Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Zwote Betr. Daß das gegenwärtige von seinen weisen und gerechten Forderungen Aus-nahmen machen, welches er doch nirgends verheis- sen hat, manchen verruchten Sündern, auf ihre ängstlichen Seufzer Gnade angedeyhen laßen, und sie dann in die Gesellschaft der Heiligen und Seeli- gen im Himmel aufnehmen. Würden sie denn nun glücklich seyn? Würde das böse Gewißen wegen so vieler hier in diesem Leben begangenen Sünden, nun aufhören sie zu nagen? Würden ihnen nicht auch im Himmel, mitten unter den Engeln und Seeli- gen die traurigen Bilder derer, die durch sie be- trübet, gekränket, und unglücklich gemacht wor- den, vor Augen schweben! Warlich, der Ort al- lein kan uns nicht zufrieden und vergnügt machen, wann wir Quaal und Hölle im Herzen herumtra- gen. In königlichen Pallästen, in den herrlichsten Lustgärten, mitten unter Symphonien und entzü- kenden Musiken wird derienige, den der Wurm ei- nes bösen Gewißens nagt, mißvergnügt seyn -- und in ienen himmlischen Gegenden, mitten unter den paradiesischen Freuden der Seeligen wird der- ienige, der als ein unbekehrter Sünder aus der Welt gieng, seine Hölle in sich selber haben. Und wie leer von Freude muß nicht die Seele eines an Laster gewöhnten Menschen in der Gesellschaft der unschuldigsten Geschöpfe seyn, wo Lob Gottes und Ausübung alles deßen, was gut und rechrschaffen ist, die vornehmste Beschäftigung seyn wird? Scla- ven des Lasters und Freunde der Tugend können schon hier auf Erden in keiner vergnügten Verbin- dung mit einander stehen, und sie werden es auch dort nicht seyn können. Wer sich nicht schon hier zu
Zwote Betr. Daß das gegenwärtige von ſeinen weiſen und gerechten Forderungen Aus-nahmen machen, welches er doch nirgends verheiſ- ſen hat, manchen verruchten Sündern, auf ihre ängſtlichen Seufzer Gnade angedeyhen laßen, und ſie dann in die Geſellſchaft der Heiligen und Seeli- gen im Himmel aufnehmen. Würden ſie denn nun glücklich ſeyn? Würde das böſe Gewißen wegen ſo vieler hier in dieſem Leben begangenen Sünden, nun aufhören ſie zu nagen? Würden ihnen nicht auch im Himmel, mitten unter den Engeln und Seeli- gen die traurigen Bilder derer, die durch ſie be- trübet, gekränket, und unglücklich gemacht wor- den, vor Augen ſchweben! Warlich, der Ort al- lein kan uns nicht zufrieden und vergnügt machen, wann wir Quaal und Hölle im Herzen herumtra- gen. In königlichen Palläſten, in den herrlichſten Luſtgärten, mitten unter Symphonien und entzü- kenden Muſiken wird derienige, den der Wurm ei- nes böſen Gewißens nagt, mißvergnügt ſeyn — und in ienen himmliſchen Gegenden, mitten unter den paradieſiſchen Freuden der Seeligen wird der- ienige, der als ein unbekehrter Sünder aus der Welt gieng, ſeine Hölle in ſich ſelber haben. Und wie leer von Freude muß nicht die Seele eines an Laſter gewöhnten Menſchen in der Geſellſchaft der unſchuldigſten Geſchöpfe ſeyn, wo Lob Gottes und Ausübung alles deßen, was gut und rechrſchaffen iſt, die vornehmſte Beſchäftigung ſeyn wird? Scla- ven des Laſters und Freunde der Tugend können ſchon hier auf Erden in keiner vergnügten Verbin- dung mit einander ſtehen, und ſie werden es auch dort nicht ſeyn können. Wer ſich nicht ſchon hier zu
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Zwote Betr. Daß das gegenwärtige
von ſeinen weiſen und gerechten Forderungen Aus-
nahmen machen, welches er doch nirgends verheiſ-
ſen hat, manchen verruchten Sündern, auf ihre
ängſtlichen Seufzer Gnade angedeyhen laßen, und
ſie dann in die Geſellſchaft der Heiligen und Seeli-
gen im Himmel aufnehmen. Würden ſie denn nun
glücklich ſeyn? Würde das böſe Gewißen wegen ſo
vieler hier in dieſem Leben begangenen Sünden, nun
aufhören ſie zu nagen? Würden ihnen nicht auch
im Himmel, mitten unter den Engeln und Seeli-
gen die traurigen Bilder derer, die durch ſie be-
trübet, gekränket, und unglücklich gemacht wor-
den, vor Augen ſchweben! Warlich, der Ort al-
lein kan uns nicht zufrieden und vergnügt machen,
wann wir Quaal und Hölle im Herzen herumtra-
gen. In königlichen Palläſten, in den herrlichſten
Luſtgärten, mitten unter Symphonien und entzü-
kenden Muſiken wird derienige, den der Wurm ei-
nes böſen Gewißens nagt, mißvergnügt ſeyn —
und in ienen himmliſchen Gegenden, mitten unter
den paradieſiſchen Freuden der Seeligen wird der-
ienige, der als ein unbekehrter Sünder aus der
Welt gieng, ſeine Hölle in ſich ſelber haben. Und
wie leer von Freude muß nicht die Seele eines an
Laſter gewöhnten Menſchen in der Geſellſchaft der
unſchuldigſten Geſchöpfe ſeyn, wo Lob Gottes und
Ausübung alles deßen, was gut und rechrſchaffen iſt,
die vornehmſte Beſchäftigung ſeyn wird? Scla-
ven des Laſters und Freunde der Tugend können
ſchon hier auf Erden in keiner vergnügten Verbin-
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dort nicht ſeyn können. Wer ſich nicht ſchon hier
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