dasjenige relativ schwach erscheinen, was außerdem wohl selbst eine Macht ist. Eine solche Schwäche ist dann noch nicht Schwächlichkeit im negativen Sinn. Gegen die Uebel¬ macht der elementarischen Natur z. B. wird alle Kraft des Lebens, alle Energie der Freiheit, wie groß sie seien, ohn¬ mächtig. Die erbebende Erde, die anstürmende Fluth, das entfesselte Feuer, sind solche erbarmunglose Gewalten. Die erzitternde, aufklaffende, Thiere, Menschen, Städte ver¬ schlingende Erde ist erhaben, in ihrer Rücksichtslosigkeit aber gegen Alles, was, ihrem Schooß entsprungen, auf ihrem Rücken sich des Daseins erfreut hat, gräßlich erhaben. Das Lebendige in seiner Angst, wie es flüchtet und in irrer Ver¬ zweiflung nach jedem Schatten der Rettung hascht, erscheint gegen sie ohnmächtig; weil aber das Verhältniß ein incom¬ mensurables ist, kann man es nicht der Schwächlichkeit zeihen. Wenn die Wogen des Meeres mit den größten Schiffen spielen, ihre Masten zertrümmern, sie gegen Felsen schleudern, so erscheinen sie furchtbar erhaben und die um¬ sonst nach Rettung ringenden Menschen ohnmächtig; schwäch¬ lich aber nur, sofern sie einer ungemessenen Verzweiflung sich hingeben würden. Eine Ueberschwemmung, wie die Sündfluth, kann die Fruchtlosigkeit der Mühen des In¬ dividuums, aber zugleich seine Freiheit darstellen, die sich alsdann, auch sterbend, der Gewalt überlegen zeigt. So hat Girodet in seinem berühmten Bilde im Louvre eine Scene aus der Sündfluth gemalt, die uns eine Familie noch im Untergang an der Pietät festhaltend erblicken läßt. Der Mann hat den greisen schon halbtodten Vater auf den Schultern hängend. Mit der Linken umklammert er einen dürren schon eingebrochenen Baumstamm; mit der Rechten versucht er sein Weib aus den Wellen zu ziehen. Aber als
dasjenige relativ ſchwach erſcheinen, was außerdem wohl ſelbſt eine Macht iſt. Eine ſolche Schwäche iſt dann noch nicht Schwächlichkeit im negativen Sinn. Gegen die Uebel¬ macht der elementariſchen Natur z. B. wird alle Kraft des Lebens, alle Energie der Freiheit, wie groß ſie ſeien, ohn¬ mächtig. Die erbebende Erde, die anſtürmende Fluth, das entfeſſelte Feuer, ſind ſolche erbarmungloſe Gewalten. Die erzitternde, aufklaffende, Thiere, Menſchen, Städte ver¬ ſchlingende Erde iſt erhaben, in ihrer Rückſichtsloſigkeit aber gegen Alles, was, ihrem Schooß entſprungen, auf ihrem Rücken ſich des Daſeins erfreut hat, gräßlich erhaben. Das Lebendige in ſeiner Angſt, wie es flüchtet und in irrer Ver¬ zweiflung nach jedem Schatten der Rettung haſcht, erſcheint gegen ſie ohnmächtig; weil aber das Verhältniß ein incom¬ menſurables iſt, kann man es nicht der Schwächlichkeit zeihen. Wenn die Wogen des Meeres mit den größten Schiffen ſpielen, ihre Maſten zertrümmern, ſie gegen Felſen ſchleudern, ſo erſcheinen ſie furchtbar erhaben und die um¬ ſonſt nach Rettung ringenden Menſchen ohnmächtig; ſchwäch¬ lich aber nur, ſofern ſie einer ungemeſſenen Verzweiflung ſich hingeben würden. Eine Ueberſchwemmung, wie die Sündfluth, kann die Fruchtloſigkeit der Mühen des In¬ dividuums, aber zugleich ſeine Freiheit darſtellen, die ſich alsdann, auch ſterbend, der Gewalt überlegen zeigt. So hat Girodet in ſeinem berühmten Bilde im Louvre eine Scene aus der Sündfluth gemalt, die uns eine Familie noch im Untergang an der Pietät feſthaltend erblicken läßt. Der Mann hat den greiſen ſchon halbtodten Vater auf den Schultern hängend. Mit der Linken umklammert er einen dürren ſchon eingebrochenen Baumſtamm; mit der Rechten verſucht er ſein Weib aus den Wellen zu ziehen. Aber als
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dasjenige relativ ſchwach erſcheinen, was außerdem wohl
ſelbſt eine Macht iſt. Eine ſolche Schwäche iſt dann noch
nicht Schwächlichkeit im negativen Sinn. Gegen die Uebel¬
macht der elementariſchen Natur z. B. wird alle Kraft des
Lebens, alle Energie der Freiheit, wie groß ſie ſeien, ohn¬
mächtig. Die erbebende Erde, die anſtürmende Fluth, das
entfeſſelte Feuer, ſind ſolche erbarmungloſe Gewalten. Die
erzitternde, aufklaffende, Thiere, Menſchen, Städte ver¬
ſchlingende Erde iſt erhaben, in ihrer Rückſichtsloſigkeit aber
gegen Alles, was, ihrem Schooß entſprungen, auf ihrem
Rücken ſich des Daſeins erfreut hat, gräßlich erhaben. Das
Lebendige in ſeiner Angſt, wie es flüchtet und in irrer Ver¬
zweiflung nach jedem Schatten der Rettung haſcht, erſcheint
gegen ſie ohnmächtig; weil aber das Verhältniß ein incom¬
menſurables iſt, kann man es nicht der Schwächlichkeit
zeihen. Wenn die Wogen des Meeres mit den größten
Schiffen ſpielen, ihre Maſten zertrümmern, ſie gegen Felſen
ſchleudern, ſo erſcheinen ſie furchtbar erhaben und die um¬
ſonſt nach Rettung ringenden Menſchen ohnmächtig; ſchwäch¬
lich aber nur, ſofern ſie einer ungemeſſenen Verzweiflung
ſich hingeben würden. Eine Ueberſchwemmung, wie die
Sündfluth, kann die Fruchtloſigkeit der Mühen des In¬
dividuums, aber zugleich ſeine Freiheit darſtellen, die ſich
alsdann, auch ſterbend, der Gewalt überlegen zeigt. So
hat Girodet in ſeinem berühmten Bilde im Louvre eine
Scene aus der Sündfluth gemalt, die uns eine Familie noch
im Untergang an der Pietät feſthaltend erblicken läßt. Der
Mann hat den greiſen ſchon halbtodten Vater auf den
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dürren ſchon eingebrochenen Baumſtamm; mit der Rechten
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/212>, abgerufen am 23.11.2024.
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