Schütz' Euch Gott vor Ueberhitzung, Allzustarke Herzensklopfung, Allzuriechbarliche Schwitzung, Und vor Magenüberstopfung.
Dreck und Koth sind ästhetisch ekelhaft. Wenn der Kaiser Claudius sterbend ausrief: Vae! puto concacavi me! so ist hiermit all seine kaiserliche Majestät vernichtet. Wenn Jordan in seinem Demiurgos, 1852, S. 237 die Trennung Heinrichs von Helenen dadurch motivirt, daß er seine Frau einmal auf dem Abtritt angetroffen, so ist das so grenzenlos ekelhaft, gemein, schamlos, daß man kaum begreift, wie ein unstreitig höchst vielseitig gebildeter Dichter so geschmacklos werden kann, wenn er auch den Lucifer über diese überfeine Delicatesse hell auflachen läßt. Dies Myste¬ rium ist überhaupt mit cynischen Manifestationen der grellsten Art bedacht; wir wollen jedoch der Versuchung, weitere Beispiele des Ekelhaften aus ihm zu entnehmen, Wider¬ stand leisten. Die Derbheit der Sprache des Volkes liebt den Koth freilich als ultima ratio im Schimpfen, die abso¬ lute Nullität von etwas auszudrücken und das Maximum seines Abscheues zu bezeichnen, in der Weise etwa, wie auch Göthe das Ignoriren seiner Gegner in den Xenien ent¬ schuldigt:
Sage mir von deinen Gegnern, warum willst du gar nichts wissen? --
Sage mir, ob du dahin trittst, wo man in den Weg g -- -- -- ?
Die Poesie aber kann nur für die grotteske Komik einen Gebrauch davon machen, wie wir schon früher den Blepyros in den Ekklesiazusen des Aristophanes als ein solches Bei¬ spiel citirt haben oder wie Hr. Hoffmann in einer Aristo¬ phanisirenden Komödie: die Mondzügler, 1843, der Dia¬
Schütz' Euch Gott vor Ueberhitzung, Allzuſtarke Herzensklopfung, Allzuriechbarliche Schwitzung, Und vor Magenüberſtopfung.
Dreck und Koth ſind äſthetiſch ekelhaft. Wenn der Kaiſer Claudius ſterbend ausrief: Vae! puto concacavi me! ſo iſt hiermit all ſeine kaiſerliche Majeſtät vernichtet. Wenn Jordan in ſeinem Demiurgos, 1852, S. 237 die Trennung Heinrichs von Helenen dadurch motivirt, daß er ſeine Frau einmal auf dem Abtritt angetroffen, ſo iſt das ſo grenzenlos ekelhaft, gemein, ſchamlos, daß man kaum begreift, wie ein unſtreitig höchſt vielſeitig gebildeter Dichter ſo geſchmacklos werden kann, wenn er auch den Lucifer über dieſe überfeine Delicateſſe hell auflachen läßt. Dies Myſte¬ rium iſt überhaupt mit cyniſchen Manifeſtationen der grellſten Art bedacht; wir wollen jedoch der Verſuchung, weitere Beiſpiele des Ekelhaften aus ihm zu entnehmen, Wider¬ ſtand leiſten. Die Derbheit der Sprache des Volkes liebt den Koth freilich als ultima ratio im Schimpfen, die abſo¬ lute Nullität von etwas auszudrücken und das Maximum ſeines Abſcheues zu bezeichnen, in der Weiſe etwa, wie auch Göthe das Ignoriren ſeiner Gegner in den Xenien ent¬ ſchuldigt:
Sage mir von deinen Gegnern, warum willſt du gar nichts wiſſen? —
Sage mir, ob du dahin trittſt, wo man in den Weg g — — — ?
Die Poeſie aber kann nur für die grotteske Komik einen Gebrauch davon machen, wie wir ſchon früher den Blepyros in den Ekkleſiazuſen des Ariſtophanes als ein ſolches Bei¬ ſpiel citirt haben oder wie Hr. Hoffmann in einer Ariſto¬ phaniſirenden Komödie: die Mondzügler, 1843, der Dia¬
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Schütz' Euch Gott vor Ueberhitzung,
Allzuſtarke Herzensklopfung,
Allzuriechbarliche Schwitzung,
Und vor Magenüberſtopfung.
Dreck und Koth ſind äſthetiſch ekelhaft. Wenn der
Kaiſer Claudius ſterbend ausrief: Vae! puto concacavi me!
ſo iſt hiermit all ſeine kaiſerliche Majeſtät vernichtet. Wenn
Jordan in ſeinem Demiurgos, 1852, S. 237 die
Trennung Heinrichs von Helenen dadurch motivirt, daß er
ſeine Frau einmal auf dem Abtritt angetroffen, ſo iſt das
ſo grenzenlos ekelhaft, gemein, ſchamlos, daß man kaum
begreift, wie ein unſtreitig höchſt vielſeitig gebildeter Dichter
ſo geſchmacklos werden kann, wenn er auch den Lucifer über
dieſe überfeine Delicateſſe hell auflachen läßt. Dies Myſte¬
rium iſt überhaupt mit cyniſchen Manifeſtationen der grellſten
Art bedacht; wir wollen jedoch der Verſuchung, weitere
Beiſpiele des Ekelhaften aus ihm zu entnehmen, Wider¬
ſtand leiſten. Die Derbheit der Sprache des Volkes liebt
den Koth freilich als ultima ratio im Schimpfen, die abſo¬
lute Nullität von etwas auszudrücken und das Maximum
ſeines Abſcheues zu bezeichnen, in der Weiſe etwa, wie auch
Göthe das Ignoriren ſeiner Gegner in den Xenien ent¬
ſchuldigt:
Sage mir von deinen Gegnern, warum willſt du gar nichts
wiſſen? —
Sage mir, ob du dahin trittſt, wo man in den Weg g — — — ?
Die Poeſie aber kann nur für die grotteske Komik einen
Gebrauch davon machen, wie wir ſchon früher den Blepyros
in den Ekkleſiazuſen des Ariſtophanes als ein ſolches Bei¬
ſpiel citirt haben oder wie Hr. Hoffmann in einer Ariſto¬
phaniſirenden Komödie: die Mondzügler, 1843, der Dia¬
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/337>, abgerufen am 23.11.2024.
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