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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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satirischen Caricatur auf die kaiserliche Familie und nebenbei
auf Virgilius, wie Raoul Rochette im Musee secret de
Pompei, p
. 223 -- 26. sie versucht, scheint uns zu weit
hergeholt. Warum soll nicht der pius Aeneas als solcher
schon dem Spott erlegen sein, da ja die Alten in solchen
Bildern auch der Götter nicht schonten!" Die Sculptur des
Mittelalters hat in den Kirchen eine Menge ähnlicher Frazzen
zur Verspottung der Juden und der Pfaffen angebracht.
In der Wolfs- und Fuchsfabel hat die Poesie die Parodi¬
rung des Weltlaufs durch die Thierform zu einem univer¬
sellen Bilde zusammengefaßt, das in unsern Tagen durch
Kaulbachs Genie von Seiten der Malerei nicht blos illustrirt
sondern intensiv fortgedichtet ist. Er hat die Thiere eben so
naturtreu als menschlich wahr gezeichnet und dabei einen be¬
wundernswürdigen Humor entwickelt, der in selbstständigen
Erfindungen hervortritt. Wie köstlich ist nicht das große
Bankett, wo der Elephant eine Flasche Champagner in seinen
Rachen gießt! Wie köstlich das Stillleben der königlichen
Familie, wo die Löwenmutter im Bett liegt, der König
Nobel mit der Brille auf der Nase sorglich umhergeht und
der kleine Kronprinz eben auf dem Nachttopf sitzt! Bei
den Franzosen hat Grandville in dieser Gattung durch
seine politischen Thiere und durch seine Illustrationen
zu Lafontaine's Fabeln ganz Außerordentliches geleistet.
Seine Kunst, menschliche Gestalt und Kleidung mit der
Thierform zu verschmelzen, ist unnachahmlich. Er malt
z. B. zwei Hähne als Bauern, die auf einander losknuffen,
aber doch bleiben die Bauern Hähne, indem er den Figuren
Hahnenköpfe aufsetzt und Sporen anschnallt.

Ein anderes, nicht weniger wirksames Mittel der pa¬
rodischen Carikirung sind seit jeher die Marionetten ge¬

ſatiriſchen Caricatur auf die kaiſerliche Familie und nebenbei
auf Virgilius, wie Raoul Rochette im Musée secret de
Pompéi, p
. 223 — 26. ſie verſucht, ſcheint uns zu weit
hergeholt. Warum ſoll nicht der pius Aeneas als ſolcher
ſchon dem Spott erlegen ſein, da ja die Alten in ſolchen
Bildern auch der Götter nicht ſchonten!“ Die Sculptur des
Mittelalters hat in den Kirchen eine Menge ähnlicher Frazzen
zur Verſpottung der Juden und der Pfaffen angebracht.
In der Wolfs- und Fuchsfabel hat die Poeſie die Parodi¬
rung des Weltlaufs durch die Thierform zu einem univer¬
ſellen Bilde zuſammengefaßt, das in unſern Tagen durch
Kaulbachs Genie von Seiten der Malerei nicht blos illuſtrirt
ſondern intenſiv fortgedichtet iſt. Er hat die Thiere eben ſo
naturtreu als menſchlich wahr gezeichnet und dabei einen be¬
wundernswürdigen Humor entwickelt, der in ſelbſtſtändigen
Erfindungen hervortritt. Wie köſtlich iſt nicht das große
Bankett, wo der Elephant eine Flaſche Champagner in ſeinen
Rachen gießt! Wie köſtlich das Stillleben der königlichen
Familie, wo die Löwenmutter im Bett liegt, der König
Nobel mit der Brille auf der Naſe ſorglich umhergeht und
der kleine Kronprinz eben auf dem Nachttopf ſitzt! Bei
den Franzoſen hat Grandville in dieſer Gattung durch
ſeine politiſchen Thiere und durch ſeine Illuſtrationen
zu Lafontaine's Fabeln ganz Außerordentliches geleiſtet.
Seine Kunſt, menſchliche Geſtalt und Kleidung mit der
Thierform zu verſchmelzen, iſt unnachahmlich. Er malt
z. B. zwei Hähne als Bauern, die auf einander losknuffen,
aber doch bleiben die Bauern Hähne, indem er den Figuren
Hahnenköpfe aufſetzt und Sporen anſchnallt.

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rodiſchen Carikirung ſind ſeit jeher die Marionetten ge¬

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[398/0420] ſatiriſchen Caricatur auf die kaiſerliche Familie und nebenbei auf Virgilius, wie Raoul Rochette im Musée secret de Pompéi, p. 223 — 26. ſie verſucht, ſcheint uns zu weit hergeholt. Warum ſoll nicht der pius Aeneas als ſolcher ſchon dem Spott erlegen ſein, da ja die Alten in ſolchen Bildern auch der Götter nicht ſchonten!“ Die Sculptur des Mittelalters hat in den Kirchen eine Menge ähnlicher Frazzen zur Verſpottung der Juden und der Pfaffen angebracht. In der Wolfs- und Fuchsfabel hat die Poeſie die Parodi¬ rung des Weltlaufs durch die Thierform zu einem univer¬ ſellen Bilde zuſammengefaßt, das in unſern Tagen durch Kaulbachs Genie von Seiten der Malerei nicht blos illuſtrirt ſondern intenſiv fortgedichtet iſt. Er hat die Thiere eben ſo naturtreu als menſchlich wahr gezeichnet und dabei einen be¬ wundernswürdigen Humor entwickelt, der in ſelbſtſtändigen Erfindungen hervortritt. Wie köſtlich iſt nicht das große Bankett, wo der Elephant eine Flaſche Champagner in ſeinen Rachen gießt! Wie köſtlich das Stillleben der königlichen Familie, wo die Löwenmutter im Bett liegt, der König Nobel mit der Brille auf der Naſe ſorglich umhergeht und der kleine Kronprinz eben auf dem Nachttopf ſitzt! Bei den Franzoſen hat Grandville in dieſer Gattung durch ſeine politiſchen Thiere und durch ſeine Illuſtrationen zu Lafontaine's Fabeln ganz Außerordentliches geleiſtet. Seine Kunſt, menſchliche Geſtalt und Kleidung mit der Thierform zu verſchmelzen, iſt unnachahmlich. Er malt z. B. zwei Hähne als Bauern, die auf einander losknuffen, aber doch bleiben die Bauern Hähne, indem er den Figuren Hahnenköpfe aufſetzt und Sporen anſchnallt. Ein anderes, nicht weniger wirkſames Mittel der pa¬ rodiſchen Carikirung ſind ſeit jeher die Marionetten ge¬

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/420>, abgerufen am 22.11.2024.