Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Siebende Betr. Von Jesu Christo unserer Natur erfordert habe: Denn er, (Chri-stus) nimmt nirgend die Engel an sich, son- dern den Saamen Abrahä nimmt er an sich. Oder vielmehr: Nicht der Engel nimmt er sich an, sondern der Nachkommen Abrahams. Wenn er Engel von ihrem unglücklichen Zustand hätte befreyen wollen, so wäre es freylich nicht nö- thig gewesen, daß er eine niedrige, mit so vielem Ungemach beladene Menschennatur angenommen hätte. In diesem Fall hätte er in einer weit glänzendern und herrlichern Gestalt erscheinen kön- nen. Aber Menschen, wollte er retten; Men- schen, die durch einen großen Nachkommen Abrahams, den alten Verheißungen zu Folge, ge- seegnet werden sollten. Daher muste er aller Dinge seinen Brü- daß
Siebende Betr. Von Jeſu Chriſto unſerer Natur erfordert habe: Denn er, (Chri-ſtus) nimmt nirgend die Engel an ſich, ſon- dern den Saamen Abrahä nimmt er an ſich. Oder vielmehr: Nicht der Engel nimmt er ſich an, ſondern der Nachkommen Abrahams. Wenn er Engel von ihrem unglücklichen Zuſtand hätte befreyen wollen, ſo wäre es freylich nicht nö- thig geweſen, daß er eine niedrige, mit ſo vielem Ungemach beladene Menſchennatur angenommen hätte. In dieſem Fall hätte er in einer weit glänzendern und herrlichern Geſtalt erſcheinen kön- nen. Aber Menſchen, wollte er retten; Men- ſchen, die durch einen großen Nachkommen Abrahams, den alten Verheißungen zu Folge, ge- ſeegnet werden ſollten. Daher muſte er aller Dinge ſeinen Brü- daß
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Siebende Betr. Von Jeſu Chriſto
unſerer Natur erfordert habe: Denn er, (Chri-
ſtus) nimmt nirgend die Engel an ſich, ſon-
dern den Saamen Abrahä nimmt er an ſich.
Oder vielmehr: Nicht der Engel nimmt er ſich
an, ſondern der Nachkommen Abrahams.
Wenn er Engel von ihrem unglücklichen Zuſtand
hätte befreyen wollen, ſo wäre es freylich nicht nö-
thig geweſen, daß er eine niedrige, mit ſo vielem
Ungemach beladene Menſchennatur angenommen
hätte. In dieſem Fall hätte er in einer weit
glänzendern und herrlichern Geſtalt erſcheinen kön-
nen. Aber Menſchen, wollte er retten; Men-
ſchen, die durch einen großen Nachkommen
Abrahams, den alten Verheißungen zu Folge, ge-
ſeegnet werden ſollten.
Daher muſte er aller Dinge ſeinen Brü-
dern ähnlich werden, auf daß er barmherzig
würde, und ein treuer Hoherprieſter vor Gott,
zu verſöhnen die Sünde des Volks. O große,
bewundernswürdige Sache! Der eingebohrne
Sohn Gottes, der Schöpfer des ganzen uner-
mäßlichen Weltalles, der nicht nur über alle Kö-
nige und Monarchen des ganzen Erdenkreißes; ſon-
dern auch über alle Engel und ſeelige Geiſter unend-
lich hoch erhaben iſt, wird ein Bruder der Men-
ſchen, aller, auch der niedrigſten und verachteſten
Menſchen. Freuet euch, nicht nur ihr Große und
Gewaltige, ſondern auch ihr Arme, Geplagte un-
ter den Sterblichen. In allen Stücken iſt er gleich
worden — nicht nur darinnen, daß er eine ſolche
Natur annahm, die der eurigen, die Sünde aus-
genommen, ähnlich war, ſondern auch darinnen,
daß
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Zitationshilfe: | Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/108>, abgerufen am 18.07.2024. |