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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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Funfzehnte Betr. Von der
Hintergehet die ganze Welt. Einen Zeugen eu-
rer Gesinnungen und Handlungen könnt ihr nie hin-
tergehen -- und dieser ist euer Gott, an dem euch
unendlich mehr gelegen seyn sollte, als an der gan-
zen Welt, euer Herr und Richter, der einstens
ans Licht bringen wird, alles was im Verbor-
genen geschehen ist.
-- Und diesen wollt ihr nicht
scheuen? Könnte die Thorheit und Unbesonnenheit
größer seyn? Von nun an sey also dieß eine bestän-
dige Regel unsers Lebens: Ich will mich bey ei-
nem ieden Unternehmen erst fragen, ob ich mir
getrauen würde, daßelbe zu rechtfertigen, wenn
mich mein Gott noch heut darüber zur Rechenschaft
ziehen sollte; denn einmal wird er doch Rechenschaft
von mir fordern -- ich will nicht zufrieden seyn,
wenn ich nur dem Tadel der Menschen entgehe,
sondern auch meine Absichten und Gedanken, die
kein Mensch erfährt, sollen so beschaffen seyn, daß
ich mich derselben nicht zu schämen habe, wenn sie
der allwißende Richter einstens ans Licht bringen
wird. Ich will vor ihm mein Herz immer mehr
zu reinigen suchen -- für einen ieden unreinen,
ungerechten, tückischen Gedanken erschreken, iede
Heucheley und Scheinheiligkeit als etwas Abscheu-
liches betrachten, und mich stets erinnern, daß
Gott den Heuchler haßet, und ihn einftens desto
empfindlicher strafen wird. Die zweite Lebensre-
gel! Sey auch im Verborgenen rechtschaffen, wo
niemand den Kampf deiner Tugend bemerkt, nie-
mand deine fromme Handlung erfährt. Was Je-
sus Matth. 6, 4. von den im Stillen ausgetheil-
ten Allmosen sagt, das gilt von einer ieden gerech-

ten

Funfzehnte Betr. Von der
Hintergehet die ganze Welt. Einen Zeugen eu-
rer Geſinnungen und Handlungen könnt ihr nie hin-
tergehen — und dieſer iſt euer Gott, an dem euch
unendlich mehr gelegen ſeyn ſollte, als an der gan-
zen Welt, euer Herr und Richter, der einſtens
ans Licht bringen wird, alles was im Verbor-
genen geſchehen iſt.
— Und dieſen wollt ihr nicht
ſcheuen? Könnte die Thorheit und Unbeſonnenheit
größer ſeyn? Von nun an ſey alſo dieß eine beſtän-
dige Regel unſers Lebens: Ich will mich bey ei-
nem ieden Unternehmen erſt fragen, ob ich mir
getrauen würde, daßelbe zu rechtfertigen, wenn
mich mein Gott noch heut darüber zur Rechenſchaft
ziehen ſollte; denn einmal wird er doch Rechenſchaft
von mir fordern — ich will nicht zufrieden ſeyn,
wenn ich nur dem Tadel der Menſchen entgehe,
ſondern auch meine Abſichten und Gedanken, die
kein Menſch erfährt, ſollen ſo beſchaffen ſeyn, daß
ich mich derſelben nicht zu ſchämen habe, wenn ſie
der allwißende Richter einſtens ans Licht bringen
wird. Ich will vor ihm mein Herz immer mehr
zu reinigen ſuchen — für einen ieden unreinen,
ungerechten, tückiſchen Gedanken erſchreken, iede
Heucheley und Scheinheiligkeit als etwas Abſcheu-
liches betrachten, und mich ſtets erinnern, daß
Gott den Heuchler haßet, und ihn einftens deſto
empfindlicher ſtrafen wird. Die zweite Lebensre-
gel! Sey auch im Verborgenen rechtſchaffen, wo
niemand den Kampf deiner Tugend bemerkt, nie-
mand deine fromme Handlung erfährt. Was Je-
ſus Matth. 6, 4. von den im Stillen ausgetheil-
ten Allmoſen ſagt, das gilt von einer ieden gerech-

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[230/0242] Funfzehnte Betr. Von der Hintergehet die ganze Welt. Einen Zeugen eu- rer Geſinnungen und Handlungen könnt ihr nie hin- tergehen — und dieſer iſt euer Gott, an dem euch unendlich mehr gelegen ſeyn ſollte, als an der gan- zen Welt, euer Herr und Richter, der einſtens ans Licht bringen wird, alles was im Verbor- genen geſchehen iſt. — Und dieſen wollt ihr nicht ſcheuen? Könnte die Thorheit und Unbeſonnenheit größer ſeyn? Von nun an ſey alſo dieß eine beſtän- dige Regel unſers Lebens: Ich will mich bey ei- nem ieden Unternehmen erſt fragen, ob ich mir getrauen würde, daßelbe zu rechtfertigen, wenn mich mein Gott noch heut darüber zur Rechenſchaft ziehen ſollte; denn einmal wird er doch Rechenſchaft von mir fordern — ich will nicht zufrieden ſeyn, wenn ich nur dem Tadel der Menſchen entgehe, ſondern auch meine Abſichten und Gedanken, die kein Menſch erfährt, ſollen ſo beſchaffen ſeyn, daß ich mich derſelben nicht zu ſchämen habe, wenn ſie der allwißende Richter einſtens ans Licht bringen wird. Ich will vor ihm mein Herz immer mehr zu reinigen ſuchen — für einen ieden unreinen, ungerechten, tückiſchen Gedanken erſchreken, iede Heucheley und Scheinheiligkeit als etwas Abſcheu- liches betrachten, und mich ſtets erinnern, daß Gott den Heuchler haßet, und ihn einftens deſto empfindlicher ſtrafen wird. Die zweite Lebensre- gel! Sey auch im Verborgenen rechtſchaffen, wo niemand den Kampf deiner Tugend bemerkt, nie- mand deine fromme Handlung erfährt. Was Je- ſus Matth. 6, 4. von den im Stillen ausgetheil- ten Allmoſen ſagt, das gilt von einer ieden gerech- ten

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/242>, abgerufen am 27.11.2024.