Weil die Disharmonie auf der Entzweiung des Wesens mit sich selbst beruhet und weil sie alle Momente des formalen Häßlichen in ihrer falschen Begründung und falschen Auf¬ lösung versammelt, so wird sie natürlich zur Erzeugung des Komischen ein viel stärkeres Mittel als alle frühern Ueber¬ gänge ins Häßliche. Jede bloße Beseitigung, jede vergriffene Auflösung, jede phantastische Beendigung des Widerspruchs statt der Nothwendigkeit seiner immanenten Selbstentfaltung ist schon auf dem Wege, komisch zu werden. In Werken solcher Art, in denen also das Komische als Begriff nicht in sie selbst, sondern in ein anderes Bewußtsein fällt, das sich durch ihre Täuschung getäuscht findet, ist der Wider¬ spruch zu ernster Natur, als daß seine verkehrte Verwicklung und Mißauflösung unsere völlige Heiterkeit erregen könnte, denn die Komik muß, alle trübe Verstimmung in den Son¬ nenstrahl des Gelächters verschwinden zu lassen, von aller Bedenklichkeit frei sein, weshalb solche Werke, ganz gegen ihre Tendenz, häßlich werden. Hebbel, der Dichter des Pessimismus und der Bizarrerie, wie Henneberger ihn treffend genannt hat (24), möge uns gestatten, an seiner Julia nachzuweisen, wie das Tragische, wenn es die Knoten seiner Widersprüche weder recht schürzt, noch recht löst, schon in das Komische umzuschlagen anfängt, jedoch weil es noch zu ernst und gewichtig ist, vorerst häßlich bleibt. Ein Räuberhauptmann Antonio will sich oder vielmehr seinen auch als Räuberhauptmann hingerichteten Vater Grimaldi an einem reichen Mann Tobaldi rächen, weil er denselben für die Ursache hält, daß sein Vater einst ins Exil habe wandern müssen. Wie fängt er dies an? Er beschließt, Tobaldis Tochter zu entehren. Er nähert sich ihr, ohne daß sie natürlich von seinem Metier als Räuber eine Ahnung
Weil die Disharmonie auf der Entzweiung des Weſens mit ſich ſelbſt beruhet und weil ſie alle Momente des formalen Häßlichen in ihrer falſchen Begründung und falſchen Auf¬ löſung verſammelt, ſo wird ſie natürlich zur Erzeugung des Komiſchen ein viel ſtärkeres Mittel als alle frühern Ueber¬ gänge ins Häßliche. Jede bloße Beſeitigung, jede vergriffene Auflöſung, jede phantaſtiſche Beendigung des Widerſpruchs ſtatt der Nothwendigkeit ſeiner immanenten Selbſtentfaltung iſt ſchon auf dem Wege, komiſch zu werden. In Werken ſolcher Art, in denen alſo das Komiſche als Begriff nicht in ſie ſelbſt, ſondern in ein anderes Bewußtſein fällt, das ſich durch ihre Täuſchung getäuſcht findet, iſt der Wider¬ ſpruch zu ernſter Natur, als daß ſeine verkehrte Verwicklung und Mißauflöſung unſere völlige Heiterkeit erregen könnte, denn die Komik muß, alle trübe Verſtimmung in den Son¬ nenſtrahl des Gelächters verſchwinden zu laſſen, von aller Bedenklichkeit frei ſein, weshalb ſolche Werke, ganz gegen ihre Tendenz, häßlich werden. Hebbel, der Dichter des Peſſimismus und der Bizarrerie, wie Henneberger ihn treffend genannt hat (24), möge uns geſtatten, an ſeiner Julia nachzuweiſen, wie das Tragiſche, wenn es die Knoten ſeiner Widerſprüche weder recht ſchürzt, noch recht löſt, ſchon in das Komiſche umzuſchlagen anfängt, jedoch weil es noch zu ernſt und gewichtig iſt, vorerſt häßlich bleibt. Ein Räuberhauptmann Antonio will ſich oder vielmehr ſeinen auch als Räuberhauptmann hingerichteten Vater Grimaldi an einem reichen Mann Tobaldi rächen, weil er denſelben für die Urſache hält, daß ſein Vater einſt ins Exil habe wandern müſſen. Wie fängt er dies an? Er beſchließt, Tobaldis Tochter zu entehren. Er nähert ſich ihr, ohne daß ſie natürlich von ſeinem Metier als Räuber eine Ahnung
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Weil die Disharmonie auf der Entzweiung des Weſens
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löſung verſammelt, ſo wird ſie natürlich zur Erzeugung des
Komiſchen ein viel ſtärkeres Mittel als alle frühern Ueber¬
gänge ins Häßliche. Jede bloße Beſeitigung, jede vergriffene
Auflöſung, jede phantaſtiſche Beendigung des Widerſpruchs
ſtatt der Nothwendigkeit ſeiner immanenten Selbſtentfaltung
iſt ſchon auf dem Wege, komiſch zu werden. In Werken
ſolcher Art, in denen alſo das Komiſche als Begriff nicht
in ſie ſelbſt, ſondern in ein anderes Bewußtſein fällt, das
ſich durch ihre Täuſchung getäuſcht findet, iſt der Wider¬
ſpruch zu ernſter Natur, als daß ſeine verkehrte Verwicklung
und Mißauflöſung unſere völlige Heiterkeit erregen könnte,
denn die Komik muß, alle trübe Verſtimmung in den Son¬
nenſtrahl des Gelächters verſchwinden zu laſſen, von aller
Bedenklichkeit frei ſein, weshalb ſolche Werke, ganz gegen
ihre Tendenz, häßlich werden. Hebbel, der Dichter des
Peſſimismus und der Bizarrerie, wie Henneberger ihn
treffend genannt hat (24), möge uns geſtatten, an ſeiner
Julia nachzuweiſen, wie das Tragiſche, wenn es die Knoten
ſeiner Widerſprüche weder recht ſchürzt, noch recht löſt, ſchon
in das Komiſche umzuſchlagen anfängt, jedoch weil es noch
zu ernſt und gewichtig iſt, vorerſt häßlich bleibt. Ein
Räuberhauptmann Antonio will ſich oder vielmehr ſeinen
auch als Räuberhauptmann hingerichteten Vater Grimaldi
an einem reichen Mann Tobaldi rächen, weil er denſelben
für die Urſache hält, daß ſein Vater einſt ins Exil habe
wandern müſſen. Wie fängt er dies an? Er beſchließt,
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/131>, abgerufen am 23.11.2024.
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