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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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Neunte Betrachtung.
Jesus Christus der gröste Lehrer des
menschlichen Geschlechts.
Ueber Joh. 8, 12.
Jesus sprach: Ich bin das Licht der Welt,
wer mir nachfolget der wird nicht wandeln
im Finsterniß, sondern wird das Licht des
Lebens haben.

Jesus Christus hat zwar durch seine großen Ver-
dienste die große Verschuldung und Schande,
welche auf uns lag, hinweggenommen, und es da-
hin vermittelt, daß wir in die Gemeinschaft der Bür-
ger des Himmels wieder aufgenommen werden können.
Aber seine Absicht hiebey war keinesweges, uns von
der Ausübung unserer Pflichten gleichsam zu dispen-
siren, oder uns wohl gar eine freche Freyheit, nach
unserm eigenen verkehrten Gutdünken zu leben, zu
verschaffen. Nein, gerade das Gegentheil. Wir
sollen es zwar wißen, und in Ewigkeit nicht ver-
geßen, daß iene große Seeligkeit uns blos aus
Gnaden, um seinetwillen zu Theil wird, aber wir
sollen nichts destoweniger die Gesinnungen anneh-
men, und die Tugenden ausüben, die von Bür-
gern des Himmels erfordert werden; ia wir kön-
nen ohne rechtschaffene, tugendhafte Gesinnungen
unmöglich das Glück genießen, welches im Him-
mel für uns aufbehalten wird. Wir sollen dem-

nach
H 4


Neunte Betrachtung.
Jeſus Chriſtus der gröſte Lehrer des
menſchlichen Geſchlechts.
Ueber Joh. 8, 12.
Jeſus ſprach: Ich bin das Licht der Welt,
wer mir nachfolget der wird nicht wandeln
im Finſterniß, ſondern wird das Licht des
Lebens haben.

Jeſus Chriſtus hat zwar durch ſeine großen Ver-
dienſte die große Verſchuldung und Schande,
welche auf uns lag, hinweggenommen, und es da-
hin vermittelt, daß wir in die Gemeinſchaft der Bür-
ger des Himmels wieder aufgenommen werden können.
Aber ſeine Abſicht hiebey war keinesweges, uns von
der Ausübung unſerer Pflichten gleichſam zu diſpen-
ſiren, oder uns wohl gar eine freche Freyheit, nach
unſerm eigenen verkehrten Gutdünken zu leben, zu
verſchaffen. Nein, gerade das Gegentheil. Wir
ſollen es zwar wißen, und in Ewigkeit nicht ver-
geßen, daß iene große Seeligkeit uns blos aus
Gnaden, um ſeinetwillen zu Theil wird, aber wir
ſollen nichts deſtoweniger die Geſinnungen anneh-
men, und die Tugenden ausüben, die von Bür-
gern des Himmels erfordert werden; ia wir kön-
nen ohne rechtſchaffene, tugendhafte Geſinnungen
unmöglich das Glück genießen, welches im Him-
mel für uns aufbehalten wird. Wir ſollen dem-

nach
H 4
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[119/0131] Neunte Betrachtung. Jeſus Chriſtus der gröſte Lehrer des menſchlichen Geſchlechts. Ueber Joh. 8, 12. Jeſus ſprach: Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolget der wird nicht wandeln im Finſterniß, ſondern wird das Licht des Lebens haben. Jeſus Chriſtus hat zwar durch ſeine großen Ver- dienſte die große Verſchuldung und Schande, welche auf uns lag, hinweggenommen, und es da- hin vermittelt, daß wir in die Gemeinſchaft der Bür- ger des Himmels wieder aufgenommen werden können. Aber ſeine Abſicht hiebey war keinesweges, uns von der Ausübung unſerer Pflichten gleichſam zu diſpen- ſiren, oder uns wohl gar eine freche Freyheit, nach unſerm eigenen verkehrten Gutdünken zu leben, zu verſchaffen. Nein, gerade das Gegentheil. Wir ſollen es zwar wißen, und in Ewigkeit nicht ver- geßen, daß iene große Seeligkeit uns blos aus Gnaden, um ſeinetwillen zu Theil wird, aber wir ſollen nichts deſtoweniger die Geſinnungen anneh- men, und die Tugenden ausüben, die von Bür- gern des Himmels erfordert werden; ia wir kön- nen ohne rechtſchaffene, tugendhafte Geſinnungen unmöglich das Glück genießen, welches im Him- mel für uns aufbehalten wird. Wir ſollen dem- nach H 4

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/131>, abgerufen am 18.07.2024.