Der Alte sitzt noch eine Weile und bewegt sich nicht. Er starrt auf die zerrissene Harfe, er wischt sich mit beiden Händen die Augen, er will sich aus dem Traume helfen; er kann es nicht glauben, daß es wahrhaftig sei. Sein Alles und Einziges haben sie ihm zerstört -- sein Saitenspiel.
Erst als oben in den Felsen schon der helle Sonnenschein liegt, erhebt sich das alte Weißhaupt. Den Astreifen mit dem Strohgewirre hat er sich umgehangen, zu den goldigbeleuchteten Wänden hat er emporgestarrt, und mit schweren Schritten ist er davongewankt, hinan gegen die Schroffen, über welche ein Wasserfall stürzt und niederrieselt, im Sonnenleuchten zu sehen wie flüßiges Gold . . . .
An dem Abende desselben Tages ist es, daß die beiden Hirten wieder lustig um den Herd ihrer Hütte wirten, wie sie es gewohnt. Sie kochen Mehlklößchen, welche sie "Fuchsen" nennen, da sie fuchsbraun geröstet sind. Die Herde ist von ihren Weiden geholt und in die Sicherheit des Stalles gebracht.
Lustig sind die Jodelbuben allerwege, aber zum Feierabend am lustigsten. Ist der alte Harfner in der Hütte, so necken sie diesen; ist er nicht da, so necken sie sich selbander. Der Harfner ist heute noch nicht da, so hüpft der Klaus wie ein Affe dem Veit auf die Achseln, reitet auf dessen Nacken,
Der Alte ſitzt noch eine Weile und bewegt ſich nicht. Er ſtarrt auf die zerriſſene Harfe, er wiſcht ſich mit beiden Händen die Augen, er will ſich aus dem Traume helfen; er kann es nicht glauben, daß es wahrhaftig ſei. Sein Alles und Einziges haben ſie ihm zerſtört — ſein Saitenſpiel.
Erſt als oben in den Felſen ſchon der helle Sonnenſchein liegt, erhebt ſich das alte Weißhaupt. Den Aſtreifen mit dem Strohgewirre hat er ſich umgehangen, zu den goldigbeleuchteten Wänden hat er emporgeſtarrt, und mit ſchweren Schritten iſt er davongewankt, hinan gegen die Schroffen, über welche ein Waſſerfall ſtürzt und niederrieſelt, im Sonnenleuchten zu ſehen wie flüßiges Gold . . . .
An dem Abende desſelben Tages iſt es, daß die beiden Hirten wieder luſtig um den Herd ihrer Hütte wirten, wie ſie es gewohnt. Sie kochen Mehlklößchen, welche ſie „Fuchſen“ nennen, da ſie fuchsbraun geröſtet ſind. Die Herde iſt von ihren Weiden geholt und in die Sicherheit des Stalles gebracht.
Luſtig ſind die Jodelbuben allerwege, aber zum Feierabend am luſtigſten. Iſt der alte Harfner in der Hütte, ſo necken ſie dieſen; iſt er nicht da, ſo necken ſie ſich ſelbander. Der Harfner iſt heute noch nicht da, ſo hüpft der Klaus wie ein Affe dem Veit auf die Achſeln, reitet auf deſſen Nacken,
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Der Alte ſitzt noch eine Weile und bewegt
ſich nicht. Er ſtarrt auf die zerriſſene Harfe, er
wiſcht ſich mit beiden Händen die Augen, er will
ſich aus dem Traume helfen; er kann es nicht
glauben, daß es wahrhaftig ſei. Sein Alles und
Einziges haben ſie ihm zerſtört — ſein Saitenſpiel.
Erſt als oben in den Felſen ſchon der helle
Sonnenſchein liegt, erhebt ſich das alte Weißhaupt.
Den Aſtreifen mit dem Strohgewirre hat er ſich
umgehangen, zu den goldigbeleuchteten Wänden hat
er emporgeſtarrt, und mit ſchweren Schritten iſt er
davongewankt, hinan gegen die Schroffen, über
welche ein Waſſerfall ſtürzt und niederrieſelt, im
Sonnenleuchten zu ſehen wie flüßiges Gold . . . .
An dem Abende desſelben Tages iſt es, daß
die beiden Hirten wieder luſtig um den Herd ihrer
Hütte wirten, wie ſie es gewohnt. Sie kochen
Mehlklößchen, welche ſie „Fuchſen“ nennen, da ſie
fuchsbraun geröſtet ſind. Die Herde iſt von ihren
Weiden geholt und in die Sicherheit des Stalles
gebracht.
Luſtig ſind die Jodelbuben allerwege, aber
zum Feierabend am luſtigſten. Iſt der alte Harfner
in der Hütte, ſo necken ſie dieſen; iſt er nicht da,
ſo necken ſie ſich ſelbander. Der Harfner iſt heute
noch nicht da, ſo hüpft der Klaus wie ein Affe
dem Veit auf die Achſeln, reitet auf deſſen Nacken,
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/396>, abgerufen am 24.11.2024.
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