Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Zwölfte Betr. Die Widerw. des Le. Gott habe ihn gedemüthiget. Diese Sprache führter beständig, und so dachten die Apostel, so dach- ten alle heil. Menschen, deren in der Schrift ge- dacht wird, von den widrigen Schicksalen die ih- nen begegneten, wie einem ieden bekannt ist, der die Bibel ie mit Aufmerksamkeit gelesen hat. In der That ist dieser Glaube sehr vernünftig, und stimmet mit den Begriffen, die sich die gesunde Vernunft von der göttlichen Regierung und Für- sehung zu machen hat, vollkommen überein. Daß Menschen uns verfolgen und lästern, daß sie uns an unserer Ehre und guten Nahmen antasten, das rühret freylich zunächst von ihrem bösen Willen her. Aber wer ist es, der uns in diese Verbindungen gesezt hat, daß wir gerade der Gegenstand ihrer Verfolgungen seyn müßen? Daß ein unglücklicher Zufall unsern zeitlichen Vermögen und äusserlichen Glücksumständen nachtheilig wird, hat freylich sei- nen Grund in dem Zusammenhang der Dinge. Aber wer hat diesen Zusammenhang so geordnet, daß dieser oder iener Unglücksfall uns eben betreffen muste! So haben auch Krankheiten, womit wir oder die Unsrigen angegriffen werden, freylich ihre natürlichen Ursachen. Aber wer hat den Lauf der Natur so geordnet, daß wir oft bey aller unserer ordentlichen Lebensart und Vorsicht, dennoch gewis- sen Krankheiten nicht ausweichen, noch sie von den Unsrigen abwenden können? Sollte dieß alles oh- ne Gott, ohne seine weise Zulaßung und Regierung geschehen? So müste er seine Welt einem blinden Ohngefähr überlaßen, und wir müßen ihm lieber gar seine Weisheit bey der Schöpfung der Welt ab-
Zwölfte Betr. Die Widerw. des Le. Gott habe ihn gedemüthiget. Dieſe Sprache führter beſtändig, und ſo dachten die Apoſtel, ſo dach- ten alle heil. Menſchen, deren in der Schrift ge- dacht wird, von den widrigen Schickſalen die ih- nen begegneten, wie einem ieden bekannt iſt, der die Bibel ie mit Aufmerkſamkeit geleſen hat. In der That iſt dieſer Glaube ſehr vernünftig, und ſtimmet mit den Begriffen, die ſich die geſunde Vernunft von der göttlichen Regierung und Für- ſehung zu machen hat, vollkommen überein. Daß Menſchen uns verfolgen und läſtern, daß ſie uns an unſerer Ehre und guten Nahmen antaſten, das rühret freylich zunächſt von ihrem böſen Willen her. Aber wer iſt es, der uns in dieſe Verbindungen geſezt hat, daß wir gerade der Gegenſtand ihrer Verfolgungen ſeyn müßen? Daß ein unglücklicher Zufall unſern zeitlichen Vermögen und äuſſerlichen Glücksumſtänden nachtheilig wird, hat freylich ſei- nen Grund in dem Zuſammenhang der Dinge. Aber wer hat dieſen Zuſammenhang ſo geordnet, daß dieſer oder iener Unglücksfall uns eben betreffen muſte! So haben auch Krankheiten, womit wir oder die Unſrigen angegriffen werden, freylich ihre natürlichen Urſachen. Aber wer hat den Lauf der Natur ſo geordnet, daß wir oft bey aller unſerer ordentlichen Lebensart und Vorſicht, dennoch gewiſ- ſen Krankheiten nicht ausweichen, noch ſie von den Unſrigen abwenden können? Sollte dieß alles oh- ne Gott, ohne ſeine weiſe Zulaßung und Regierung geſchehen? So müſte er ſeine Welt einem blinden Ohngefähr überlaßen, und wir müßen ihm lieber gar ſeine Weisheit bey der Schöpfung der Welt ab-
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Zwölfte Betr. Die Widerw. des Le.
Gott habe ihn gedemüthiget. Dieſe Sprache führt
er beſtändig, und ſo dachten die Apoſtel, ſo dach-
ten alle heil. Menſchen, deren in der Schrift ge-
dacht wird, von den widrigen Schickſalen die ih-
nen begegneten, wie einem ieden bekannt iſt, der
die Bibel ie mit Aufmerkſamkeit geleſen hat. In
der That iſt dieſer Glaube ſehr vernünftig, und
ſtimmet mit den Begriffen, die ſich die geſunde
Vernunft von der göttlichen Regierung und Für-
ſehung zu machen hat, vollkommen überein. Daß
Menſchen uns verfolgen und läſtern, daß ſie uns
an unſerer Ehre und guten Nahmen antaſten, das
rühret freylich zunächſt von ihrem böſen Willen her.
Aber wer iſt es, der uns in dieſe Verbindungen
geſezt hat, daß wir gerade der Gegenſtand ihrer
Verfolgungen ſeyn müßen? Daß ein unglücklicher
Zufall unſern zeitlichen Vermögen und äuſſerlichen
Glücksumſtänden nachtheilig wird, hat freylich ſei-
nen Grund in dem Zuſammenhang der Dinge.
Aber wer hat dieſen Zuſammenhang ſo geordnet,
daß dieſer oder iener Unglücksfall uns eben betreffen
muſte! So haben auch Krankheiten, womit wir
oder die Unſrigen angegriffen werden, freylich ihre
natürlichen Urſachen. Aber wer hat den Lauf der
Natur ſo geordnet, daß wir oft bey aller unſerer
ordentlichen Lebensart und Vorſicht, dennoch gewiſ-
ſen Krankheiten nicht ausweichen, noch ſie von den
Unſrigen abwenden können? Sollte dieß alles oh-
ne Gott, ohne ſeine weiſe Zulaßung und Regierung
geſchehen? So müſte er ſeine Welt einem blinden
Ohngefähr überlaßen, und wir müßen ihm lieber
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