Eben deshalb aber wird nun hier auch die Häßlichkeit in viel bestimmterer Weise möglich. Es ist Aufgabe der besondern Betrachtung des Naturschönen, den Gang der Natur in dieser Hinsicht zu verfolgen. Wir können uns hier nicht speciell darauf einlassen und verweisen auf die trefflichen Arbeiten von Bernardin St. Pierre, von Oerstedt und von Vischer (5). Im Allgemeinen erhebt sich die Eu¬ rythmie, Symmetrie und Harmonie der Form in der Natur von den einfachen krystallinischen Gebilden durch den Kampf der geraden und krummen Linie des Pflanzenreichs bis zu den zahllosen Gestaltungen der Thierwelt, in welcher mit tausendfältigen Schwingungen und Verschmelzungen die Curve siegreich wird; ein Fortgang, der zugleich eine unendliche Metamorphose und Gradation des Colorits involvirt.
Die einzelnen Krystalle, für sich genommen, sind schön. Im Aggregatzustand mit andern gemengt erscheinen sie oft in phantastischer Combination, wie man in Schmidt's Mineralienbuche an schönen Exemplaren sehen kann (6).
Die großen Maßenaggregate auf der Erdoberfläche sind von den mannigfaltigsten oft indefinissablesten Formen. Berge können schön aussehen, wenn sie in sanftgeschwungenen, reinen Linien sich hinstrecken; erhaben, wenn sie als wall¬ artige Mauerkolosse, als himmelstürmende Riesenkegel sich emporthürmen; häßlich, wenn sie das Auge in wüster Zer¬ klüftung und charakterlosem Gewirr zerstreuen; komisch, wenn sie mit bizarren und grotesken Ausschweifungen die Phan¬ tasie necken. In der unmittelbaren Wirklichkeit gewinnen diese Formen durch die Beleuchtung noch eigenthümliche Reize. Wie wird durch das Mondlicht die Wunderlichkeit der Au-ma-tu oder fünf Pferdsköpfe, der Boheatheehügel, der Tsi-Tsin oder Siebensternberge in China gesteigert (7).
Eben deshalb aber wird nun hier auch die Häßlichkeit in viel beſtimmterer Weiſe möglich. Es iſt Aufgabe der beſondern Betrachtung des Naturſchönen, den Gang der Natur in dieſer Hinſicht zu verfolgen. Wir können uns hier nicht ſpeciell darauf einlaſſen und verweiſen auf die trefflichen Arbeiten von Bernardin St. Pierre, von Oerſtedt und von Viſcher (5). Im Allgemeinen erhebt ſich die Eu¬ rythmie, Symmetrie und Harmonie der Form in der Natur von den einfachen kryſtalliniſchen Gebilden durch den Kampf der geraden und krummen Linie des Pflanzenreichs bis zu den zahlloſen Geſtaltungen der Thierwelt, in welcher mit tauſendfältigen Schwingungen und Verſchmelzungen die Curve ſiegreich wird; ein Fortgang, der zugleich eine unendliche Metamorphoſe und Gradation des Colorits involvirt.
Die einzelnen Kryſtalle, für ſich genommen, ſind ſchön. Im Aggregatzuſtand mit andern gemengt erſcheinen ſie oft in phantaſtiſcher Combination, wie man in Schmidt's Mineralienbuche an ſchönen Exemplaren ſehen kann (6).
Die großen Maßenaggregate auf der Erdoberfläche ſind von den mannigfaltigſten oft indefiniſſableſten Formen. Berge können ſchön ausſehen, wenn ſie in ſanftgeſchwungenen, reinen Linien ſich hinſtrecken; erhaben, wenn ſie als wall¬ artige Mauerkoloſſe, als himmelſtürmende Rieſenkegel ſich emporthürmen; häßlich, wenn ſie das Auge in wüſter Zer¬ klüftung und charakterloſem Gewirr zerſtreuen; komiſch, wenn ſie mit bizarren und grotesken Ausſchweifungen die Phan¬ taſie necken. In der unmittelbaren Wirklichkeit gewinnen dieſe Formen durch die Beleuchtung noch eigenthümliche Reize. Wie wird durch das Mondlicht die Wunderlichkeit der Au-ma-tu oder fünf Pferdsköpfe, der Boheatheehügel, der Tſi-Tſin oder Siebenſternberge in China geſteigert (7).
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0040"n="18"/>
Eben deshalb aber wird nun hier auch die Häßlichkeit in viel<lb/>
beſtimmterer Weiſe möglich. Es iſt Aufgabe der beſondern<lb/>
Betrachtung des Naturſchönen, den Gang der Natur in<lb/>
dieſer Hinſicht zu verfolgen. Wir können uns hier nicht<lb/>ſpeciell darauf einlaſſen und verweiſen auf die trefflichen<lb/>
Arbeiten von <hirendition="#g">Bernardin St</hi>. <hirendition="#g">Pierre</hi>, von <hirendition="#g">Oerſtedt</hi><lb/>
und von <hirendition="#g">Viſcher</hi> (5). Im Allgemeinen erhebt ſich die Eu¬<lb/>
rythmie, Symmetrie und Harmonie der Form in der Natur<lb/>
von den einfachen kryſtalliniſchen Gebilden durch den Kampf<lb/>
der geraden und krummen Linie des Pflanzenreichs bis zu<lb/>
den zahlloſen Geſtaltungen der Thierwelt, in welcher mit<lb/>
tauſendfältigen Schwingungen und Verſchmelzungen die Curve<lb/>ſiegreich wird; ein Fortgang, der zugleich eine unendliche<lb/>
Metamorphoſe und Gradation des Colorits involvirt.</p><lb/><p>Die einzelnen Kryſtalle, für ſich genommen, ſind ſchön.<lb/>
Im Aggregatzuſtand mit andern gemengt erſcheinen ſie oft<lb/>
in phantaſtiſcher Combination, wie man in <hirendition="#g">Schmidt's</hi><lb/>
Mineralienbuche an ſchönen Exemplaren ſehen kann (6).</p><lb/><p>Die großen Maßenaggregate auf der Erdoberfläche ſind<lb/>
von den mannigfaltigſten oft indefiniſſableſten Formen. Berge<lb/>
können ſchön ausſehen, wenn ſie in ſanftgeſchwungenen,<lb/>
reinen Linien ſich hinſtrecken; erhaben, wenn ſie als wall¬<lb/>
artige Mauerkoloſſe, als himmelſtürmende Rieſenkegel ſich<lb/>
emporthürmen; häßlich, wenn ſie das Auge in wüſter Zer¬<lb/>
klüftung und charakterloſem Gewirr zerſtreuen; komiſch, wenn<lb/>ſie mit bizarren und grotesken Ausſchweifungen die Phan¬<lb/>
taſie necken. In der unmittelbaren Wirklichkeit gewinnen<lb/>
dieſe Formen durch die Beleuchtung noch eigenthümliche<lb/>
Reize. Wie wird durch das Mondlicht die Wunderlichkeit<lb/>
der Au-ma-tu oder fünf Pferdsköpfe, der Boheatheehügel,<lb/>
der Tſi-Tſin oder Siebenſternberge in China geſteigert (7).<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[18/0040]
Eben deshalb aber wird nun hier auch die Häßlichkeit in viel
beſtimmterer Weiſe möglich. Es iſt Aufgabe der beſondern
Betrachtung des Naturſchönen, den Gang der Natur in
dieſer Hinſicht zu verfolgen. Wir können uns hier nicht
ſpeciell darauf einlaſſen und verweiſen auf die trefflichen
Arbeiten von Bernardin St. Pierre, von Oerſtedt
und von Viſcher (5). Im Allgemeinen erhebt ſich die Eu¬
rythmie, Symmetrie und Harmonie der Form in der Natur
von den einfachen kryſtalliniſchen Gebilden durch den Kampf
der geraden und krummen Linie des Pflanzenreichs bis zu
den zahlloſen Geſtaltungen der Thierwelt, in welcher mit
tauſendfältigen Schwingungen und Verſchmelzungen die Curve
ſiegreich wird; ein Fortgang, der zugleich eine unendliche
Metamorphoſe und Gradation des Colorits involvirt.
Die einzelnen Kryſtalle, für ſich genommen, ſind ſchön.
Im Aggregatzuſtand mit andern gemengt erſcheinen ſie oft
in phantaſtiſcher Combination, wie man in Schmidt's
Mineralienbuche an ſchönen Exemplaren ſehen kann (6).
Die großen Maßenaggregate auf der Erdoberfläche ſind
von den mannigfaltigſten oft indefiniſſableſten Formen. Berge
können ſchön ausſehen, wenn ſie in ſanftgeſchwungenen,
reinen Linien ſich hinſtrecken; erhaben, wenn ſie als wall¬
artige Mauerkoloſſe, als himmelſtürmende Rieſenkegel ſich
emporthürmen; häßlich, wenn ſie das Auge in wüſter Zer¬
klüftung und charakterloſem Gewirr zerſtreuen; komiſch, wenn
ſie mit bizarren und grotesken Ausſchweifungen die Phan¬
taſie necken. In der unmittelbaren Wirklichkeit gewinnen
dieſe Formen durch die Beleuchtung noch eigenthümliche
Reize. Wie wird durch das Mondlicht die Wunderlichkeit
der Au-ma-tu oder fünf Pferdsköpfe, der Boheatheehügel,
der Tſi-Tſin oder Siebenſternberge in China geſteigert (7).
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/40>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.