wieder in die Einheit auflösen läßt, denn durch diese Auf¬ lösung der Entzweiung erzeugt sich erst die Harmonie. Die einfache Einheit ist zwar an sich auch schön, weil sie die erste Bedingung aller ästhetischen Gestaltung erfüllt, ein Ganzes darzustellen. Wir haben aber gesehen, wie die bloße Einheit noch dürftig ist und theils durch innere Unterschied¬ losigkeit, theils durch Verworrenheit der Unterschiede, durch nebulistische Verschwommenheit häßlich wird. Der Unterschied kann als Verschiedenheit zur freien und schönen Mannigfal¬ tigkeit werden, allein durch Mangel an Gruppirung kann die bloße Verschiedenheit als der oberflächliche, äußerliche Unter¬ schied, in das Wilde und Wüste übergehen, gegen dessen Form¬ losigkeit das Schöne durch Unterordnung des Verschiedenen unter eine gemeinsame Regel zu reagiren sucht. So entsteht, wie wir sahen, die Regelmäßigkeit als die gleiche Wiederkehr derselben Unterschiede, allein eben diese Regularität kann selbst wieder häßlich werden, sobald sie die ausschließliche Form eines ästhetischen Ganzen ausmacht, weshalb das Schöne den Unterschied zum bestimmten Unterschied erheben muß. Das Positive und Negative wird durch Inversion der an sich gleichen Momente zur eigentlichen Symmetrie, deren Wechselbeziehung innerhalb ihrer selbst schön ist. Mangelt sie überhaupt, wo sie doch dem Begriff der Gestalt nach dasein sollte; oder fehlt die eine Hälfte der symmetrisch an¬ gelegten Gestalt; oder ist sie zwar da, jedoch fehlerhaft und die vorausgesetzte Gleichheit der einheitlich gegen einander gekehrten Unterschiede durch innern Widerspruch störend, so entsteht wiederum das Häßliche. Den Widerspruch zu setzen, widerspricht dem Schönen nicht. Der wahre Contrast des Relativen mit dem Relativen, des Relativen mit dem Absoluten, des Absoluten mit dem Absoluten, ist schön. In allem
wieder in die Einheit auflöſen läßt, denn durch dieſe Auf¬ löſung der Entzweiung erzeugt ſich erſt die Harmonie. Die einfache Einheit iſt zwar an ſich auch ſchön, weil ſie die erſte Bedingung aller äſthetiſchen Geſtaltung erfüllt, ein Ganzes darzuſtellen. Wir haben aber geſehen, wie die bloße Einheit noch dürftig iſt und theils durch innere Unterſchied¬ loſigkeit, theils durch Verworrenheit der Unterſchiede, durch nebuliſtiſche Verſchwommenheit häßlich wird. Der Unterſchied kann als Verſchiedenheit zur freien und ſchönen Mannigfal¬ tigkeit werden, allein durch Mangel an Gruppirung kann die bloße Verſchiedenheit als der oberflächliche, äußerliche Unter¬ ſchied, in das Wilde und Wüſte übergehen, gegen deſſen Form¬ loſigkeit das Schöne durch Unterordnung des Verſchiedenen unter eine gemeinſame Regel zu reagiren ſucht. So entſteht, wie wir ſahen, die Regelmäßigkeit als die gleiche Wiederkehr derſelben Unterſchiede, allein eben dieſe Regularität kann ſelbſt wieder häßlich werden, ſobald ſie die ausſchließliche Form eines äſthetiſchen Ganzen ausmacht, weshalb das Schöne den Unterſchied zum beſtimmten Unterſchied erheben muß. Das Poſitive und Negative wird durch Inverſion der an ſich gleichen Momente zur eigentlichen Symmetrie, deren Wechſelbeziehung innerhalb ihrer ſelbſt ſchön iſt. Mangelt ſie überhaupt, wo ſie doch dem Begriff der Geſtalt nach daſein ſollte; oder fehlt die eine Hälfte der ſymmetriſch an¬ gelegten Geſtalt; oder iſt ſie zwar da, jedoch fehlerhaft und die vorausgeſetzte Gleichheit der einheitlich gegen einander gekehrten Unterſchiede durch innern Widerſpruch ſtörend, ſo entſteht wiederum das Häßliche. Den Widerſpruch zu ſetzen, widerſpricht dem Schönen nicht. Der wahre Contraſt des Relativen mit dem Relativen, des Relativen mit dem Abſoluten, des Abſoluten mit dem Abſoluten, iſt ſchön. In allem
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wieder in die Einheit auflöſen läßt, denn durch dieſe Auf¬
löſung der Entzweiung erzeugt ſich erſt die Harmonie.
Die einfache Einheit iſt zwar an ſich auch ſchön, weil ſie die
erſte Bedingung aller äſthetiſchen Geſtaltung erfüllt, ein
Ganzes darzuſtellen. Wir haben aber geſehen, wie die bloße
Einheit noch dürftig iſt und theils durch innere Unterſchied¬
loſigkeit, theils durch Verworrenheit der Unterſchiede, durch
nebuliſtiſche Verſchwommenheit häßlich wird. Der Unterſchied
kann als Verſchiedenheit zur freien und ſchönen Mannigfal¬
tigkeit werden, allein durch Mangel an Gruppirung kann die
bloße Verſchiedenheit als der oberflächliche, äußerliche Unter¬
ſchied, in das Wilde und Wüſte übergehen, gegen deſſen Form¬
loſigkeit das Schöne durch Unterordnung des Verſchiedenen
unter eine gemeinſame Regel zu reagiren ſucht. So entſteht,
wie wir ſahen, die Regelmäßigkeit als die gleiche Wiederkehr
derſelben Unterſchiede, allein eben dieſe Regularität kann
ſelbſt wieder häßlich werden, ſobald ſie die ausſchließliche
Form eines äſthetiſchen Ganzen ausmacht, weshalb das
Schöne den Unterſchied zum beſtimmten Unterſchied erheben
muß. Das Poſitive und Negative wird durch Inverſion der
an ſich gleichen Momente zur eigentlichen Symmetrie, deren
Wechſelbeziehung innerhalb ihrer ſelbſt ſchön iſt. Mangelt
ſie überhaupt, wo ſie doch dem Begriff der Geſtalt nach
daſein ſollte; oder fehlt die eine Hälfte der ſymmetriſch an¬
gelegten Geſtalt; oder iſt ſie zwar da, jedoch fehlerhaft und
die vorausgeſetzte Gleichheit der einheitlich gegen einander
gekehrten Unterſchiede durch innern Widerſpruch ſtörend, ſo
entſteht wiederum das Häßliche. Den Widerſpruch zu ſetzen,
widerſpricht dem Schönen nicht. Der wahre Contraſt des
Relativen mit dem Relativen, des Relativen mit dem Abſoluten,
des Abſoluten mit dem Abſoluten, iſt ſchön. In allem
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/122>, abgerufen am 23.11.2024.
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