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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Gespräch anzufangen. Er sah mir mehrmals be-
trübt und treuherzig ins Gesicht, aber er sagte
kein Wort; fast zitterten seine frischrothen Lippen
und er wendete sich bald und schritt abseits gegen
den Bach. Er war stumm.

Bald nachher saß ich im Wirthshause bei
meinem Frühstück. Es bestand aus einer Schale
Milch mit gebranntem Kornmehl gewürzt. Das
ist der Winkelsteger Kaffee.

Und nun -- was gedachte ich zu thun?

Ich theilte der heiteren Wirthin meine Absicht
und meinen Wunsch mit: das ungünstige Wetter
in Winkelsteg abzuwarten, im Stübchen des Schul-
hauses zu wohnen und die Schriften des Schul-
meisters zu lesen -- "wenn ich dazu Erlaubniß
hätte."

"O mein Gott, ja, von Herzen gern!" rief
sie, "wen wird der Herr denn irren, da oben! und
das alte Papierwerk schaut sonst auch kein Mensch
an -- wüßt' nicht, wer! Davon kann sich der
Herr aussuchen, was er will. Der neue Schul-
meister wird schon selber so Sachen mitbringen.
Glaub's aber dieweilen noch gar nicht, daß Einer
kommt. Ja freilich mag der Herr oben bleiben und
ich laß ihm fein warm heizen."

So ging ich wieder hinauf zum Schulhause.
Nun sah ich es von außen an. Es war recht

Geſpräch anzufangen. Er ſah mir mehrmals be-
trübt und treuherzig ins Geſicht, aber er ſagte
kein Wort; faſt zitterten ſeine friſchrothen Lippen
und er wendete ſich bald und ſchritt abſeits gegen
den Bach. Er war ſtumm.

Bald nachher ſaß ich im Wirthshauſe bei
meinem Frühſtück. Es beſtand aus einer Schale
Milch mit gebranntem Kornmehl gewürzt. Das
iſt der Winkelſteger Kaffee.

Und nun — was gedachte ich zu thun?

Ich theilte der heiteren Wirthin meine Abſicht
und meinen Wunſch mit: das ungünſtige Wetter
in Winkelſteg abzuwarten, im Stübchen des Schul-
hauſes zu wohnen und die Schriften des Schul-
meiſters zu leſen — „wenn ich dazu Erlaubniß
hätte.“

„O mein Gott, ja, von Herzen gern!“ rief
ſie, „wen wird der Herr denn irren, da oben! und
das alte Papierwerk ſchaut ſonſt auch kein Menſch
an — wüßt’ nicht, wer! Davon kann ſich der
Herr ausſuchen, was er will. Der neue Schul-
meiſter wird ſchon ſelber ſo Sachen mitbringen.
Glaub’s aber dieweilen noch gar nicht, daß Einer
kommt. Ja freilich mag der Herr oben bleiben und
ich laß ihm fein warm heizen.“

So ging ich wieder hinauf zum Schulhauſe.
Nun ſah ich es von außen an. Es war recht

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[27/0037] Geſpräch anzufangen. Er ſah mir mehrmals be- trübt und treuherzig ins Geſicht, aber er ſagte kein Wort; faſt zitterten ſeine friſchrothen Lippen und er wendete ſich bald und ſchritt abſeits gegen den Bach. Er war ſtumm. Bald nachher ſaß ich im Wirthshauſe bei meinem Frühſtück. Es beſtand aus einer Schale Milch mit gebranntem Kornmehl gewürzt. Das iſt der Winkelſteger Kaffee. Und nun — was gedachte ich zu thun? Ich theilte der heiteren Wirthin meine Abſicht und meinen Wunſch mit: das ungünſtige Wetter in Winkelſteg abzuwarten, im Stübchen des Schul- hauſes zu wohnen und die Schriften des Schul- meiſters zu leſen — „wenn ich dazu Erlaubniß hätte.“ „O mein Gott, ja, von Herzen gern!“ rief ſie, „wen wird der Herr denn irren, da oben! und das alte Papierwerk ſchaut ſonſt auch kein Menſch an — wüßt’ nicht, wer! Davon kann ſich der Herr ausſuchen, was er will. Der neue Schul- meiſter wird ſchon ſelber ſo Sachen mitbringen. Glaub’s aber dieweilen noch gar nicht, daß Einer kommt. Ja freilich mag der Herr oben bleiben und ich laß ihm fein warm heizen.“ So ging ich wieder hinauf zum Schulhauſe. Nun ſah ich es von außen an. Es war recht

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/37>, abgerufen am 29.03.2024.