Nun greift er in den Ledergurt, zieht eine Handvoll Silbergeld heraus: "Da, Bursche, Gott gesegne's; magst nach Wien gehen und dich beim Karl werben lassen. Bist ein unerfahrener Mensch. Bist unser Landsmann nicht."
Ich mach meine Begrüßung und will mich kehren.
"He, da!" ruft er mir nach, hält mir das Silbergeld vor.
"Ich sage meinen Dank. Das Geld brauch' ich nicht."
Jetztund, wie ich das gesagt, hebt dem Mann das Aug' an zu glühen: "Das ist wacker, das ist brav!" ruft er, "kannst bleiben. Brauch' einen Schreiber, der eine gute Schrift und ein gutes Gewissen hat."
"Mein Gewissen ist auch für einen Soldaten gut genug," sage ich finster.
"He Seppli!" schreit d'rauf der Hofer, "weis' dem Mann Messer und Stutzen bei! -- Schau, das ist brav!" er preßt mir die Hand, "Arbeit werden wir schon kriegen, selbander."
Ich bin Kriegsmann, Tirolerschütz'. Arbeit hat es bald gegeben.
Die Franzen und die Baiern, und etwan auch die Oesterreicher hinten haben es nicht ge- litten, daß in der Burg zu Innsbruck ein Bauer sollt' König sein. Mit Haufen ist der früher von
Nun greift er in den Ledergurt, zieht eine Handvoll Silbergeld heraus: „Da, Burſche, Gott geſegne’s; magſt nach Wien gehen und dich beim Karl werben laſſen. Biſt ein unerfahrener Menſch. Biſt unſer Landsmann nicht.“
Ich mach meine Begrüßung und will mich kehren.
„He, da!“ ruft er mir nach, hält mir das Silbergeld vor.
„Ich ſage meinen Dank. Das Geld brauch’ ich nicht.“
Jetztund, wie ich das geſagt, hebt dem Mann das Aug’ an zu glühen: „Das iſt wacker, das iſt brav!“ ruft er, „kannſt bleiben. Brauch’ einen Schreiber, der eine gute Schrift und ein gutes Gewiſſen hat.“
„Mein Gewiſſen iſt auch für einen Soldaten gut genug,“ ſage ich finſter.
„He Seppli!“ ſchreit d’rauf der Hofer, „weiſ’ dem Mann Meſſer und Stutzen bei! — Schau, das iſt brav!“ er preßt mir die Hand, „Arbeit werden wir ſchon kriegen, ſelbander.“
Ich bin Kriegsmann, Tirolerſchütz’. Arbeit hat es bald gegeben.
Die Franzen und die Baiern, und etwan auch die Oeſterreicher hinten haben es nicht ge- litten, daß in der Burg zu Innsbruck ein Bauer ſollt’ König ſein. Mit Haufen iſt der früher von
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0062"n="52"/><p>Nun greift er in den Ledergurt, zieht eine<lb/>
Handvoll Silbergeld heraus: „Da, Burſche, Gott<lb/>
geſegne’s; magſt nach Wien gehen und dich beim<lb/>
Karl werben laſſen. Biſt ein unerfahrener Menſch.<lb/>
Biſt unſer Landsmann nicht.“</p><lb/><p>Ich mach meine Begrüßung und will mich kehren.</p><lb/><p>„He, da!“ ruft er mir nach, hält mir das<lb/>
Silbergeld vor.</p><lb/><p>„Ich ſage meinen Dank. Das Geld brauch’<lb/>
ich nicht.“</p><lb/><p>Jetztund, wie ich das geſagt, hebt dem Mann<lb/>
das Aug’ an zu glühen: „Das iſt wacker, das iſt<lb/>
brav!“ ruft er, „kannſt bleiben. Brauch’ einen<lb/>
Schreiber, der eine gute Schrift und ein gutes<lb/>
Gewiſſen hat.“</p><lb/><p>„Mein Gewiſſen iſt auch für einen Soldaten<lb/>
gut genug,“ſage ich finſter.</p><lb/><p>„He Seppli!“ſchreit d’rauf der Hofer, „weiſ’<lb/>
dem Mann Meſſer und Stutzen bei! — Schau,<lb/>
das iſt brav!“ er preßt mir die Hand, „Arbeit<lb/>
werden wir ſchon kriegen, ſelbander.“</p><lb/><p>Ich bin Kriegsmann, Tirolerſchütz’. Arbeit<lb/>
hat es bald gegeben.</p><lb/><p>Die Franzen und die Baiern, und etwan<lb/>
auch die Oeſterreicher hinten haben es nicht ge-<lb/>
litten, daß in der Burg zu Innsbruck ein Bauer<lb/>ſollt’ König ſein. Mit Haufen iſt der früher von<lb/></p></div></body></text></TEI>
[52/0062]
Nun greift er in den Ledergurt, zieht eine
Handvoll Silbergeld heraus: „Da, Burſche, Gott
geſegne’s; magſt nach Wien gehen und dich beim
Karl werben laſſen. Biſt ein unerfahrener Menſch.
Biſt unſer Landsmann nicht.“
Ich mach meine Begrüßung und will mich kehren.
„He, da!“ ruft er mir nach, hält mir das
Silbergeld vor.
„Ich ſage meinen Dank. Das Geld brauch’
ich nicht.“
Jetztund, wie ich das geſagt, hebt dem Mann
das Aug’ an zu glühen: „Das iſt wacker, das iſt
brav!“ ruft er, „kannſt bleiben. Brauch’ einen
Schreiber, der eine gute Schrift und ein gutes
Gewiſſen hat.“
„Mein Gewiſſen iſt auch für einen Soldaten
gut genug,“ ſage ich finſter.
„He Seppli!“ ſchreit d’rauf der Hofer, „weiſ’
dem Mann Meſſer und Stutzen bei! — Schau,
das iſt brav!“ er preßt mir die Hand, „Arbeit
werden wir ſchon kriegen, ſelbander.“
Ich bin Kriegsmann, Tirolerſchütz’. Arbeit
hat es bald gegeben.
Die Franzen und die Baiern, und etwan
auch die Oeſterreicher hinten haben es nicht ge-
litten, daß in der Burg zu Innsbruck ein Bauer
ſollt’ König ſein. Mit Haufen iſt der früher von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/62>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.