1) Eine deutlichere Erkenntnis himmlischer Dinge würde unserm ietzigen Zustande nicht ge- mäß seyn; uns nicht gestatten unsere Kräfte gehö- rig anzuwenden, noch dieienigen Beschäftigungen, die uns hier auf Erden angewiesen sind, gebüh- rend abzuwarten. Die göttliche Einrichtung er- fordert, daß wir uns hienieden nothwendig mit zeitlichen Dingen abgeben müßen, woferne wir unser irdisches Leben erhalten, und die Pflichten, die uns nach unserm Stand und Beruf obliegen, erfüllen wollen. Wir müßen von Kindheit an zum Fleis und zur Arbeit gewöhnet werden, damit wir in erwachsenen Jahren unsern nothdürftigen Unter- halt finden, und unsern Nebenmenschen nützlich werden können. Das Christenthum verbietet uns nicht, diese unsere irdischen Geschäfte abzuwarten, sondern es giebt uns vielmehr Anleitung wie wir sie zur Beförderung der Ehre Gottes, und der Wohlfarth unserer Mitbrüder einrichten sollen. Nun setzet den Fall, Gott erhöhete die Kräfte unsers Verstandes und unserer Eindbildungskraft durch Wunder seiner Allmacht in einem so hohen Grade, daß wir himmlische Dinge so deutlich er- kennen könnten, als wir die Sachen erkennen, die wir mit unsern leiblichen Augen sehen; es würde unsern Blicken gegönnet, die Herrlichkeit des himm- lischen Zustandes, ohne Dunkelheit zu erkennen; die sanften, entzückenden Harmonien der Engel und Seeligen schallten beständig vor unsern Oh- ren. Würden wir alsdann die gehörige Sorg- falt in Abwartung unserer irdischen Geschäfte be- weisen? Ohne Zweifel würde aller Fleis aufhö-
ren,
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warum uns Gott die Beſchaffenh. ꝛc.
1) Eine deutlichere Erkenntnis himmliſcher Dinge würde unſerm ietzigen Zuſtande nicht ge- mäß ſeyn; uns nicht geſtatten unſere Kräfte gehö- rig anzuwenden, noch dieienigen Beſchäftigungen, die uns hier auf Erden angewieſen ſind, gebüh- rend abzuwarten. Die göttliche Einrichtung er- fordert, daß wir uns hienieden nothwendig mit zeitlichen Dingen abgeben müßen, woferne wir unſer irdiſches Leben erhalten, und die Pflichten, die uns nach unſerm Stand und Beruf obliegen, erfüllen wollen. Wir müßen von Kindheit an zum Fleis und zur Arbeit gewöhnet werden, damit wir in erwachſenen Jahren unſern nothdürftigen Unter- halt finden, und unſern Nebenmenſchen nützlich werden können. Das Chriſtenthum verbietet uns nicht, dieſe unſere irdiſchen Geſchäfte abzuwarten, ſondern es giebt uns vielmehr Anleitung wie wir ſie zur Beförderung der Ehre Gottes, und der Wohlfarth unſerer Mitbrüder einrichten ſollen. Nun ſetzet den Fall, Gott erhöhete die Kräfte unſers Verſtandes und unſerer Eindbildungskraft durch Wunder ſeiner Allmacht in einem ſo hohen Grade, daß wir himmliſche Dinge ſo deutlich er- kennen könnten, als wir die Sachen erkennen, die wir mit unſern leiblichen Augen ſehen; es würde unſern Blicken gegönnet, die Herrlichkeit des himm- liſchen Zuſtandes, ohne Dunkelheit zu erkennen; die ſanften, entzückenden Harmonien der Engel und Seeligen ſchallten beſtändig vor unſern Oh- ren. Würden wir alsdann die gehörige Sorg- falt in Abwartung unſerer irdiſchen Geſchäfte be- weiſen? Ohne Zweifel würde aller Fleis aufhö-
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[263[261]/0273]
warum uns Gott die Beſchaffenh. ꝛc.
1) Eine deutlichere Erkenntnis himmliſcher
Dinge würde unſerm ietzigen Zuſtande nicht ge-
mäß ſeyn; uns nicht geſtatten unſere Kräfte gehö-
rig anzuwenden, noch dieienigen Beſchäftigungen,
die uns hier auf Erden angewieſen ſind, gebüh-
rend abzuwarten. Die göttliche Einrichtung er-
fordert, daß wir uns hienieden nothwendig mit
zeitlichen Dingen abgeben müßen, woferne wir unſer
irdiſches Leben erhalten, und die Pflichten, die uns
nach unſerm Stand und Beruf obliegen, erfüllen
wollen. Wir müßen von Kindheit an zum Fleis
und zur Arbeit gewöhnet werden, damit wir in
erwachſenen Jahren unſern nothdürftigen Unter-
halt finden, und unſern Nebenmenſchen nützlich
werden können. Das Chriſtenthum verbietet uns
nicht, dieſe unſere irdiſchen Geſchäfte abzuwarten,
ſondern es giebt uns vielmehr Anleitung wie wir
ſie zur Beförderung der Ehre Gottes, und der
Wohlfarth unſerer Mitbrüder einrichten ſollen.
Nun ſetzet den Fall, Gott erhöhete die Kräfte
unſers Verſtandes und unſerer Eindbildungskraft
durch Wunder ſeiner Allmacht in einem ſo hohen
Grade, daß wir himmliſche Dinge ſo deutlich er-
kennen könnten, als wir die Sachen erkennen, die
wir mit unſern leiblichen Augen ſehen; es würde
unſern Blicken gegönnet, die Herrlichkeit des himm-
liſchen Zuſtandes, ohne Dunkelheit zu erkennen;
die ſanften, entzückenden Harmonien der Engel
und Seeligen ſchallten beſtändig vor unſern Oh-
ren. Würden wir alsdann die gehörige Sorg-
falt in Abwartung unſerer irdiſchen Geſchäfte be-
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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 263[261]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/273>, abgerufen am 16.02.2025.
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