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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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In der Art, wie ich mit dem Material verfahren
bin, mag ich vielleicht etwas altväterisch, vielleicht zu
exact, erscheinen. Die modernen Schriftsteller haben
sich eine merkwürdige Art, zu citiren, erfunden, nämlich
mit sogenannten "Gänsefüßchen" ganz in's Blaue hinein.
Wo sie das Citat hernehmen, bleibt im Dunkeln. Es
ist schon viel, wenn sie einen Namen hinzufügen. Es
scheint ihnen schon pedantisch, wenn sie zu dem Namen
des Autors noch den Namen des Buchs hinzufügen.
Unstreitig wäre es auch läppisch, allgemein bekannte
oder irrelevante Dinge immer mit speciellen Citaten
belegen zu wollen. Aber weniger geläufige, seltner
berührte, weiter entlegene, dem Streit noch ausgesetzte,
fordern nach meiner Meinung eine größere Genauigkeit
der Angabe, damit der Leser, falls es ihm beliebt, selber
zu den Quellen gehen, selber vergleichen und richten kann.
Eleganz kann nie Zweck, nur ein und zwar sehr unter¬
geordnetes Mittel wissenschaftlicher Darstellung sein; die
Gründlichkeit und Bestimmtheit müssen immer obenan stehen.

Mit Schrecken sehe ich jetzt, nach Vollendung
des Drucks, daß unter den Beispielen sich eine ziemliche
Menge aus der nächsten Gegenwart hervorgedrängt
hat, weil sie natürlich mir am Frischesten im Gedächtniß

In der Art, wie ich mit dem Material verfahren
bin, mag ich vielleicht etwas altväteriſch, vielleicht zu
exact, erſcheinen. Die modernen Schriftſteller haben
ſich eine merkwürdige Art, zu citiren, erfunden, nämlich
mit ſogenannten „Gänſefüßchen“ ganz in's Blaue hinein.
Wo ſie das Citat hernehmen, bleibt im Dunkeln. Es
iſt ſchon viel, wenn ſie einen Namen hinzufügen. Es
ſcheint ihnen ſchon pedantiſch, wenn ſie zu dem Namen
des Autors noch den Namen des Buchs hinzufügen.
Unſtreitig wäre es auch läppiſch, allgemein bekannte
oder irrelevante Dinge immer mit ſpeciellen Citaten
belegen zu wollen. Aber weniger geläufige, ſeltner
berührte, weiter entlegene, dem Streit noch ausgeſetzte,
fordern nach meiner Meinung eine größere Genauigkeit
der Angabe, damit der Leſer, falls es ihm beliebt, ſelber
zu den Quellen gehen, ſelber vergleichen und richten kann.
Eleganz kann nie Zweck, nur ein und zwar ſehr unter¬
geordnetes Mittel wiſſenſchaftlicher Darſtellung ſein; die
Gründlichkeit und Beſtimmtheit müſſen immer obenan ſtehen.

Mit Schrecken ſehe ich jetzt, nach Vollendung
des Drucks, daß unter den Beiſpielen ſich eine ziemliche
Menge aus der nächſten Gegenwart hervorgedrängt
hat, weil ſie natürlich mir am Friſcheſten im Gedächtniß

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[VIII/0016] In der Art, wie ich mit dem Material verfahren bin, mag ich vielleicht etwas altväteriſch, vielleicht zu exact, erſcheinen. Die modernen Schriftſteller haben ſich eine merkwürdige Art, zu citiren, erfunden, nämlich mit ſogenannten „Gänſefüßchen“ ganz in's Blaue hinein. Wo ſie das Citat hernehmen, bleibt im Dunkeln. Es iſt ſchon viel, wenn ſie einen Namen hinzufügen. Es ſcheint ihnen ſchon pedantiſch, wenn ſie zu dem Namen des Autors noch den Namen des Buchs hinzufügen. Unſtreitig wäre es auch läppiſch, allgemein bekannte oder irrelevante Dinge immer mit ſpeciellen Citaten belegen zu wollen. Aber weniger geläufige, ſeltner berührte, weiter entlegene, dem Streit noch ausgeſetzte, fordern nach meiner Meinung eine größere Genauigkeit der Angabe, damit der Leſer, falls es ihm beliebt, ſelber zu den Quellen gehen, ſelber vergleichen und richten kann. Eleganz kann nie Zweck, nur ein und zwar ſehr unter¬ geordnetes Mittel wiſſenſchaftlicher Darſtellung ſein; die Gründlichkeit und Beſtimmtheit müſſen immer obenan ſtehen. Mit Schrecken ſehe ich jetzt, nach Vollendung des Drucks, daß unter den Beiſpielen ſich eine ziemliche Menge aus der nächſten Gegenwart hervorgedrängt hat, weil ſie natürlich mir am Friſcheſten im Gedächtniß

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/16>, abgerufen am 19.04.2024.