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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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"Ja, du Rüppel, das ist wahr!" sagt der
Veit ernsthaft, "das ist richtig Gold; geh' nur
hinauf und schabe es herab."

Der Greis blickt befremdet drein.

"Da kriegst du einen ganzen Korb voll Gold
zusammen, und etwan mehr noch!" sagt der Klaus,
"da kannst du dir ein goldenes Schloß bauen und
einen goldenen Tisch kaufen und einen goldenen
Wein und eine goldene Frau und eine goldene
Harfe!"

"Eine goldene Harfe!" murmelt der Rüppel
und seine Augen leuchten auf. Dann fährt er sich
mit der Hand über die Stirne. -- Er hat das vom
goldenen Morgen zuerst selber gesagt, aber nur im
gleichnißweisen Sinne des Sprichwortes. -- Und
jetzt sollte es wirklich so sein?

"Und das Zeug da gibst du des Graßsteigers
Esel in die Krippe!" ruft der Veit.

Bei diesem Spott auf seine Harfe soll es wie
der Schatten einer Wolke über des Alten Antlitz
gezogen sein.

"Du Veit!" droht er, "mein Harfenspiel, das
legt dir nichts vor dein Ziel. Das laß du in Ruh!"

Das Wort reizt die Burschen. "So spielt
man auf dieser Harfe!" ruft der Veit und fährt
mit der Hand über die Saiten, daß es rauscht und
alle Halme springen. Dann sind sie davongelaufen.


Rosegger: Waldschulmeister. 25

„Ja, du Rüppel, das iſt wahr!“ ſagt der
Veit ernſthaft, „das iſt richtig Gold; geh’ nur
hinauf und ſchabe es herab.“

Der Greis blickt befremdet drein.

„Da kriegſt du einen ganzen Korb voll Gold
zuſammen, und etwan mehr noch!“ ſagt der Klaus,
„da kannſt du dir ein goldenes Schloß bauen und
einen goldenen Tiſch kaufen und einen goldenen
Wein und eine goldene Frau und eine goldene
Harfe!“

„Eine goldene Harfe!“ murmelt der Rüppel
und ſeine Augen leuchten auf. Dann fährt er ſich
mit der Hand über die Stirne. — Er hat das vom
goldenen Morgen zuerſt ſelber geſagt, aber nur im
gleichnißweiſen Sinne des Sprichwortes. — Und
jetzt ſollte es wirklich ſo ſein?

„Und das Zeug da gibſt du des Graßſteigers
Eſel in die Krippe!“ ruft der Veit.

Bei dieſem Spott auf ſeine Harfe ſoll es wie
der Schatten einer Wolke über des Alten Antlitz
gezogen ſein.

„Du Veit!“ droht er, „mein Harfenſpiel, das
legt dir nichts vor dein Ziel. Das laß du in Ruh!“

Das Wort reizt die Burſchen. „So ſpielt
man auf dieſer Harfe!“ ruft der Veit und fährt
mit der Hand über die Saiten, daß es rauſcht und
alle Halme ſpringen. Dann ſind ſie davongelaufen.


Roſegger: Waldſchulmeiſter. 25
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[385/0395] „Ja, du Rüppel, das iſt wahr!“ ſagt der Veit ernſthaft, „das iſt richtig Gold; geh’ nur hinauf und ſchabe es herab.“ Der Greis blickt befremdet drein. „Da kriegſt du einen ganzen Korb voll Gold zuſammen, und etwan mehr noch!“ ſagt der Klaus, „da kannſt du dir ein goldenes Schloß bauen und einen goldenen Tiſch kaufen und einen goldenen Wein und eine goldene Frau und eine goldene Harfe!“ „Eine goldene Harfe!“ murmelt der Rüppel und ſeine Augen leuchten auf. Dann fährt er ſich mit der Hand über die Stirne. — Er hat das vom goldenen Morgen zuerſt ſelber geſagt, aber nur im gleichnißweiſen Sinne des Sprichwortes. — Und jetzt ſollte es wirklich ſo ſein? „Und das Zeug da gibſt du des Graßſteigers Eſel in die Krippe!“ ruft der Veit. Bei dieſem Spott auf ſeine Harfe ſoll es wie der Schatten einer Wolke über des Alten Antlitz gezogen ſein. „Du Veit!“ droht er, „mein Harfenſpiel, das legt dir nichts vor dein Ziel. Das laß du in Ruh!“ Das Wort reizt die Burſchen. „So ſpielt man auf dieſer Harfe!“ ruft der Veit und fährt mit der Hand über die Saiten, daß es rauſcht und alle Halme ſpringen. Dann ſind ſie davongelaufen. Roſegger: Waldſchulmeiſter. 25

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/395>, abgerufen am 15.05.2024.