Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.als unserer wahren Glückseeligkeit. gegen uns ein vollkommen untadelhaftes Verhalten.Er weiß am besten, mit welcher Ruthe er uns züchtigen, ob er uns gelinde strafen, oder härter angreifen soll. Wir laßen uns zwar sein Verhal- ten gegen uns bisweilen befremden, und glauben es geschehe uns zu viel. Aber wie unverständig ist unser Urtheil! Wir gestatten es nicht einmahl un- sern Kindern, daß sie uns die Regeln vorschreiben, nach welchen wir unsere Zucht einrichten sollen und am allerwenigsten können wir es vertragen, wenn sie uns meistern, und sich über uns beschweren wol- len, und wir wollen unsern weisesten, gütigsten Va- ter tadeln? Ihm nicht blindlings zutrauen, daß er bey seinen Züchtigungen die Absicht habe, unser wahres Wohl zu befördern? Ich schäme mich von einer Sache, die ohnehin heller ist als der Tag, so viel Worte gemacht zu haben; und doch kommen oft Stunden in unserm Leben, da wir noch zwei- feln können, ob auch das alles wahr sey! Wenn es denn aber gewiß und ausgemacht ist, daß Gott durch die Widerwärtigkeiten des Lebens unsere wah- re Wohlfarth befördern will, so müßen wir auch wißen, wie wir uns dabey zu verhalten haben, da- mit seine Absicht wirklich an uns erreicht werde. Damit ich in dem angefangenen Gleichniße Beße- M 2
als unſerer wahren Glückſeeligkeit. gegen uns ein vollkommen untadelhaftes Verhalten.Er weiß am beſten, mit welcher Ruthe er uns züchtigen, ob er uns gelinde ſtrafen, oder härter angreifen ſoll. Wir laßen uns zwar ſein Verhal- ten gegen uns bisweilen befremden, und glauben es geſchehe uns zu viel. Aber wie unverſtändig iſt unſer Urtheil! Wir geſtatten es nicht einmahl un- ſern Kindern, daß ſie uns die Regeln vorſchreiben, nach welchen wir unſere Zucht einrichten ſollen und am allerwenigſten können wir es vertragen, wenn ſie uns meiſtern, und ſich über uns beſchweren wol- len, und wir wollen unſern weiſeſten, gütigſten Va- ter tadeln? Ihm nicht blindlings zutrauen, daß er bey ſeinen Züchtigungen die Abſicht habe, unſer wahres Wohl zu befördern? Ich ſchäme mich von einer Sache, die ohnehin heller iſt als der Tag, ſo viel Worte gemacht zu haben; und doch kommen oft Stunden in unſerm Leben, da wir noch zwei- feln können, ob auch das alles wahr ſey! Wenn es denn aber gewiß und ausgemacht iſt, daß Gott durch die Widerwärtigkeiten des Lebens unſere wah- re Wohlfarth befördern will, ſo müßen wir auch wißen, wie wir uns dabey zu verhalten haben, da- mit ſeine Abſicht wirklich an uns erreicht werde. Damit ich in dem angefangenen Gleichniße Beße- M 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0191" n="179"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">als unſerer wahren Glückſeeligkeit.</hi></fw><lb/> gegen uns ein vollkommen untadelhaftes Verhalten.<lb/> Er weiß am beſten, mit welcher Ruthe er uns<lb/> züchtigen, ob er uns gelinde ſtrafen, oder härter<lb/> angreifen ſoll. Wir laßen uns zwar ſein Verhal-<lb/> ten gegen uns bisweilen befremden, und glauben es<lb/> geſchehe uns zu viel. Aber wie unverſtändig iſt<lb/> unſer Urtheil! Wir geſtatten es nicht einmahl un-<lb/> ſern Kindern, daß ſie uns die Regeln vorſchreiben,<lb/> nach welchen wir unſere Zucht einrichten ſollen und<lb/> am allerwenigſten können wir es vertragen, wenn<lb/> ſie uns meiſtern, und ſich über uns beſchweren wol-<lb/> len, und wir wollen unſern weiſeſten, gütigſten Va-<lb/> ter tadeln? Ihm nicht blindlings zutrauen, daß<lb/> er bey ſeinen Züchtigungen die Abſicht habe, unſer<lb/> wahres Wohl zu befördern? Ich ſchäme mich von<lb/> einer Sache, die ohnehin heller iſt als der Tag, ſo<lb/> viel Worte gemacht zu haben; und doch kommen<lb/> oft Stunden in unſerm Leben, da wir noch zwei-<lb/> feln können, ob auch das alles wahr ſey! Wenn es<lb/> denn aber gewiß und ausgemacht iſt, daß Gott<lb/> durch die Widerwärtigkeiten des Lebens unſere wah-<lb/> re Wohlfarth befördern will, ſo müßen wir auch<lb/> wißen, wie wir uns dabey zu verhalten haben, da-<lb/> mit ſeine Abſicht wirklich an uns erreicht werde.</p><lb/> <p>Damit ich in dem angefangenen Gleichniße<lb/> fortfahre, ſo überleget doch einmahl, ob denn eure<lb/> Kinder durch Züchtigungen gebeßert werden, wenn<lb/> ſie ſelbige nicht mir einer gewißen Biegſamkeit an-<lb/> nehmen? Ihr werdet alle eingeſtehen, daß Zucht<lb/> und Ruthe vergeblich iſt, wenn das Kind nicht<lb/> auf die damit verbundenen Vorſtellungen, Ermah-<lb/> nungen und Warnungen des Vaters achtet, nicht<lb/> <fw place="bottom" type="sig">M 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Beße-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [179/0191]
als unſerer wahren Glückſeeligkeit.
gegen uns ein vollkommen untadelhaftes Verhalten.
Er weiß am beſten, mit welcher Ruthe er uns
züchtigen, ob er uns gelinde ſtrafen, oder härter
angreifen ſoll. Wir laßen uns zwar ſein Verhal-
ten gegen uns bisweilen befremden, und glauben es
geſchehe uns zu viel. Aber wie unverſtändig iſt
unſer Urtheil! Wir geſtatten es nicht einmahl un-
ſern Kindern, daß ſie uns die Regeln vorſchreiben,
nach welchen wir unſere Zucht einrichten ſollen und
am allerwenigſten können wir es vertragen, wenn
ſie uns meiſtern, und ſich über uns beſchweren wol-
len, und wir wollen unſern weiſeſten, gütigſten Va-
ter tadeln? Ihm nicht blindlings zutrauen, daß
er bey ſeinen Züchtigungen die Abſicht habe, unſer
wahres Wohl zu befördern? Ich ſchäme mich von
einer Sache, die ohnehin heller iſt als der Tag, ſo
viel Worte gemacht zu haben; und doch kommen
oft Stunden in unſerm Leben, da wir noch zwei-
feln können, ob auch das alles wahr ſey! Wenn es
denn aber gewiß und ausgemacht iſt, daß Gott
durch die Widerwärtigkeiten des Lebens unſere wah-
re Wohlfarth befördern will, ſo müßen wir auch
wißen, wie wir uns dabey zu verhalten haben, da-
mit ſeine Abſicht wirklich an uns erreicht werde.
Damit ich in dem angefangenen Gleichniße
fortfahre, ſo überleget doch einmahl, ob denn eure
Kinder durch Züchtigungen gebeßert werden, wenn
ſie ſelbige nicht mir einer gewißen Biegſamkeit an-
nehmen? Ihr werdet alle eingeſtehen, daß Zucht
und Ruthe vergeblich iſt, wenn das Kind nicht
auf die damit verbundenen Vorſtellungen, Ermah-
nungen und Warnungen des Vaters achtet, nicht
Beße-
M 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |