zu fassen, lebendig zu schildern, aber er neigt hierin noch zu sehr nach der Ruge-Bauerschen Manier hin, den Proceß des Werdens nur in den düstern Farben der Auflösung zu erblicken. Er ist recht der Gegen¬ satz von Valentin Schmidt, der für die Romantik so katholisch glü¬ hend begeistert war und dem wir bekanntlich in den Wiener Jahr¬ büchern die erste vollständige Uebersicht und Classeneintheilung der Calderon'schen Dramen verdanken. Schmidt war ein Heros in der Kenntniß der Literatur des Mittelalters. Ich kann die Gelegenheit nicht vorüberlassen, eine Frage wieder zu erneuen, die ich von Zeit zu Zeit schon gethan habe. Wir Deutsche verdrucken so unendlich viel Papier mit Wiederholungen. Man denke z. B. an die Unzahl unserer Blumenlesen, die sich zu einem förmlichen, anständigen Nachdruckgeschäft organisirt haben. Man denke an die Unzahl von Uebersetzungen Aus¬ ländischer Romane. Warum drucken wir nicht von Schmidt seine Ar¬ beit über Calderon, seine noch auf lange wichtige, weil positiv ergänzende Kritik von Dunlops history of the fiction, seine Arbeit über das De¬ camerone, seine Beiträge zur Geschichte der romantischen Literatur, einmal in Einem Band zusammen? Wie dankbar würden dafür alle sein, die Literatur studiren. Ich weiß aus Erfahrung, wie schwer es hält, sich aus den Wiener Jahrbüchern die betreffenden Hefte zu verschaffen. Nur die Beiträge sind als ein einzelnes Bändchen gedruckt. Die Kritik Dunlops läuft durch vier Hefte der Wiener Jahrbücher. Die Arbeit über Calderon steht sogar nur im Intelligenzblatt derselben.
(55) S. 254. Henneberger, das Deutsche Drama, S. 8.: "Der Dichter könnte vielleicht antworten, daß Griseldis durch ihre Zu¬ rückweisung Parzivals, als sie erfährt, es sei Alles nur zum Spiel gewesen, das Gegengewicht in die Wagschaale werfe." Aber -- "ist denn das, was uns hier für Liebe verkauft wird, wirklich die wahre Liebe des Weibes? Können wir vergessen, daß eine solche das Recht der eigenen Persönlichkeit, ja bis auf einen gewissen Grad die Würde des Menschen aufgebende Hingebung eher an die instinctive Anhänglich¬ keit des Thiers, als an die freie Liebe anstreift, die dem Liebenden das Gefühl der eigenen Würde noch erhöhen muß?"
(56) S. 255. Hotho in seiner Geschichte der Deutschen und Niederländischen Malerei S. 160. ff. unterscheidet von Eyk zu I. Bosch, von Bosch zu Schongawer (Martin Schön) einen Fortgang. S. 212.: "In seinen heraufgeputzten Henkern, seinen muthwillig fletschenden Knaben und geißelnden Knechten beweist Martin Schön ein volles naturgetreues Studium. Er steigert nur häufig die beobachteten
zu faſſen, lebendig zu ſchildern, aber er neigt hierin noch zu ſehr nach der Ruge-Bauerſchen Manier hin, den Proceß des Werdens nur in den düſtern Farben der Auflöſung zu erblicken. Er iſt recht der Gegen¬ ſatz von Valentin Schmidt, der für die Romantik ſo katholiſch glü¬ hend begeiſtert war und dem wir bekanntlich in den Wiener Jahr¬ büchern die erſte vollſtändige Ueberſicht und Claſſeneintheilung der Calderon'ſchen Dramen verdanken. Schmidt war ein Heros in der Kenntniß der Literatur des Mittelalters. Ich kann die Gelegenheit nicht vorüberlaſſen, eine Frage wieder zu erneuen, die ich von Zeit zu Zeit ſchon gethan habe. Wir Deutſche verdrucken ſo unendlich viel Papier mit Wiederholungen. Man denke z. B. an die Unzahl unſerer Blumenleſen, die ſich zu einem förmlichen, anſtändigen Nachdruckgeſchäft organiſirt haben. Man denke an die Unzahl von Ueberſetzungen Aus¬ ländiſcher Romane. Warum drucken wir nicht von Schmidt ſeine Ar¬ beit über Calderon, ſeine noch auf lange wichtige, weil poſitiv ergänzende Kritik von Dunlops history of the fiction, ſeine Arbeit über das De¬ camerone, ſeine Beiträge zur Geſchichte der romantiſchen Literatur, einmal in Einem Band zuſammen? Wie dankbar würden dafür alle ſein, die Literatur ſtudiren. Ich weiß aus Erfahrung, wie ſchwer es hält, ſich aus den Wiener Jahrbüchern die betreffenden Hefte zu verſchaffen. Nur die Beiträge ſind als ein einzelnes Bändchen gedruckt. Die Kritik Dunlops läuft durch vier Hefte der Wiener Jahrbücher. Die Arbeit über Calderon ſteht ſogar nur im Intelligenzblatt derſelben.
(55) S. 254. Henneberger, das Deutſche Drama, S. 8.: „Der Dichter könnte vielleicht antworten, daß Griſeldis durch ihre Zu¬ rückweiſung Parzivals, als ſie erfährt, es ſei Alles nur zum Spiel geweſen, das Gegengewicht in die Wagſchaale werfe.“ Aber — „iſt denn das, was uns hier für Liebe verkauft wird, wirklich die wahre Liebe des Weibes? Können wir vergeſſen, daß eine ſolche das Recht der eigenen Perſönlichkeit, ja bis auf einen gewiſſen Grad die Würde des Menſchen aufgebende Hingebung eher an die inſtinctive Anhänglich¬ keit des Thiers, als an die freie Liebe anſtreift, die dem Liebenden das Gefühl der eigenen Würde noch erhöhen muß?“
(56) S. 255. Hotho in ſeiner Geſchichte der Deutſchen und Niederländiſchen Malerei S. 160. ff. unterſcheidet von Eyk zu I. Boſch, von Boſch zu Schongawer (Martin Schön) einen Fortgang. S. 212.: „In ſeinen heraufgeputzten Henkern, ſeinen muthwillig fletſchenden Knaben und geißelnden Knechten beweiſt Martin Schön ein volles naturgetreues Studium. Er ſteigert nur häufig die beobachteten
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der Ruge-Bauerſchen Manier hin, den Proceß des Werdens nur in
den düſtern Farben der Auflöſung zu erblicken. Er iſt recht der Gegen¬
ſatz von Valentin Schmidt, der für die Romantik ſo katholiſch glü¬
hend begeiſtert war und dem wir bekanntlich in den Wiener Jahr¬
büchern die erſte vollſtändige Ueberſicht und Claſſeneintheilung der
Calderon'ſchen Dramen verdanken. Schmidt war ein Heros in der
Kenntniß der Literatur des Mittelalters. Ich kann die Gelegenheit
nicht vorüberlaſſen, eine Frage wieder zu erneuen, die ich von Zeit zu
Zeit ſchon gethan habe. Wir Deutſche verdrucken ſo unendlich viel
Papier mit Wiederholungen. Man denke z. B. an die Unzahl unſerer
Blumenleſen, die ſich zu einem förmlichen, anſtändigen Nachdruckgeſchäft
organiſirt haben. Man denke an die Unzahl von Ueberſetzungen Aus¬
ländiſcher Romane. Warum drucken wir nicht von Schmidt ſeine Ar¬
beit über Calderon, ſeine noch auf lange wichtige, weil poſitiv ergänzende
Kritik von Dunlops history of the fiction, ſeine Arbeit über das De¬
camerone, ſeine Beiträge zur Geſchichte der romantiſchen Literatur,
einmal in Einem Band zuſammen? Wie dankbar würden dafür
alle ſein, die Literatur ſtudiren. Ich weiß aus Erfahrung, wie
ſchwer es hält, ſich aus den Wiener Jahrbüchern die betreffenden
Hefte zu verſchaffen. Nur die Beiträge ſind als ein einzelnes
Bändchen gedruckt. Die Kritik Dunlops läuft durch vier Hefte der
Wiener Jahrbücher. Die Arbeit über Calderon ſteht ſogar nur im
Intelligenzblatt derſelben.
(55) S. 254. Henneberger, das Deutſche Drama, S. 8.:
„Der Dichter könnte vielleicht antworten, daß Griſeldis durch ihre Zu¬
rückweiſung Parzivals, als ſie erfährt, es ſei Alles nur zum Spiel
geweſen, das Gegengewicht in die Wagſchaale werfe.“ Aber — „iſt
denn das, was uns hier für Liebe verkauft wird, wirklich die wahre
Liebe des Weibes? Können wir vergeſſen, daß eine ſolche das Recht
der eigenen Perſönlichkeit, ja bis auf einen gewiſſen Grad die Würde
des Menſchen aufgebende Hingebung eher an die inſtinctive Anhänglich¬
keit des Thiers, als an die freie Liebe anſtreift, die dem Liebenden das
Gefühl der eigenen Würde noch erhöhen muß?“
(56) S. 255. Hotho in ſeiner Geſchichte der Deutſchen und
Niederländiſchen Malerei S. 160. ff. unterſcheidet von Eyk zu I. Boſch,
von Boſch zu Schongawer (Martin Schön) einen Fortgang. S. 212.:
„In ſeinen heraufgeputzten Henkern, ſeinen muthwillig fletſchenden
Knaben und geißelnden Knechten beweiſt Martin Schön ein volles
naturgetreues Studium. Er ſteigert nur häufig die beobachteten
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/475>, abgerufen am 24.11.2024.
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