(und welcher Christ wird es leugnen?) so bleibt Gott die Liebe, wenn er uns auch hier auf Erden noch so vieles Traurige erfahren läßt. Es gerei- chet ia doch nur zu unserm Besten, und ist fast wie nichts zu achten gegen die unaussprechlichen Freu- den die uns bevorstehen.
Was könnte demnach billiger und nöthiger seyn, als die Pflicht Gott zu lieben, ihn über al- les zu lieben? Was wäre von einem solchen Men- schen zu halten, der sich erfrechen könnte, zu sa- gen, Gott sey unserer Liebe nicht würdig? Nein, so sehr kan nicht leicht iemand die Menschheit ver- leugnen, daß ihm Gott, der höchste Wohlthäter gleichgültig seyn sollte. Und eben diese Pflicht, wie angenehm ist sie nicht? welche seelige Vortheile ge- währt sie uns nicht? In der Liebe unserer Freunde empfinden wir ein großes Vergnügen, wenn an- ders diese Liebe aufrichtig ist -- aber alles dieses ist nichts gegen das reine, himmlische Vergnügen, welches uns die Liebe Gottes, und die Gemein- schaft mit ihm gewähret. Wer in der Liebe blei- bet, der bleibet in Gott und Gott in ihm, d. i. wer in der Liebe Gottes beständig ist, der lebt in einer höchst erfreulichen Gemeinschaft mit Gott, und hat sich der ganz besondern Gnade und Wohlgewogenheit deßelben zu erfreuen. Dieß bringt die Natur und Beschaffenheit einer wahren, beständigen Liebe mit sich. Je genauer wahre Freunde einander kennen lernen, ie mehr Beweise der innigen Liebe einer dem andern giebt, desto en- ger wird das Band der Freundschaft, und desto größer das Vergnügen, welches daraus entsteht.
Keiner
gegen Gott.
(und welcher Chriſt wird es leugnen?) ſo bleibt Gott die Liebe, wenn er uns auch hier auf Erden noch ſo vieles Traurige erfahren läßt. Es gerei- chet ia doch nur zu unſerm Beſten, und iſt faſt wie nichts zu achten gegen die unausſprechlichen Freu- den die uns bevorſtehen.
Was könnte demnach billiger und nöthiger ſeyn, als die Pflicht Gott zu lieben, ihn über al- les zu lieben? Was wäre von einem ſolchen Men- ſchen zu halten, der ſich erfrechen könnte, zu ſa- gen, Gott ſey unſerer Liebe nicht würdig? Nein, ſo ſehr kan nicht leicht iemand die Menſchheit ver- leugnen, daß ihm Gott, der höchſte Wohlthäter gleichgültig ſeyn ſollte. Und eben dieſe Pflicht, wie angenehm iſt ſie nicht? welche ſeelige Vortheile ge- währt ſie uns nicht? In der Liebe unſerer Freunde empfinden wir ein großes Vergnügen, wenn an- ders dieſe Liebe aufrichtig iſt — aber alles dieſes iſt nichts gegen das reine, himmliſche Vergnügen, welches uns die Liebe Gottes, und die Gemein- ſchaft mit ihm gewähret. Wer in der Liebe blei- bet, der bleibet in Gott und Gott in ihm, d. i. wer in der Liebe Gottes beſtändig iſt, der lebt in einer höchſt erfreulichen Gemeinſchaft mit Gott, und hat ſich der ganz beſondern Gnade und Wohlgewogenheit deßelben zu erfreuen. Dieß bringt die Natur und Beſchaffenheit einer wahren, beſtändigen Liebe mit ſich. Je genauer wahre Freunde einander kennen lernen, ie mehr Beweiſe der innigen Liebe einer dem andern giebt, deſto en- ger wird das Band der Freundſchaft, und deſto größer das Vergnügen, welches daraus entſteht.
Keiner
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gegen Gott.
(und welcher Chriſt wird es leugnen?) ſo bleibt
Gott die Liebe, wenn er uns auch hier auf Erden
noch ſo vieles Traurige erfahren läßt. Es gerei-
chet ia doch nur zu unſerm Beſten, und iſt faſt wie
nichts zu achten gegen die unausſprechlichen Freu-
den die uns bevorſtehen.
Was könnte demnach billiger und nöthiger
ſeyn, als die Pflicht Gott zu lieben, ihn über al-
les zu lieben? Was wäre von einem ſolchen Men-
ſchen zu halten, der ſich erfrechen könnte, zu ſa-
gen, Gott ſey unſerer Liebe nicht würdig? Nein,
ſo ſehr kan nicht leicht iemand die Menſchheit ver-
leugnen, daß ihm Gott, der höchſte Wohlthäter
gleichgültig ſeyn ſollte. Und eben dieſe Pflicht, wie
angenehm iſt ſie nicht? welche ſeelige Vortheile ge-
währt ſie uns nicht? In der Liebe unſerer Freunde
empfinden wir ein großes Vergnügen, wenn an-
ders dieſe Liebe aufrichtig iſt — aber alles dieſes
iſt nichts gegen das reine, himmliſche Vergnügen,
welches uns die Liebe Gottes, und die Gemein-
ſchaft mit ihm gewähret. Wer in der Liebe blei-
bet, der bleibet in Gott und Gott in ihm,
d. i. wer in der Liebe Gottes beſtändig iſt, der
lebt in einer höchſt erfreulichen Gemeinſchaft mit
Gott, und hat ſich der ganz beſondern Gnade und
Wohlgewogenheit deßelben zu erfreuen. Dieß
bringt die Natur und Beſchaffenheit einer wahren,
beſtändigen Liebe mit ſich. Je genauer wahre
Freunde einander kennen lernen, ie mehr Beweiſe
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ger wird das Band der Freundſchaft, und deſto
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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/171>, abgerufen am 16.02.2025.
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