Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht, das Gefühl der Gemeinheit aufzuheben, mit welchem
sie uns erniedrigen. Parny hat die Griechischen Götter mit
den Personen der christlichen Trinität kämpfen und diese von
den brutalriesigen Scandinavischen Göttern fast besiegen lassen.
Er hat die heidnischen Götter verspottet, aber nur um die
Mythologie des christlichen Glaubens desto mehr zu verlachen.
Daß Christus als ein Lamm, aufgeputzt mit einem blauen
Bändchen; daß der heilige Geist als eine zierliche Taube;
daß Maria als eine "süße Dame", wie das Mittelalter sie
nannte, von ihm aufgeführt wird, ist natürlich zu erwarten,
denn der Widerspruch des sinnlichen Elementes mit dem Be¬
griff Gottes als des Geistes gibt seinem abstracten Verstande
reiche Nahrung. Gottvater stellt er als einen etwas bornirten
Judengott dar, der zuweilen Spuren von Altersschwäche zeigt.
Er muß, genau auf der Erde zu sehen, sich einer Brille be¬
dienen; seine Donner sind schon etwas abgebraucht; sein
Arm ist nicht mehr sicher. Einst erblickt sein Sohn einen
Räuber, der einen Priester tödten will; der Sohn fordert
ihn auf, mit dem Blitz zu interveniren; er schleudert den
tödtlichen Strahl, trifft aber statt des Räubers den Priester
u. s. w. Die christlichen Götter als die neuen erregen immer
mehr die Aufmerksamkeit der antiken und um sie kennen zu
lernen, ladet man sie zu einem Diner auf dem Olymp ein.
Bei dieser Gelegenheit besieht sich die neugierige Maria den
Palast der Olympier, Apollon schleicht ihr nach und noth¬
züchtigt sie. Nothzucht ist Parny's Leidenschaft; in den ver¬
schiedensten Situationen ergötzt er sich an ihr; mitten im
Gefecht der Götter läßt er den Engel Gabriel die Artemis
nothzüchtigen. Dieser unreine Geist läßt ihn mit höchstem
Interesse die alte apokryphische Sage weitläufig ausmalen,
daß Christus ein unehelicher Sohn der Maria und des

Rosenkranz, Aesthetik des Häßlichen. 18

nicht, das Gefühl der Gemeinheit aufzuheben, mit welchem
ſie uns erniedrigen. Parny hat die Griechiſchen Götter mit
den Perſonen der chriſtlichen Trinität kämpfen und dieſe von
den brutalrieſigen Scandinaviſchen Göttern faſt beſiegen laſſen.
Er hat die heidniſchen Götter verſpottet, aber nur um die
Mythologie des chriſtlichen Glaubens deſto mehr zu verlachen.
Daß Chriſtus als ein Lamm, aufgeputzt mit einem blauen
Bändchen; daß der heilige Geiſt als eine zierliche Taube;
daß Maria als eine „ſüße Dame“, wie das Mittelalter ſie
nannte, von ihm aufgeführt wird, iſt natürlich zu erwarten,
denn der Widerſpruch des ſinnlichen Elementes mit dem Be¬
griff Gottes als des Geiſtes gibt ſeinem abſtracten Verſtande
reiche Nahrung. Gottvater ſtellt er als einen etwas bornirten
Judengott dar, der zuweilen Spuren von Altersſchwäche zeigt.
Er muß, genau auf der Erde zu ſehen, ſich einer Brille be¬
dienen; ſeine Donner ſind ſchon etwas abgebraucht; ſein
Arm iſt nicht mehr ſicher. Einſt erblickt ſein Sohn einen
Räuber, der einen Prieſter tödten will; der Sohn fordert
ihn auf, mit dem Blitz zu interveniren; er ſchleudert den
tödtlichen Strahl, trifft aber ſtatt des Räubers den Prieſter
u. ſ. w. Die chriſtlichen Götter als die neuen erregen immer
mehr die Aufmerkſamkeit der antiken und um ſie kennen zu
lernen, ladet man ſie zu einem Diner auf dem Olymp ein.
Bei dieſer Gelegenheit beſieht ſich die neugierige Maria den
Palaſt der Olympier, Apollon ſchleicht ihr nach und noth¬
züchtigt ſie. Nothzucht iſt Parny's Leidenſchaft; in den ver¬
ſchiedenſten Situationen ergötzt er ſich an ihr; mitten im
Gefecht der Götter läßt er den Engel Gabriel die Artemis
nothzüchtigen. Dieſer unreine Geiſt läßt ihn mit höchſtem
Intereſſe die alte apokryphiſche Sage weitläufig ausmalen,
daß Chriſtus ein unehelicher Sohn der Maria und des

Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0295" n="273"/>
nicht, das Gefühl der Gemeinheit aufzuheben, mit welchem<lb/>
&#x017F;ie uns erniedrigen. Parny hat die Griechi&#x017F;chen Götter mit<lb/>
den Per&#x017F;onen der chri&#x017F;tlichen Trinität kämpfen und die&#x017F;e von<lb/>
den brutalrie&#x017F;igen Scandinavi&#x017F;chen Göttern fa&#x017F;t be&#x017F;iegen la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Er hat die heidni&#x017F;chen Götter ver&#x017F;pottet, aber nur um die<lb/>
Mythologie des chri&#x017F;tlichen Glaubens de&#x017F;to mehr zu verlachen.<lb/>
Daß Chri&#x017F;tus als ein Lamm, aufgeputzt mit einem blauen<lb/>
Bändchen; daß der heilige Gei&#x017F;t als eine zierliche Taube;<lb/>
daß Maria als eine &#x201E;&#x017F;üße Dame&#x201C;, wie das Mittelalter &#x017F;ie<lb/>
nannte, von ihm aufgeführt wird, i&#x017F;t natürlich zu erwarten,<lb/>
denn der Wider&#x017F;pruch des &#x017F;innlichen Elementes mit dem Be¬<lb/>
griff Gottes als des Gei&#x017F;tes gibt &#x017F;einem ab&#x017F;tracten Ver&#x017F;tande<lb/>
reiche Nahrung. Gottvater &#x017F;tellt er als einen etwas bornirten<lb/>
Judengott dar, der zuweilen Spuren von Alters&#x017F;chwäche zeigt.<lb/>
Er muß, genau auf der Erde zu &#x017F;ehen, &#x017F;ich einer Brille be¬<lb/>
dienen; &#x017F;eine Donner &#x017F;ind &#x017F;chon etwas abgebraucht; &#x017F;ein<lb/>
Arm i&#x017F;t nicht mehr &#x017F;icher. Ein&#x017F;t erblickt &#x017F;ein Sohn einen<lb/>
Räuber, der einen Prie&#x017F;ter tödten will; der Sohn fordert<lb/>
ihn auf, mit dem Blitz zu interveniren; er &#x017F;chleudert den<lb/>
tödtlichen Strahl, trifft aber &#x017F;tatt des Räubers den Prie&#x017F;ter<lb/>
u. &#x017F;. w. Die chri&#x017F;tlichen Götter als die neuen erregen immer<lb/>
mehr die Aufmerk&#x017F;amkeit der antiken und um &#x017F;ie kennen zu<lb/>
lernen, ladet man &#x017F;ie zu einem Diner auf dem Olymp ein.<lb/>
Bei die&#x017F;er Gelegenheit be&#x017F;ieht &#x017F;ich die neugierige Maria den<lb/>
Pala&#x017F;t der Olympier, Apollon &#x017F;chleicht ihr nach und noth¬<lb/>
züchtigt &#x017F;ie. Nothzucht i&#x017F;t Parny's Leiden&#x017F;chaft; in den ver¬<lb/>
&#x017F;chieden&#x017F;ten Situationen ergötzt er &#x017F;ich an ihr; mitten im<lb/>
Gefecht der Götter läßt er den Engel Gabriel die Artemis<lb/>
nothzüchtigen. Die&#x017F;er unreine Gei&#x017F;t läßt ihn mit höch&#x017F;tem<lb/>
Intere&#x017F;&#x017F;e die alte apokryphi&#x017F;che Sage weitläufig ausmalen,<lb/>
daß Chri&#x017F;tus ein unehelicher Sohn der Maria und des<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Ro&#x017F;enkranz</hi>, Ae&#x017F;thetik des Häßlichen. 18<lb/></fw>
</p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0295] nicht, das Gefühl der Gemeinheit aufzuheben, mit welchem ſie uns erniedrigen. Parny hat die Griechiſchen Götter mit den Perſonen der chriſtlichen Trinität kämpfen und dieſe von den brutalrieſigen Scandinaviſchen Göttern faſt beſiegen laſſen. Er hat die heidniſchen Götter verſpottet, aber nur um die Mythologie des chriſtlichen Glaubens deſto mehr zu verlachen. Daß Chriſtus als ein Lamm, aufgeputzt mit einem blauen Bändchen; daß der heilige Geiſt als eine zierliche Taube; daß Maria als eine „ſüße Dame“, wie das Mittelalter ſie nannte, von ihm aufgeführt wird, iſt natürlich zu erwarten, denn der Widerſpruch des ſinnlichen Elementes mit dem Be¬ griff Gottes als des Geiſtes gibt ſeinem abſtracten Verſtande reiche Nahrung. Gottvater ſtellt er als einen etwas bornirten Judengott dar, der zuweilen Spuren von Altersſchwäche zeigt. Er muß, genau auf der Erde zu ſehen, ſich einer Brille be¬ dienen; ſeine Donner ſind ſchon etwas abgebraucht; ſein Arm iſt nicht mehr ſicher. Einſt erblickt ſein Sohn einen Räuber, der einen Prieſter tödten will; der Sohn fordert ihn auf, mit dem Blitz zu interveniren; er ſchleudert den tödtlichen Strahl, trifft aber ſtatt des Räubers den Prieſter u. ſ. w. Die chriſtlichen Götter als die neuen erregen immer mehr die Aufmerkſamkeit der antiken und um ſie kennen zu lernen, ladet man ſie zu einem Diner auf dem Olymp ein. Bei dieſer Gelegenheit beſieht ſich die neugierige Maria den Palaſt der Olympier, Apollon ſchleicht ihr nach und noth¬ züchtigt ſie. Nothzucht iſt Parny's Leidenſchaft; in den ver¬ ſchiedenſten Situationen ergötzt er ſich an ihr; mitten im Gefecht der Götter läßt er den Engel Gabriel die Artemis nothzüchtigen. Dieſer unreine Geiſt läßt ihn mit höchſtem Intereſſe die alte apokryphiſche Sage weitläufig ausmalen, daß Chriſtus ein unehelicher Sohn der Maria und des Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 18

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/295
Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/295>, abgerufen am 12.05.2024.