in die Vorstellung, aus so entstandenem Wasser zu schöpfen und zu trinken. Wenn Rembrand dagegen den Ganymed gemalt hat, wie er, vom Adler emporgetragen, in der Ueber¬ raschung vor Schrecken nach Kinderart pißt, so ist das wirklich komisch. Der feiste Junge hält in der Linken noch die Weintraube, die er sich hat schmecken lassen, als der Vogel des hochher donnernden Zeus ihn ergriffen und ihm mit der Kralle das Hemdchen über seinen rundlichen Hintern emporgezogen hat. Wie Aristophanes das Hosiren sogar auf die Bühne gebracht hat, ist in anderer Hinsicht oben schon erwähnt. Im Pfaffen von Kalenberge, im Pfaffen Amis und im Eulenspiegel wimmelt es von so grob¬ fläthigen Scherzen. Auch der häßliche, cynische Morolf mit seiner ganzen Italienischen Sippe gehört hierher.
Die übermäßige Befriedigung des Nahrungstriebes kann als Folge die Gestalt auch wampig, wanstig und dadurch häßlich machen, eine Deformität, die von der Komik immer auf's Neue zu ganz unfehlbarem Effect ausgebeutet wird, wenn auch schon Aristophanes darüber schmält, daß die Komiker, Lachen zu erzwingen, es sich mit der Anwendung von Dickbäuchen zu bequem machten. Der dicke Bauch, der so viel Inconvenienzen mit sich bringt, vor welchem der In¬ haber seine eigenen Füße nicht mehr sehen kann, der so bos¬ haft den Dichtern das Aetherische, den Priestern das Geistliche nimmt, der dicke Bauch, den man vor sich hertragen muß und der an einer Straßenecke eher, als sein Träger, sichtbar wird, ist bis zum Spitzbauch des schalkischen Punch herunter ein Liebling der niedern Komik gewesen. Ohne Geist, ohne Witz, ohne Ironie ist das Lächerliche eines Dickbauchs aller¬ dings sehr dünn, bei einem Fallstaff aber wird er zu einer unerschöpflichen Fundgrube humoristischer Witze.
in die Vorſtellung, aus ſo entſtandenem Waſſer zu ſchöpfen und zu trinken. Wenn Rembrand dagegen den Ganymed gemalt hat, wie er, vom Adler emporgetragen, in der Ueber¬ raſchung vor Schrecken nach Kinderart pißt, ſo iſt das wirklich komiſch. Der feiſte Junge hält in der Linken noch die Weintraube, die er ſich hat ſchmecken laſſen, als der Vogel des hochher donnernden Zeus ihn ergriffen und ihm mit der Kralle das Hemdchen über ſeinen rundlichen Hintern emporgezogen hat. Wie Ariſtophanes das Hoſiren ſogar auf die Bühne gebracht hat, iſt in anderer Hinſicht oben ſchon erwähnt. Im Pfaffen von Kalenberge, im Pfaffen Amis und im Eulenſpiegel wimmelt es von ſo grob¬ fläthigen Scherzen. Auch der häßliche, cyniſche Morolf mit ſeiner ganzen Italieniſchen Sippe gehört hierher.
Die übermäßige Befriedigung des Nahrungstriebes kann als Folge die Geſtalt auch wampig, wanſtig und dadurch häßlich machen, eine Deformität, die von der Komik immer auf's Neue zu ganz unfehlbarem Effect ausgebeutet wird, wenn auch ſchon Ariſtophanes darüber ſchmält, daß die Komiker, Lachen zu erzwingen, es ſich mit der Anwendung von Dickbäuchen zu bequem machten. Der dicke Bauch, der ſo viel Inconvenienzen mit ſich bringt, vor welchem der In¬ haber ſeine eigenen Füße nicht mehr ſehen kann, der ſo bos¬ haft den Dichtern das Aetheriſche, den Prieſtern das Geiſtliche nimmt, der dicke Bauch, den man vor ſich hertragen muß und der an einer Straßenecke eher, als ſein Träger, ſichtbar wird, iſt bis zum Spitzbauch des ſchalkiſchen Punch herunter ein Liebling der niedern Komik geweſen. Ohne Geiſt, ohne Witz, ohne Ironie iſt das Lächerliche eines Dickbauchs aller¬ dings ſehr dünn, bei einem Fallſtaff aber wird er zu einer unerſchöpflichen Fundgrube humoriſtiſcher Witze.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0254"n="232"/>
in die Vorſtellung, aus ſo entſtandenem Waſſer zu ſchöpfen<lb/>
und zu trinken. Wenn <hirendition="#g">Rembrand</hi> dagegen den <hirendition="#g">Ganymed</hi><lb/>
gemalt hat, wie er, vom Adler emporgetragen, in der Ueber¬<lb/>
raſchung vor Schrecken nach Kinderart pißt, ſo iſt das<lb/>
wirklich komiſch. Der feiſte Junge hält in der Linken noch<lb/>
die Weintraube, die er ſich hat ſchmecken laſſen, als der<lb/>
Vogel des hochher donnernden Zeus ihn ergriffen und ihm<lb/>
mit der Kralle das Hemdchen über ſeinen rundlichen Hintern<lb/>
emporgezogen hat. Wie <hirendition="#g">Ariſtophanes</hi> das Hoſiren ſogar<lb/>
auf die Bühne gebracht hat, iſt in anderer Hinſicht oben<lb/>ſchon erwähnt. Im Pfaffen von <hirendition="#g">Kalenberge</hi>, im Pfaffen<lb/><hirendition="#g">Amis</hi> und im <hirendition="#g">Eulenſpiegel</hi> wimmelt es von ſo grob¬<lb/>
fläthigen Scherzen. Auch der häßliche, cyniſche <hirendition="#g">Morolf</hi><lb/>
mit ſeiner ganzen Italieniſchen Sippe gehört hierher.</p><lb/><p>Die übermäßige Befriedigung des Nahrungstriebes kann<lb/>
als Folge die Geſtalt auch wampig, wanſtig und dadurch<lb/>
häßlich machen, eine Deformität, die von der Komik immer<lb/>
auf's Neue zu ganz unfehlbarem Effect ausgebeutet wird,<lb/>
wenn auch ſchon <hirendition="#g">Ariſtophanes</hi> darüber ſchmält, daß die<lb/>
Komiker, Lachen zu erzwingen, es ſich mit der Anwendung<lb/>
von Dickbäuchen zu bequem machten. Der dicke Bauch, der<lb/>ſo viel Inconvenienzen mit ſich bringt, vor welchem der In¬<lb/>
haber ſeine eigenen Füße nicht mehr ſehen kann, der ſo bos¬<lb/>
haft den Dichtern das Aetheriſche, den Prieſtern das Geiſtliche<lb/>
nimmt, der dicke Bauch, den man vor ſich hertragen muß<lb/>
und der an einer Straßenecke eher, als ſein Träger, ſichtbar<lb/>
wird, iſt bis zum Spitzbauch des ſchalkiſchen <hirendition="#g">Punch</hi> herunter<lb/>
ein Liebling der niedern Komik geweſen. Ohne Geiſt, ohne<lb/>
Witz, ohne Ironie iſt das Lächerliche eines Dickbauchs aller¬<lb/>
dings ſehr dünn, bei einem <hirendition="#g">Fallſtaff</hi> aber wird er zu einer<lb/>
unerſchöpflichen Fundgrube humoriſtiſcher Witze.</p><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[232/0254]
in die Vorſtellung, aus ſo entſtandenem Waſſer zu ſchöpfen
und zu trinken. Wenn Rembrand dagegen den Ganymed
gemalt hat, wie er, vom Adler emporgetragen, in der Ueber¬
raſchung vor Schrecken nach Kinderart pißt, ſo iſt das
wirklich komiſch. Der feiſte Junge hält in der Linken noch
die Weintraube, die er ſich hat ſchmecken laſſen, als der
Vogel des hochher donnernden Zeus ihn ergriffen und ihm
mit der Kralle das Hemdchen über ſeinen rundlichen Hintern
emporgezogen hat. Wie Ariſtophanes das Hoſiren ſogar
auf die Bühne gebracht hat, iſt in anderer Hinſicht oben
ſchon erwähnt. Im Pfaffen von Kalenberge, im Pfaffen
Amis und im Eulenſpiegel wimmelt es von ſo grob¬
fläthigen Scherzen. Auch der häßliche, cyniſche Morolf
mit ſeiner ganzen Italieniſchen Sippe gehört hierher.
Die übermäßige Befriedigung des Nahrungstriebes kann
als Folge die Geſtalt auch wampig, wanſtig und dadurch
häßlich machen, eine Deformität, die von der Komik immer
auf's Neue zu ganz unfehlbarem Effect ausgebeutet wird,
wenn auch ſchon Ariſtophanes darüber ſchmält, daß die
Komiker, Lachen zu erzwingen, es ſich mit der Anwendung
von Dickbäuchen zu bequem machten. Der dicke Bauch, der
ſo viel Inconvenienzen mit ſich bringt, vor welchem der In¬
haber ſeine eigenen Füße nicht mehr ſehen kann, der ſo bos¬
haft den Dichtern das Aetheriſche, den Prieſtern das Geiſtliche
nimmt, der dicke Bauch, den man vor ſich hertragen muß
und der an einer Straßenecke eher, als ſein Träger, ſichtbar
wird, iſt bis zum Spitzbauch des ſchalkiſchen Punch herunter
ein Liebling der niedern Komik geweſen. Ohne Geiſt, ohne
Witz, ohne Ironie iſt das Lächerliche eines Dickbauchs aller¬
dings ſehr dünn, bei einem Fallſtaff aber wird er zu einer
unerſchöpflichen Fundgrube humoriſtiſcher Witze.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/254>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.