Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Beherrschung uns. sündl. Begierden. blos und allein von seinen sinnlichen Lüsten beherr-schen, und ist gleich einem leibeigenen Knechte, der alles thun muß, was sein Herr will. Er kan nicht anders, als daß er seinen verkehrten Begier- den blindlings folget, wenn er sich auch noch so vest vorgenommen hat, den Vorschriften der ge- sunden Vernunft, und des göttlichen Gesetzes zu gehorchen. Das alles wird von Paulo am ange- führten Orte weiter ausgeführt. Und lehrt dieß nicht die Erfahrung? Wir hören ia oft genug Leute, das Bekenntnis ablegen: Sie hätten sich oft vorgenommen, von ihren Unordnungen abzu- laßen, ihren Zorn zu mäßigen, ihre unkeuschen Begierden zu unterdrücken etc. aber es stehe nicht in ihrem Verr[m]ögen, und es sey eben, als ob eine unsichtbare Gewalt sie nöthige, ihren gewohnten Neigungen zu folgen. Daß aber Menschen, die in einem solchen Zustande leben, Christo nicht an- gehören, das sagt der Apostel Paulus an mehr als einem Ort, und es wird auch aus dem Folgenden von selbst erhellen. Christen unterscheiden sich nun von unbekehr- sten O
Beherrſchung unſ. ſündl. Begierden. blos und allein von ſeinen ſinnlichen Lüſten beherr-ſchen, und iſt gleich einem leibeigenen Knechte, der alles thun muß, was ſein Herr will. Er kan nicht anders, als daß er ſeinen verkehrten Begier- den blindlings folget, wenn er ſich auch noch ſo veſt vorgenommen hat, den Vorſchriften der ge- ſunden Vernunft, und des göttlichen Geſetzes zu gehorchen. Das alles wird von Paulo am ange- führten Orte weiter ausgeführt. Und lehrt dieß nicht die Erfahrung? Wir hören ia oft genug Leute, das Bekenntnis ablegen: Sie hätten ſich oft vorgenommen, von ihren Unordnungen abzu- laßen, ihren Zorn zu mäßigen, ihre unkeuſchen Begierden zu unterdrücken ꝛc. aber es ſtehe nicht in ihrem Verr[m]ögen, und es ſey eben, als ob eine unſichtbare Gewalt ſie nöthige, ihren gewohnten Neigungen zu folgen. Daß aber Menſchen, die in einem ſolchen Zuſtande leben, Chriſto nicht an- gehören, das ſagt der Apoſtel Paulus an mehr als einem Ort, und es wird auch aus dem Folgenden von ſelbſt erhellen. Chriſten unterſcheiden ſich nun von unbekehr- ſten O
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Beherrſchung unſ. ſündl. Begierden.
blos und allein von ſeinen ſinnlichen Lüſten beherr-
ſchen, und iſt gleich einem leibeigenen Knechte,
der alles thun muß, was ſein Herr will. Er kan
nicht anders, als daß er ſeinen verkehrten Begier-
den blindlings folget, wenn er ſich auch noch ſo
veſt vorgenommen hat, den Vorſchriften der ge-
ſunden Vernunft, und des göttlichen Geſetzes zu
gehorchen. Das alles wird von Paulo am ange-
führten Orte weiter ausgeführt. Und lehrt dieß
nicht die Erfahrung? Wir hören ia oft genug
Leute, das Bekenntnis ablegen: Sie hätten ſich
oft vorgenommen, von ihren Unordnungen abzu-
laßen, ihren Zorn zu mäßigen, ihre unkeuſchen
Begierden zu unterdrücken ꝛc. aber es ſtehe nicht
in ihrem Verrmögen, und es ſey eben, als ob eine
unſichtbare Gewalt ſie nöthige, ihren gewohnten
Neigungen zu folgen. Daß aber Menſchen, die
in einem ſolchen Zuſtande leben, Chriſto nicht an-
gehören, das ſagt der Apoſtel Paulus an mehr als
einem Ort, und es wird auch aus dem Folgenden
von ſelbſt erhellen.
Chriſten unterſcheiden ſich nun von unbekehr-
ten Sündern unter andern auch dadurch, daß ſie
gewohnt ſind, ihre unordentlichen Begierden zu
beſiegen. Das ſagt Paulus in den Worten, die
wir betrachten: So ſind wir nun, lieben Brü-
der, Schuldner, nicht dem Fleiſch, daß wir
nach dem Fleiſche leben. Unter dem Fleiſch
verſtehet er die ſündlichen, böſen Begierden und
Neigungen, die zwar eigentlich ihren Sitz in der
Seele haben, aber durch die Beſchaffenheit unſers
Körpers erweckt und genähret werden. Daß Chri-
ſten
O
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