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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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gen nur deshalb nicht erhaben, weil sie von einer andern
Macht, von der Intelligenz und dem Willen des Menschen,
abhängig ist, also nicht, wie der Begriff des Erhabenen es
verlangt, ihren Ursprung und den Anfang ihrer Bewegung
aus sich nimmt. Der Geist dagegen, der eine ungeheure
Naturkraft so bemeistern, der ihre Nothwendigkeit in solchem
Grade seiner Freiheit unterwerfen kann, wird uns erhaben
dünken. Er kann seinen Maschinen den Schein der Selbst¬
ständigkeit verleihen und dann wird es auf die nähern Um¬
stände ankommen, ob sie nicht sogar einen an das Erhabene
grenzenden Eindruck hervorzubringen vermögen; an das Er¬
habene doch nur grenzenden, weil unser Bewußtsein der
Genauigkeit der mechanischen Berechnung die ästhetische Wir¬
kung zum Theil wieder aufhebt, wie wir empfinden, wenn
ein großer Wagenzug auf der Eisenbahn bei uns vorüber¬
saust. -- Das organische Leben wird erhaben erscheinen
können, wenn es seine Macht als Gewalt realisirt. Un¬
mittelbar werden wir kein Thier erhaben zu nennen ver¬
mögen. Schauen wir aber den Adler, wie er die Schwingen
entfaltet und nun über Wälder und Berge, ja über Wolken
hinaus, mit ruhigem Flügelschlage aufschwebt; schauen wir
den plumpen Elephanten, wie er mit den Säulen seiner
Füße einen Tiger zerstampft; oder den Löwen, wie er mit
einem sichern Riesensprung auf die Gazelle stürzt: so werden
diese Thiere uns erhaben scheinen, weil sie die ihnen in¬
wohnende Macht durch die Aeußerung derselben als Gewalt
in ihrer Unendlichkeit darstellen. Für den Adler scheint keine
Grenze des Fluges; für den Elephanten und Löwen keine
Schranke am Widerstand eines andern Thiers zu existiren.

Der Geist wirkt erhaben, wenn er, der Nothwendigkeit
der Natur, wie der Freiheit anderer Geister gegenüber, seine

gen nur deshalb nicht erhaben, weil ſie von einer andern
Macht, von der Intelligenz und dem Willen des Menſchen,
abhängig iſt, alſo nicht, wie der Begriff des Erhabenen es
verlangt, ihren Urſprung und den Anfang ihrer Bewegung
aus ſich nimmt. Der Geiſt dagegen, der eine ungeheure
Naturkraft ſo bemeiſtern, der ihre Nothwendigkeit in ſolchem
Grade ſeiner Freiheit unterwerfen kann, wird uns erhaben
dünken. Er kann ſeinen Maſchinen den Schein der Selbſt¬
ſtändigkeit verleihen und dann wird es auf die nähern Um¬
ſtände ankommen, ob ſie nicht ſogar einen an das Erhabene
grenzenden Eindruck hervorzubringen vermögen; an das Er¬
habene doch nur grenzenden, weil unſer Bewußtſein der
Genauigkeit der mechaniſchen Berechnung die äſthetiſche Wir¬
kung zum Theil wieder aufhebt, wie wir empfinden, wenn
ein großer Wagenzug auf der Eiſenbahn bei uns vorüber¬
ſauſt. — Das organiſche Leben wird erhaben erſcheinen
können, wenn es ſeine Macht als Gewalt realiſirt. Un¬
mittelbar werden wir kein Thier erhaben zu nennen ver¬
mögen. Schauen wir aber den Adler, wie er die Schwingen
entfaltet und nun über Wälder und Berge, ja über Wolken
hinaus, mit ruhigem Flügelſchlage aufſchwebt; ſchauen wir
den plumpen Elephanten, wie er mit den Säulen ſeiner
Füße einen Tiger zerſtampft; oder den Löwen, wie er mit
einem ſichern Rieſenſprung auf die Gazelle ſtürzt: ſo werden
dieſe Thiere uns erhaben ſcheinen, weil ſie die ihnen in¬
wohnende Macht durch die Aeußerung derſelben als Gewalt
in ihrer Unendlichkeit darſtellen. Für den Adler ſcheint keine
Grenze des Fluges; für den Elephanten und Löwen keine
Schranke am Widerſtand eines andern Thiers zu exiſtiren.

Der Geiſt wirkt erhaben, wenn er, der Nothwendigkeit
der Natur, wie der Freiheit anderer Geiſter gegenüber, ſeine

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[188/0210] gen nur deshalb nicht erhaben, weil ſie von einer andern Macht, von der Intelligenz und dem Willen des Menſchen, abhängig iſt, alſo nicht, wie der Begriff des Erhabenen es verlangt, ihren Urſprung und den Anfang ihrer Bewegung aus ſich nimmt. Der Geiſt dagegen, der eine ungeheure Naturkraft ſo bemeiſtern, der ihre Nothwendigkeit in ſolchem Grade ſeiner Freiheit unterwerfen kann, wird uns erhaben dünken. Er kann ſeinen Maſchinen den Schein der Selbſt¬ ſtändigkeit verleihen und dann wird es auf die nähern Um¬ ſtände ankommen, ob ſie nicht ſogar einen an das Erhabene grenzenden Eindruck hervorzubringen vermögen; an das Er¬ habene doch nur grenzenden, weil unſer Bewußtſein der Genauigkeit der mechaniſchen Berechnung die äſthetiſche Wir¬ kung zum Theil wieder aufhebt, wie wir empfinden, wenn ein großer Wagenzug auf der Eiſenbahn bei uns vorüber¬ ſauſt. — Das organiſche Leben wird erhaben erſcheinen können, wenn es ſeine Macht als Gewalt realiſirt. Un¬ mittelbar werden wir kein Thier erhaben zu nennen ver¬ mögen. Schauen wir aber den Adler, wie er die Schwingen entfaltet und nun über Wälder und Berge, ja über Wolken hinaus, mit ruhigem Flügelſchlage aufſchwebt; ſchauen wir den plumpen Elephanten, wie er mit den Säulen ſeiner Füße einen Tiger zerſtampft; oder den Löwen, wie er mit einem ſichern Rieſenſprung auf die Gazelle ſtürzt: ſo werden dieſe Thiere uns erhaben ſcheinen, weil ſie die ihnen in¬ wohnende Macht durch die Aeußerung derſelben als Gewalt in ihrer Unendlichkeit darſtellen. Für den Adler ſcheint keine Grenze des Fluges; für den Elephanten und Löwen keine Schranke am Widerſtand eines andern Thiers zu exiſtiren. Der Geiſt wirkt erhaben, wenn er, der Nothwendigkeit der Natur, wie der Freiheit anderer Geiſter gegenüber, ſeine

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/210>, abgerufen am 23.11.2024.