Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

"Je comprends, dit le Chourineur".

Weiter sagt E. Sue: "Par une anomalie etrange (ja wohl!)
les, traits de la Goualeuse offrent un de ces types angeliques et can¬
dides, conservent leur idealite meme au milieu de la depravation,
comme si la creature etait impuissante a effacer par ses vices la
noble empreinte
, que Dieu a mise au front de quelques etres pri-
vilegies"
.

Diese Art der Sophistik in den Mysteres de Paris verdiente die
schonunglose Kritik, welche Paulin Limeyrac ihnen in der Revue des
deux Mondes
1844, I., p. 74. ff. angedeihen ließ. Die ästhetische
Kritik dieses für den Begriff des Häßlichen in seiner carikirenden Manier
so wichtigen Romans ist noch schärfer gegeben in Schweglers Jahr¬
büchern der Gegenwart 1844, S. 655. ff. In demselben Jahrgang
ist aber auch von W. Zimmermann S. 199 -- 219, die culturhisto¬
rische Bedeutsamkeit dieses Romans vertheidigt.

(24) S. 109. A. Hennenberger: das Deutsche Drama
der Gegenwart, 1853, S. 64. ff. Diese kleine Schrift ist eine der
vernünftigsten, unparteischsten, gehaltreichsten, die wir über den frag¬
lichen Gegenstand besitzen.

(25) S. 121. Man vergleiche die Sammlung von Seroux
d' Agincourt, Malerei I., Taf. 40 ff.

(26) S. 122. Diese Statue befindet sich jetzt im Museum
von Nimes. Die Gestalt hat viel Einschmeichelndes. Von ihr konnte
und durfte die Französische Kritik sagen: C'est la grace elle meme,
et la vie, et la jeunesse, et le rhythme-dansant. Wir tadeln aber
den Kopf oder vielmehr Kinn und Augen.

(27) S. 128, Gervinus Shakespeare, IV., 1850, S. 36.:
"Auch heute noch müssen wir die Wahrheit dieser Auffassung anerkennen,
die selbst durch die oft wiederholte Ausstellung nicht angefochten wird, es
habe Shakespeare aus dem Römischen Volke Englische Bürger und
Handwerker gemacht; da die Massen in Bewegung sich überall, vollends
in zwei so staatsverwandten Völkern, gleich sind, so ist dieser Tadel
vielmehr nur ein Lob. Wir mögen es nicht im wörtlichsten Sinn ge¬
rade nachsprechen, was man auf der andern Seite rühmend gesagt
hat, daß in diesen Stücken der Charakter, die Schicksale, die Vater¬
landsliebe, der Kriegsruhm, die ächte Gesinnung, das öffentliche Leben
der ewigen Stadt wieder aufgelebt sei; aber wahr ist es, daß die treue
Herübernahme und lebendige Verarbeitung des Wenigen, was Shakespeare
zur Charakterisirung des Römischen Lebens im Plutarch erbeuten konnte,
mehr werth ist, als die genaueste Zeitschilderung aus den angestreng¬
testen antiquarischen Studien".

„Je comprends, dit le Chourineur“.

Weiter ſagt E. Sue: „Par une anomalie étrange (ja wohl!)
les, traits de la Goualeuse offrent un de ces types angéliques et can¬
dides, conservent leur idealité même au milieu de la dèpravation,
comme si la créature était impuissante à effacer par ses vices la
noble empreinte
, que Dieu a mise au front de quelques êtres pri-
vilégiés“
.

Dieſe Art der Sophiſtik in den Mystères de Paris verdiente die
ſchonungloſe Kritik, welche Paulin Limeyrac ihnen in der Revue des
deux Mondes
1844, I., p. 74. ff. angedeihen ließ. Die äſthetiſche
Kritik dieſes für den Begriff des Häßlichen in ſeiner carikirenden Manier
ſo wichtigen Romans iſt noch ſchärfer gegeben in Schweglers Jahr¬
büchern der Gegenwart 1844, S. 655. ff. In demſelben Jahrgang
iſt aber auch von W. Zimmermann S. 199 — 219, die culturhiſto¬
riſche Bedeutſamkeit dieſes Romans vertheidigt.

(24) S. 109. A. Hennenberger: das Deutſche Drama
der Gegenwart, 1853, S. 64. ff. Dieſe kleine Schrift iſt eine der
vernünftigſten, unparteiſchſten, gehaltreichſten, die wir über den frag¬
lichen Gegenſtand beſitzen.

(25) S. 121. Man vergleiche die Sammlung von Seroux
d’ Agincourt, Malerei I., Taf. 40 ff.

(26) S. 122. Dieſe Statue befindet ſich jetzt im Muſeum
von Nimes. Die Geſtalt hat viel Einſchmeichelndes. Von ihr konnte
und durfte die Franzöſiſche Kritik ſagen: C'est la grâce elle même,
et la vie, et la jeunesse, et le rhythme-dansant. Wir tadeln aber
den Kopf oder vielmehr Kinn und Augen.

(27) S. 128, Gervinus Shakeſpeare, IV., 1850, S. 36.:
„Auch heute noch müſſen wir die Wahrheit dieſer Auffaſſung anerkennen,
die ſelbſt durch die oft wiederholte Ausſtellung nicht angefochten wird, es
habe Shakeſpeare aus dem Römiſchen Volke Engliſche Bürger und
Handwerker gemacht; da die Maſſen in Bewegung ſich überall, vollends
in zwei ſo ſtaatsverwandten Völkern, gleich ſind, ſo iſt dieſer Tadel
vielmehr nur ein Lob. Wir mögen es nicht im wörtlichſten Sinn ge¬
rade nachſprechen, was man auf der andern Seite rühmend geſagt
hat, daß in dieſen Stücken der Charakter, die Schickſale, die Vater¬
landsliebe, der Kriegsruhm, die ächte Geſinnung, das öffentliche Leben
der ewigen Stadt wieder aufgelebt ſei; aber wahr iſt es, daß die treue
Herübernahme und lebendige Verarbeitung des Wenigen, was Shakeſpeare
zur Charakteriſirung des Römiſchen Lebens im Plutarch erbeuten konnte,
mehr werth iſt, als die genaueſte Zeitſchilderung aus den angeſtreng¬
teſten antiquariſchen Studien“.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0466" n="444"/>
        <p> <hi rendition="#aq">&#x201E;Je comprends, dit le Chourineur&#x201C;.</hi> </p><lb/>
        <p>Weiter &#x017F;agt E. <hi rendition="#g">Sue</hi>: <hi rendition="#aq">&#x201E;Par une anomalie étrange</hi> (ja wohl!)<lb/><hi rendition="#aq">les</hi>, <hi rendition="#aq">traits de la Goualeuse offrent un de ces types angéliques et can</hi>¬<lb/><hi rendition="#aq">dides</hi>, <hi rendition="#aq">conservent leur idealité même au milieu de la dèpravation</hi>,<lb/><hi rendition="#aq">comme si la créature était impuissante à effacer par ses vices la<lb/>
noble empreinte</hi>, <hi rendition="#aq">que Dieu a mise au front de quelques êtres pri-<lb/>
vilégiés&#x201C;</hi>.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Art der Sophi&#x017F;tik in den <hi rendition="#aq">Mystères de Paris</hi> verdiente die<lb/>
&#x017F;chonunglo&#x017F;e Kritik, welche Paulin <hi rendition="#g">Limeyrac</hi> ihnen in der <hi rendition="#aq">Revue des<lb/>
deux Mondes</hi> 1844, <hi rendition="#aq">I</hi>., <hi rendition="#aq">p</hi>. 74. <hi rendition="#aq">ff</hi>. angedeihen ließ. Die ä&#x017F;theti&#x017F;che<lb/>
Kritik die&#x017F;es für den Begriff des Häßlichen in &#x017F;einer carikirenden Manier<lb/>
&#x017F;o wichtigen Romans i&#x017F;t noch &#x017F;chärfer gegeben in <hi rendition="#g">Schweglers</hi> Jahr¬<lb/>
büchern der Gegenwart 1844, S. 655. ff. In dem&#x017F;elben Jahrgang<lb/>
i&#x017F;t aber auch von W. <hi rendition="#g">Zimmermann</hi> S. 199 &#x2014; 219, die culturhi&#x017F;to¬<lb/>
ri&#x017F;che Bedeut&#x017F;amkeit die&#x017F;es Romans vertheidigt.</p><lb/>
        <p>(24) S. 109. A. <hi rendition="#g">Hennenberger</hi>: das Deut&#x017F;che Drama<lb/>
der Gegenwart, 1853, S. 64. ff. Die&#x017F;e kleine Schrift i&#x017F;t eine der<lb/>
vernünftig&#x017F;ten, unpartei&#x017F;ch&#x017F;ten, gehaltreich&#x017F;ten, die wir über den frag¬<lb/>
lichen Gegen&#x017F;tand be&#x017F;itzen.</p><lb/>
        <p>(25) S. 121. Man vergleiche die Sammlung von <hi rendition="#aq">Seroux</hi><lb/>
d&#x2019; <hi rendition="#aq #g">Agincourt</hi>, <hi rendition="#aq">Malerei I</hi>., <hi rendition="#aq">Taf</hi>. 40 <hi rendition="#aq">ff.</hi></p><lb/>
        <p>(26) S. 122. Die&#x017F;e Statue befindet &#x017F;ich jetzt im Mu&#x017F;eum<lb/>
von Nimes. Die Ge&#x017F;talt hat viel Ein&#x017F;chmeichelndes. Von ihr konnte<lb/>
und durfte die Franzö&#x017F;i&#x017F;che Kritik &#x017F;agen: <hi rendition="#aq">C'est la grâce elle même</hi>,<lb/><hi rendition="#aq">et la vie</hi>, <hi rendition="#aq">et la jeunesse</hi>, <hi rendition="#aq">et le rhythme</hi>-<hi rendition="#aq">dansant</hi>. Wir tadeln aber<lb/>
den Kopf oder vielmehr Kinn und Augen.</p><lb/>
        <p>(27) S. 128, <hi rendition="#g">Gervinus</hi> Shake&#x017F;peare, IV., 1850, S. 36.:<lb/>
&#x201E;Auch heute noch mü&#x017F;&#x017F;en wir die Wahrheit die&#x017F;er Auffa&#x017F;&#x017F;ung anerkennen,<lb/>
die &#x017F;elb&#x017F;t durch die oft wiederholte Aus&#x017F;tellung nicht angefochten wird, es<lb/>
habe Shake&#x017F;peare aus dem Römi&#x017F;chen Volke Engli&#x017F;che Bürger und<lb/>
Handwerker gemacht; da die Ma&#x017F;&#x017F;en in Bewegung &#x017F;ich überall, vollends<lb/>
in zwei &#x017F;o &#x017F;taatsverwandten Völkern, gleich &#x017F;ind, &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;er Tadel<lb/>
vielmehr nur ein Lob. Wir mögen es nicht im wörtlich&#x017F;ten Sinn ge¬<lb/>
rade nach&#x017F;prechen, was man auf der andern Seite rühmend ge&#x017F;agt<lb/>
hat, daß in die&#x017F;en Stücken der Charakter, die Schick&#x017F;ale, die Vater¬<lb/>
landsliebe, der Kriegsruhm, die ächte Ge&#x017F;innung, das öffentliche Leben<lb/>
der ewigen Stadt wieder aufgelebt &#x017F;ei; aber wahr i&#x017F;t es, daß die treue<lb/>
Herübernahme und lebendige Verarbeitung des Wenigen, was Shake&#x017F;peare<lb/>
zur Charakteri&#x017F;irung des Römi&#x017F;chen Lebens im Plutarch erbeuten konnte,<lb/>
mehr werth i&#x017F;t, als die <choice><sic>geuaue&#x017F;te</sic><corr>genaue&#x017F;te</corr></choice> Zeit&#x017F;childerung aus den ange&#x017F;treng¬<lb/>
te&#x017F;ten antiquari&#x017F;chen Studien&#x201C;.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0466] „Je comprends, dit le Chourineur“. Weiter ſagt E. Sue: „Par une anomalie étrange (ja wohl!) les, traits de la Goualeuse offrent un de ces types angéliques et can¬ dides, conservent leur idealité même au milieu de la dèpravation, comme si la créature était impuissante à effacer par ses vices la noble empreinte, que Dieu a mise au front de quelques êtres pri- vilégiés“. Dieſe Art der Sophiſtik in den Mystères de Paris verdiente die ſchonungloſe Kritik, welche Paulin Limeyrac ihnen in der Revue des deux Mondes 1844, I., p. 74. ff. angedeihen ließ. Die äſthetiſche Kritik dieſes für den Begriff des Häßlichen in ſeiner carikirenden Manier ſo wichtigen Romans iſt noch ſchärfer gegeben in Schweglers Jahr¬ büchern der Gegenwart 1844, S. 655. ff. In demſelben Jahrgang iſt aber auch von W. Zimmermann S. 199 — 219, die culturhiſto¬ riſche Bedeutſamkeit dieſes Romans vertheidigt. (24) S. 109. A. Hennenberger: das Deutſche Drama der Gegenwart, 1853, S. 64. ff. Dieſe kleine Schrift iſt eine der vernünftigſten, unparteiſchſten, gehaltreichſten, die wir über den frag¬ lichen Gegenſtand beſitzen. (25) S. 121. Man vergleiche die Sammlung von Seroux d’ Agincourt, Malerei I., Taf. 40 ff. (26) S. 122. Dieſe Statue befindet ſich jetzt im Muſeum von Nimes. Die Geſtalt hat viel Einſchmeichelndes. Von ihr konnte und durfte die Franzöſiſche Kritik ſagen: C'est la grâce elle même, et la vie, et la jeunesse, et le rhythme-dansant. Wir tadeln aber den Kopf oder vielmehr Kinn und Augen. (27) S. 128, Gervinus Shakeſpeare, IV., 1850, S. 36.: „Auch heute noch müſſen wir die Wahrheit dieſer Auffaſſung anerkennen, die ſelbſt durch die oft wiederholte Ausſtellung nicht angefochten wird, es habe Shakeſpeare aus dem Römiſchen Volke Engliſche Bürger und Handwerker gemacht; da die Maſſen in Bewegung ſich überall, vollends in zwei ſo ſtaatsverwandten Völkern, gleich ſind, ſo iſt dieſer Tadel vielmehr nur ein Lob. Wir mögen es nicht im wörtlichſten Sinn ge¬ rade nachſprechen, was man auf der andern Seite rühmend geſagt hat, daß in dieſen Stücken der Charakter, die Schickſale, die Vater¬ landsliebe, der Kriegsruhm, die ächte Geſinnung, das öffentliche Leben der ewigen Stadt wieder aufgelebt ſei; aber wahr iſt es, daß die treue Herübernahme und lebendige Verarbeitung des Wenigen, was Shakeſpeare zur Charakteriſirung des Römiſchen Lebens im Plutarch erbeuten konnte, mehr werth iſt, als die genaueſte Zeitſchilderung aus den angeſtreng¬ teſten antiquariſchen Studien“.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/466
Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/466>, abgerufen am 18.12.2024.