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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Geist sind im eminentesten Sinn bizarr und berühren eben
so oft das Erhabene als das Lächerliche. In der Schöpfung
des nachtwandlerischen, geheimpolizeilichen, häßlichgeistvollen,
boshaftguten Hackert hat Gutzkow das Bizarre auf das
Treffendste geschildert. Im Prinzen von Madagascar hat
er das Bizarre besonders in die Situationen gelegt. Welche
bizarre Lage des Prinzen, von seinen eigenen Unterthanen
gefangen und als Sclav verkauft zu werden! Auch in
kleinern Erzählungen wird man bei Gutzkow die Neigung
zum Bizarren als ein Hauptingrediens finden bis zur
köstlich erzählten Geschichte jenes Kanarienvogels hin, der
sich seltsamer Weise in sein eigenes Spiegelbild verliebte und
aus Melancholie über die Unrealität seines vis a vis starb.
Selbst Charakterbilder solcher Art sind Gutzkow außerordentlich
gelungen, wie sein Portrait Schottky's, zu welchem wohl
nur Schall's Portrait von Laube als Pendant gelten kann.

Die pointirte Abenteuerlichkeit, die phantastische Be¬
weglichkeit des Bizarren, machen es zur Ironie des Gewöhn¬
lichen und lassen es in dieser Richtung selbst an eine kokette
Gesuchtheit streifen. Wie leicht dieselbe ins entschieden Hä߬
liche fallen kann, sehen wir zuweilen bei Tieck, der so reich
an ächt bizarren Gestalten ist. In der Novelle: Eigensinn
und Laune
, läßt er die Heldin Emmeline zuletzt als Bor¬
dellwirthin auftreten. Diese Laune ist häßlich und ihre
Motivirung übergeht der Dichter, während er die sonstigen
Verirrungen Emmeline's in einem Zusammenhange darstellt,
der sie einigermaaßen begreifen läßt. Emmeline konnte einen
Kutscher heirathen wollen, konnte sich von einem leichtsin¬
nigen Commis schwängern lassen, konnte einen Geldaristo¬
kraten heirathen, konnte mit einem Officier durchgehen, in
welchem sie doch den Kutscher Martin wiederfand -- brauchte

Geiſt ſind im eminenteſten Sinn bizarr und berühren eben
ſo oft das Erhabene als das Lächerliche. In der Schöpfung
des nachtwandleriſchen, geheimpolizeilichen, häßlichgeiſtvollen,
boshaftguten Hackert hat Gutzkow das Bizarre auf das
Treffendſte geſchildert. Im Prinzen von Madagascar hat
er das Bizarre beſonders in die Situationen gelegt. Welche
bizarre Lage des Prinzen, von ſeinen eigenen Unterthanen
gefangen und als Sclav verkauft zu werden! Auch in
kleinern Erzählungen wird man bei Gutzkow die Neigung
zum Bizarren als ein Hauptingrediens finden bis zur
köſtlich erzählten Geſchichte jenes Kanarienvogels hin, der
ſich ſeltſamer Weiſe in ſein eigenes Spiegelbild verliebte und
aus Melancholie über die Unrealität ſeines vis à vis ſtarb.
Selbſt Charakterbilder ſolcher Art ſind Gutzkow außerordentlich
gelungen, wie ſein Portrait Schottky's, zu welchem wohl
nur Schall's Portrait von Laube als Pendant gelten kann.

Die pointirte Abenteuerlichkeit, die phantaſtiſche Be¬
weglichkeit des Bizarren, machen es zur Ironie des Gewöhn¬
lichen und laſſen es in dieſer Richtung ſelbſt an eine kokette
Geſuchtheit ſtreifen. Wie leicht dieſelbe ins entſchieden Hä߬
liche fallen kann, ſehen wir zuweilen bei Tieck, der ſo reich
an ächt bizarren Geſtalten iſt. In der Novelle: Eigenſinn
und Laune
, läßt er die Heldin Emmeline zuletzt als Bor¬
dellwirthin auftreten. Dieſe Laune iſt häßlich und ihre
Motivirung übergeht der Dichter, während er die ſonſtigen
Verirrungen Emmeline's in einem Zuſammenhange darſtellt,
der ſie einigermaaßen begreifen läßt. Emmeline konnte einen
Kutſcher heirathen wollen, konnte ſich von einem leichtſin¬
nigen Commis ſchwängern laſſen, konnte einen Geldariſto¬
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welchem ſie doch den Kutſcher Martin wiederfand — brauchte

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[219/0241] Geiſt ſind im eminenteſten Sinn bizarr und berühren eben ſo oft das Erhabene als das Lächerliche. In der Schöpfung des nachtwandleriſchen, geheimpolizeilichen, häßlichgeiſtvollen, boshaftguten Hackert hat Gutzkow das Bizarre auf das Treffendſte geſchildert. Im Prinzen von Madagascar hat er das Bizarre beſonders in die Situationen gelegt. Welche bizarre Lage des Prinzen, von ſeinen eigenen Unterthanen gefangen und als Sclav verkauft zu werden! Auch in kleinern Erzählungen wird man bei Gutzkow die Neigung zum Bizarren als ein Hauptingrediens finden bis zur köſtlich erzählten Geſchichte jenes Kanarienvogels hin, der ſich ſeltſamer Weiſe in ſein eigenes Spiegelbild verliebte und aus Melancholie über die Unrealität ſeines vis à vis ſtarb. Selbſt Charakterbilder ſolcher Art ſind Gutzkow außerordentlich gelungen, wie ſein Portrait Schottky's, zu welchem wohl nur Schall's Portrait von Laube als Pendant gelten kann. Die pointirte Abenteuerlichkeit, die phantaſtiſche Be¬ weglichkeit des Bizarren, machen es zur Ironie des Gewöhn¬ lichen und laſſen es in dieſer Richtung ſelbſt an eine kokette Geſuchtheit ſtreifen. Wie leicht dieſelbe ins entſchieden Hä߬ liche fallen kann, ſehen wir zuweilen bei Tieck, der ſo reich an ächt bizarren Geſtalten iſt. In der Novelle: Eigenſinn und Laune, läßt er die Heldin Emmeline zuletzt als Bor¬ dellwirthin auftreten. Dieſe Laune iſt häßlich und ihre Motivirung übergeht der Dichter, während er die ſonſtigen Verirrungen Emmeline's in einem Zuſammenhange darſtellt, der ſie einigermaaßen begreifen läßt. Emmeline konnte einen Kutſcher heirathen wollen, konnte ſich von einem leichtſin¬ nigen Commis ſchwängern laſſen, konnte einen Geldariſto¬ kraten heirathen, konnte mit einem Officier durchgehen, in welchem ſie doch den Kutſcher Martin wiederfand — brauchte

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/241>, abgerufen am 23.11.2024.