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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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Dritte Betr. Daß der Mensch zur Erk.
dergleichen Vorstellungen nicht zu Herzen genom-
men? Man bildet sich ein, Leute von feiner Le-
bensart dürften sich schon erlauben, was der gerin-
gere Pöbel für Sünde halten könne. Die Predi-
ger übertrieben mehrentheils die Sache, oder ver-
stünden es nicht beßer, oder predigten deßwegen so
strenge Moral, weil es ihr Amt und Beruf so mit
sich bringe. Und wie oft hört man, daß auch Leu-
te von gemeinem Stande, wann sie von Lehrern
oder andern Christen brüderlich gewarnet worden,
sich mit der scheinheiligen Antwort entschuldigen:
Ich bin doch ia kein Dieb, kein Hurer und Ehe-
brecher. Meine Obrigkeit ist mit mir zufrieden.
Man kan mich keiner groben Verbrechen überfüh-
ren. Armer, betrogener Mensch! eben als ob du
schon alsdann auch ein guter Christ, ein begnadig-
tes Kind Gottes wärest, wann du kein offenbarer
Sünder bist. Dein ganzes Christenthum bestehet
also darinnen, daß du noch kein Laster begangen
hast, welches die Ahndung der Obrigkeit verdient,
kein Verbrechen, das mit Gefängnis, Schwerd,
Strang, oder Scheiterhaufen bestraft werden muß?
Das ist dein ganzes Christenthum? Und damit
willt du einst vor dem Richterstuhl Gottes bestehen?
Damit willt du dich auch im Angesichte des Welt-
richters, und seiner Engel und aller Menschen be-
schönigen, wann er dich einstens wegen deiner ver-
borgenen Tücke, heimlichen Betriegereyen, Falsch-
heiten und unchristlichen Maximen, wegen deines
neidischen, schadenfrohen, rachgierigen, boshaften
Gemüths, wegen so vieler leichtsinnigen Worte
und Thaten, womit du Gott und Menschen belei-

diget

Dritte Betr. Daß der Menſch zur Erk.
dergleichen Vorſtellungen nicht zu Herzen genom-
men? Man bildet ſich ein, Leute von feiner Le-
bensart dürften ſich ſchon erlauben, was der gerin-
gere Pöbel für Sünde halten könne. Die Predi-
ger übertrieben mehrentheils die Sache, oder ver-
ſtünden es nicht beßer, oder predigten deßwegen ſo
ſtrenge Moral, weil es ihr Amt und Beruf ſo mit
ſich bringe. Und wie oft hört man, daß auch Leu-
te von gemeinem Stande, wann ſie von Lehrern
oder andern Chriſten brüderlich gewarnet worden,
ſich mit der ſcheinheiligen Antwort entſchuldigen:
Ich bin doch ia kein Dieb, kein Hurer und Ehe-
brecher. Meine Obrigkeit iſt mit mir zufrieden.
Man kan mich keiner groben Verbrechen überfüh-
ren. Armer, betrogener Menſch! eben als ob du
ſchon alsdann auch ein guter Chriſt, ein begnadig-
tes Kind Gottes wäreſt, wann du kein offenbarer
Sünder biſt. Dein ganzes Chriſtenthum beſtehet
alſo darinnen, daß du noch kein Laſter begangen
haſt, welches die Ahndung der Obrigkeit verdient,
kein Verbrechen, das mit Gefängnis, Schwerd,
Strang, oder Scheiterhaufen beſtraft werden muß?
Das iſt dein ganzes Chriſtenthum? Und damit
willt du einſt vor dem Richterſtuhl Gottes beſtehen?
Damit willt du dich auch im Angeſichte des Welt-
richters, und ſeiner Engel und aller Menſchen be-
ſchönigen, wann er dich einſtens wegen deiner ver-
borgenen Tücke, heimlichen Betriegereyen, Falſch-
heiten und unchriſtlichen Maximen, wegen deines
neidiſchen, ſchadenfrohen, rachgierigen, boshaften
Gemüths, wegen ſo vieler leichtſinnigen Worte
und Thaten, womit du Gott und Menſchen belei-

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[34/0046] Dritte Betr. Daß der Menſch zur Erk. dergleichen Vorſtellungen nicht zu Herzen genom- men? Man bildet ſich ein, Leute von feiner Le- bensart dürften ſich ſchon erlauben, was der gerin- gere Pöbel für Sünde halten könne. Die Predi- ger übertrieben mehrentheils die Sache, oder ver- ſtünden es nicht beßer, oder predigten deßwegen ſo ſtrenge Moral, weil es ihr Amt und Beruf ſo mit ſich bringe. Und wie oft hört man, daß auch Leu- te von gemeinem Stande, wann ſie von Lehrern oder andern Chriſten brüderlich gewarnet worden, ſich mit der ſcheinheiligen Antwort entſchuldigen: Ich bin doch ia kein Dieb, kein Hurer und Ehe- brecher. Meine Obrigkeit iſt mit mir zufrieden. Man kan mich keiner groben Verbrechen überfüh- ren. Armer, betrogener Menſch! eben als ob du ſchon alsdann auch ein guter Chriſt, ein begnadig- tes Kind Gottes wäreſt, wann du kein offenbarer Sünder biſt. Dein ganzes Chriſtenthum beſtehet alſo darinnen, daß du noch kein Laſter begangen haſt, welches die Ahndung der Obrigkeit verdient, kein Verbrechen, das mit Gefängnis, Schwerd, Strang, oder Scheiterhaufen beſtraft werden muß? Das iſt dein ganzes Chriſtenthum? Und damit willt du einſt vor dem Richterſtuhl Gottes beſtehen? Damit willt du dich auch im Angeſichte des Welt- richters, und ſeiner Engel und aller Menſchen be- ſchönigen, wann er dich einſtens wegen deiner ver- borgenen Tücke, heimlichen Betriegereyen, Falſch- heiten und unchriſtlichen Maximen, wegen deines neidiſchen, ſchadenfrohen, rachgierigen, boshaften Gemüths, wegen ſo vieler leichtſinnigen Worte und Thaten, womit du Gott und Menſchen belei- diget

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/46>, abgerufen am 21.11.2024.