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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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heraus den Gegensatz der Aristokratie und Demokratie in
allen ihren Formen zu vermitteln, hat zwei unserer vorzüg¬
lichsten Romane befruchtet, das Engelchen von Prutz und
die Ritter vom Geist von Gutzkow. Diese Dichter haben
ihre großen Erfolge aber nur dadurch erreicht, daß sie von
der Tendenz aus sich zum Ideal erhoben haben. Sinkt die
Tendenz dagegen zur exclusiven Parteipointe herab, so er¬
tödtet sie durch solche prosaische Absicht unfehlbar die Poesie.
Die Tendenz in diesem beschränkten Sinne hat ähnliche
Folgen, wie die Allegoristerei. Die Gestalten werden gleich
bei der Conception Opfer des Begriffs, um dessen Sieg oder
Niederlage es zu thun ist. Ferner tritt das Todtgeborene
von Inhalt und Form bei vielen Werken der Sculptur und
Malerei durch die akademische Geschultheit, durch das unfreie
Anheften an die Posen der Modelle und die Falten der
Phantome ein. Statt Kunstwerke zu werden, werden sie
blos Machwerke. Der Ausdruck solcher akademischen Gestalten
gibt das Gefühl, als verstellten sie sich nur zu ihm. Doch
auch von der Musik und Poesie läßt sich Aehnliches bemerken,
wenn blos nachahmende, an sich unproductive Mittelmäßig¬
keiten ihre Ohnmacht in unfruchtbaren, innerlich hohlen,
äußerlich hölzernen Wiederholungen der Ideen großer Vor¬
bilder prostituiren. Was bei dem Original ein Spiel des
frischen Lebens ist, wird in der Copie des Nachahmers zu
einer todten Machwerkerei, zum öden Aggregat eines sterilen
Eklekticimus. Die lebendige Erfindung entspringt aus ge¬
heimnißvollen Quellen und stürzt wie ein Bergstrom mit
Jubelgetön hervor; die Nachahmung schleicht als ein abgeleitetes
Gewässer in abgezirkelten Canälen lautlos dahin. Der Er¬
finder wird durch die Offenbarung der Idee selber begeistert;
der Nachahmer begeistert sich erst an dieser Begeisterung.

heraus den Gegenſatz der Ariſtokratie und Demokratie in
allen ihren Formen zu vermitteln, hat zwei unſerer vorzüg¬
lichſten Romane befruchtet, das Engelchen von Prutz und
die Ritter vom Geiſt von Gutzkow. Dieſe Dichter haben
ihre großen Erfolge aber nur dadurch erreicht, daß ſie von
der Tendenz aus ſich zum Ideal erhoben haben. Sinkt die
Tendenz dagegen zur excluſiven Parteipointe herab, ſo er¬
tödtet ſie durch ſolche proſaiſche Abſicht unfehlbar die Poeſie.
Die Tendenz in dieſem beſchränkten Sinne hat ähnliche
Folgen, wie die Allegoriſterei. Die Geſtalten werden gleich
bei der Conception Opfer des Begriffs, um deſſen Sieg oder
Niederlage es zu thun iſt. Ferner tritt das Todtgeborene
von Inhalt und Form bei vielen Werken der Sculptur und
Malerei durch die akademiſche Geſchultheit, durch das unfreie
Anheften an die Poſen der Modelle und die Falten der
Phantome ein. Statt Kunſtwerke zu werden, werden ſie
blos Machwerke. Der Ausdruck ſolcher akademiſchen Geſtalten
gibt das Gefühl, als verſtellten ſie ſich nur zu ihm. Doch
auch von der Muſik und Poeſie läßt ſich Aehnliches bemerken,
wenn blos nachahmende, an ſich unproductive Mittelmäßig¬
keiten ihre Ohnmacht in unfruchtbaren, innerlich hohlen,
äußerlich hölzernen Wiederholungen der Ideen großer Vor¬
bilder proſtituiren. Was bei dem Original ein Spiel des
friſchen Lebens iſt, wird in der Copie des Nachahmers zu
einer todten Machwerkerei, zum öden Aggregat eines ſterilen
Eklekticimus. Die lebendige Erfindung entſpringt aus ge¬
heimnißvollen Quellen und ſtürzt wie ein Bergſtrom mit
Jubelgetön hervor; die Nachahmung ſchleicht als ein abgeleitetes
Gewäſſer in abgezirkelten Canälen lautlos dahin. Der Er¬
finder wird durch die Offenbarung der Idee ſelber begeiſtert;
der Nachahmer begeiſtert ſich erſt an dieſer Begeiſterung.

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[296/0318] heraus den Gegenſatz der Ariſtokratie und Demokratie in allen ihren Formen zu vermitteln, hat zwei unſerer vorzüg¬ lichſten Romane befruchtet, das Engelchen von Prutz und die Ritter vom Geiſt von Gutzkow. Dieſe Dichter haben ihre großen Erfolge aber nur dadurch erreicht, daß ſie von der Tendenz aus ſich zum Ideal erhoben haben. Sinkt die Tendenz dagegen zur excluſiven Parteipointe herab, ſo er¬ tödtet ſie durch ſolche proſaiſche Abſicht unfehlbar die Poeſie. Die Tendenz in dieſem beſchränkten Sinne hat ähnliche Folgen, wie die Allegoriſterei. Die Geſtalten werden gleich bei der Conception Opfer des Begriffs, um deſſen Sieg oder Niederlage es zu thun iſt. Ferner tritt das Todtgeborene von Inhalt und Form bei vielen Werken der Sculptur und Malerei durch die akademiſche Geſchultheit, durch das unfreie Anheften an die Poſen der Modelle und die Falten der Phantome ein. Statt Kunſtwerke zu werden, werden ſie blos Machwerke. Der Ausdruck ſolcher akademiſchen Geſtalten gibt das Gefühl, als verſtellten ſie ſich nur zu ihm. Doch auch von der Muſik und Poeſie läßt ſich Aehnliches bemerken, wenn blos nachahmende, an ſich unproductive Mittelmäßig¬ keiten ihre Ohnmacht in unfruchtbaren, innerlich hohlen, äußerlich hölzernen Wiederholungen der Ideen großer Vor¬ bilder proſtituiren. Was bei dem Original ein Spiel des friſchen Lebens iſt, wird in der Copie des Nachahmers zu einer todten Machwerkerei, zum öden Aggregat eines ſterilen Eklekticimus. Die lebendige Erfindung entſpringt aus ge¬ heimnißvollen Quellen und ſtürzt wie ein Bergſtrom mit Jubelgetön hervor; die Nachahmung ſchleicht als ein abgeleitetes Gewäſſer in abgezirkelten Canälen lautlos dahin. Der Er¬ finder wird durch die Offenbarung der Idee ſelber begeiſtert; der Nachahmer begeiſtert ſich erſt an dieſer Begeiſterung.

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/318>, abgerufen am 22.11.2024.