vollkommen gemäß ſey, indem ia der Wille Gottes<lb/> ſey, daß die Sünder ſich bekehrten, und die En-<lb/> gel im Himmel ſich ſelbſt freuten, wenn ein Sün-<lb/> der auf den Weg der Tugend und Glückſeeligkeit<lb/> von ſeinen Irrwegen zurücke geführt werde. In<lb/> demienigen Gleichniße, welches wir vor uns ha-<lb/> ben, will er freylich auch die Güte und Nachſicht<lb/> Gottes gegen wiederkehrende Sünder zur Nachah-<lb/> mung vorſtellen. Aber die wichtigſte Lehre, wel-<lb/> che darinnen enthalten iſt, bleibt doch augenſchein-<lb/> lich dieſe, daß Gott alles nur erſinnliche zur Be-<lb/> kehrung der Menſchen veranſtalte, allezeit zur Ver-<lb/> zeihung bereit ſey, und gerne begnadige, wenn<lb/> man nur aufrichtig Gnade wünſchet, und in der<lb/> rechten Ordnung ſucht. Die gleich anfangs ange-<lb/> führe Worte geben uns eine ſehr natürliche Veran-<lb/> laßung zum Nachdenken über die bewundernswürdi-<lb/> gen Wege Gottes bey der Bekehrung der Menſchen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [40/0052]
Vierte Betr. Die Wege Gottes
werth, daß ich dein Sohn heiße, mache mich
als einen deiner Taglöhner.
Dieſes bekannte, vortrefliche Gleichnis trug Je-
ſus bey einer gewißen Gelegenheit vor, da
ihm einige phariſäiſche Gelehrte wegen ſeines häu-
figen Umgangs mit Zöllnern und andern Perſonen
von übeln Ruf, Vorwürfe gemacht hatten. Sie
glaubten, es ſey ſchon einem gemeinen Iſraeliten,
und noch mehr einem Manne wie er, einem Pro-
pheten, höchſtunanſtändig und ſchimpflich, mit dem
verworfenen Pöbel ſo vertraulich umzugehen. Aber
Jeſus machte es ihnen durch einige Gleichniße be-
gaeiflich genug, daß dieſes ſein Betragen nicht nur
erlaubt, ſondern auch der Abſicht ſeiner Sendung
vollkommen gemäß ſey, indem ia der Wille Gottes
ſey, daß die Sünder ſich bekehrten, und die En-
gel im Himmel ſich ſelbſt freuten, wenn ein Sün-
der auf den Weg der Tugend und Glückſeeligkeit
von ſeinen Irrwegen zurücke geführt werde. In
demienigen Gleichniße, welches wir vor uns ha-
ben, will er freylich auch die Güte und Nachſicht
Gottes gegen wiederkehrende Sünder zur Nachah-
mung vorſtellen. Aber die wichtigſte Lehre, wel-
che darinnen enthalten iſt, bleibt doch augenſchein-
lich dieſe, daß Gott alles nur erſinnliche zur Be-
kehrung der Menſchen veranſtalte, allezeit zur Ver-
zeihung bereit ſey, und gerne begnadige, wenn
man nur aufrichtig Gnade wünſchet, und in der
rechten Ordnung ſucht. Die gleich anfangs ange-
führe Worte geben uns eine ſehr natürliche Veran-
laßung zum Nachdenken über die bewundernswürdi-
gen Wege Gottes bey der Bekehrung der Menſchen.
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