ihm Labruyere, dann Rabener sie geschildert haben und wie sie den Inhalt des von Menandros und Diphilos begründeten Lustspiels ausmachen.
Von solchen Zuständen haben wir die Handlungen zu unterscheiden. Sie machen den Inhalt der eigentlich histo¬ rischen Caricatur aus, welche die Widersprüche satirisirt, die in dem öffentlichen Handeln der Völker und Regierungen zum Vorschein kommen. Periodische Caricaturwerke, wie der Londoner Punch, der Pariser Charivari, der Berliner Kladderadatsch, werden dadurch zu Chroniken der poli¬ tischen und kirchlichen Verkehrtheiten.
Die Bildungstendenzen geben den Stoff zu vielen und oft sehr interessanten Caricaturen, und zwar in einer doppelten Weise, einmal durch Persiflirung einer Tendenz überhaupt, sodann aber durch Persiflirung der Widersprüche, die zwischen der Cultur und Uncultur, zwischen der Cultur und Hyper¬ cultur entstehen. Eine Tendenz überhaupt kann carikirt werden, sofern ihre Eigenthümlichkeit von der Satire zur Einseitigkeit beschränkt und in dieser Fixirung übertrieben wird. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß die Bil¬ dung in der Unvollkommenheit ihrer Anfänge oder in der Ueberreife ihrer Ausgänge der Verzerrung die glücklichsten Stoffe liefern wird. Die Caricaturen, die nach jener Seite hin liegen, erzeugen sich im Großen überall, wo Cultur¬ völker mit Naturvölkern sich berühren. Sie können von einem andern Gesichtspunct aus für uns oft einen sehr schmerzlichen Anblick darbieten, indem wir sehen, wie ein kräftiges, relativ schönes Dasein von der fremden Bildung ergriffen, zerstört und zu einer scheußlich lächerlichen Frazze verbildet wird. Catlin in seinen Indianern Nordamerikas (Deutsche Ausgabe von Berghaus, 1848, S. 306. ff.) gibt
Rosenkranz, Aesthetik des Häßlichen. 27
ihm Labruyère, dann Rabener ſie geſchildert haben und wie ſie den Inhalt des von Menandros und Diphilos begründeten Luſtſpiels ausmachen.
Von ſolchen Zuſtänden haben wir die Handlungen zu unterſcheiden. Sie machen den Inhalt der eigentlich hiſto¬ riſchen Caricatur aus, welche die Widerſprüche ſatiriſirt, die in dem öffentlichen Handeln der Völker und Regierungen zum Vorſchein kommen. Periodiſche Caricaturwerke, wie der Londoner Punch, der Pariſer Charivari, der Berliner Kladderadatſch, werden dadurch zu Chroniken der poli¬ tiſchen und kirchlichen Verkehrtheiten.
Die Bildungstendenzen geben den Stoff zu vielen und oft ſehr intereſſanten Caricaturen, und zwar in einer doppelten Weiſe, einmal durch Perſiflirung einer Tendenz überhaupt, ſodann aber durch Perſiflirung der Widerſprüche, die zwiſchen der Cultur und Uncultur, zwiſchen der Cultur und Hyper¬ cultur entſtehen. Eine Tendenz überhaupt kann carikirt werden, ſofern ihre Eigenthümlichkeit von der Satire zur Einſeitigkeit beſchränkt und in dieſer Fixirung übertrieben wird. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß die Bil¬ dung in der Unvollkommenheit ihrer Anfänge oder in der Ueberreife ihrer Ausgänge der Verzerrung die glücklichſten Stoffe liefern wird. Die Caricaturen, die nach jener Seite hin liegen, erzeugen ſich im Großen überall, wo Cultur¬ völker mit Naturvölkern ſich berühren. Sie können von einem andern Geſichtspunct aus für uns oft einen ſehr ſchmerzlichen Anblick darbieten, indem wir ſehen, wie ein kräftiges, relativ ſchönes Daſein von der fremden Bildung ergriffen, zerſtört und zu einer ſcheußlich lächerlichen Frazze verbildet wird. Catlin in ſeinen Indianern Nordamerikas (Deutſche Ausgabe von Berghaus, 1848, S. 306. ff.) gibt
Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 27
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ihm Labruy è re, dann Rabener ſie geſchildert haben und
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begründeten Luſtſpiels ausmachen.
Von ſolchen Zuſtänden haben wir die Handlungen zu
unterſcheiden. Sie machen den Inhalt der eigentlich hiſto¬
riſchen Caricatur aus, welche die Widerſprüche ſatiriſirt,
die in dem öffentlichen Handeln der Völker und Regierungen
zum Vorſchein kommen. Periodiſche Caricaturwerke, wie der
Londoner Punch, der Pariſer Charivari, der Berliner
Kladderadatſch, werden dadurch zu Chroniken der poli¬
tiſchen und kirchlichen Verkehrtheiten.
Die Bildungstendenzen geben den Stoff zu vielen und
oft ſehr intereſſanten Caricaturen, und zwar in einer doppelten
Weiſe, einmal durch Perſiflirung einer Tendenz überhaupt,
ſodann aber durch Perſiflirung der Widerſprüche, die zwiſchen
der Cultur und Uncultur, zwiſchen der Cultur und Hyper¬
cultur entſtehen. Eine Tendenz überhaupt kann carikirt
werden, ſofern ihre Eigenthümlichkeit von der Satire zur
Einſeitigkeit beſchränkt und in dieſer Fixirung übertrieben
wird. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß die Bil¬
dung in der Unvollkommenheit ihrer Anfänge oder in der
Ueberreife ihrer Ausgänge der Verzerrung die glücklichſten
Stoffe liefern wird. Die Caricaturen, die nach jener Seite
hin liegen, erzeugen ſich im Großen überall, wo Cultur¬
völker mit Naturvölkern ſich berühren. Sie können von
einem andern Geſichtspunct aus für uns oft einen ſehr
ſchmerzlichen Anblick darbieten, indem wir ſehen, wie ein
kräftiges, relativ ſchönes Daſein von der fremden Bildung
ergriffen, zerſtört und zu einer ſcheußlich lächerlichen Frazze
verbildet wird. Catlin in ſeinen Indianern Nordamerikas
(Deutſche Ausgabe von Berghaus, 1848, S. 306. ff.) gibt
Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 27
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/439>, abgerufen am 22.11.2024.
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