gewaschen, die Sonne hatte Spalten gezogen. Das war der Winkelsteger Altarbild. Ich habe nie einen Prediger ernster und eindringlicher spre- chen gehört, von Liebe und Geduld, von Auf- opferung und Entsagung, als es dieses stille Kreuz that auf dem Altare.
Dann fiel mir noch ein Zweites auf, was fast abstach von der Armut und Einfachheit, so in diesem Gotteshause herrschte, was aber die Stim- mung und Ruhe nur noch erhöhte. An beiden Sei- ten des Altares waren zwei schmale hohe Fenster mit Glasmalereien. Sie thauten ein mildes rosiges Dämmerlicht über den Altar.
Der Priester verrichtete die Handlung; die wenigen Anwesenden knieten in den Stühlen und beteten still; und die mild tönende, wie in Ehr- furcht leise zitternde Orgel betete mit, war wie eine flehende, weinende Fürsprache vor Gott für die arme Gemeinde, die seit gestern, da das Unge- witter die Feldfrucht vernichtet, neuen Kummer trug.
Als die Messe zu Ende war, und die Leute sich erhoben, bekreuzten, die Kniebeugung machten und davongingen, stieg ein hübscher junger Mann die Chorstiege herab. Ich frug ihn vor der Kirch- thür, ob er es sei, der die Orgel gespielt habe. Er neigte den Kopf. Er schritt gegen das Dörf- chen hinab; ich ging mit ihm und suchte ein
gewaſchen, die Sonne hatte Spalten gezogen. Das war der Winkelſteger Altarbild. Ich habe nie einen Prediger ernſter und eindringlicher ſpre- chen gehört, von Liebe und Geduld, von Auf- opferung und Entſagung, als es dieſes ſtille Kreuz that auf dem Altare.
Dann fiel mir noch ein Zweites auf, was faſt abſtach von der Armut und Einfachheit, ſo in dieſem Gotteshauſe herrſchte, was aber die Stim- mung und Ruhe nur noch erhöhte. An beiden Sei- ten des Altares waren zwei ſchmale hohe Fenſter mit Glasmalereien. Sie thauten ein mildes roſiges Dämmerlicht über den Altar.
Der Prieſter verrichtete die Handlung; die wenigen Anweſenden knieten in den Stühlen und beteten ſtill; und die mild tönende, wie in Ehr- furcht leiſe zitternde Orgel betete mit, war wie eine flehende, weinende Fürſprache vor Gott für die arme Gemeinde, die ſeit geſtern, da das Unge- witter die Feldfrucht vernichtet, neuen Kummer trug.
Als die Meſſe zu Ende war, und die Leute ſich erhoben, bekreuzten, die Kniebeugung machten und davongingen, ſtieg ein hübſcher junger Mann die Chorſtiege herab. Ich frug ihn vor der Kirch- thür, ob er es ſei, der die Orgel geſpielt habe. Er neigte den Kopf. Er ſchritt gegen das Dörf- chen hinab; ich ging mit ihm und ſuchte ein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0036"n="26"/>
gewaſchen, die Sonne hatte Spalten gezogen.<lb/>
Das war der Winkelſteger Altarbild. Ich habe<lb/>
nie einen Prediger ernſter und eindringlicher ſpre-<lb/>
chen gehört, von Liebe und Geduld, von Auf-<lb/>
opferung und Entſagung, als es dieſes ſtille Kreuz<lb/>
that auf dem Altare.</p><lb/><p>Dann fiel mir noch ein Zweites auf, was<lb/>
faſt abſtach von der Armut und Einfachheit, ſo in<lb/>
dieſem Gotteshauſe herrſchte, was aber die Stim-<lb/>
mung und Ruhe nur noch erhöhte. An beiden Sei-<lb/>
ten des Altares waren zwei ſchmale hohe Fenſter<lb/>
mit Glasmalereien. Sie thauten ein mildes roſiges<lb/>
Dämmerlicht über den Altar.</p><lb/><p>Der Prieſter verrichtete die Handlung; die<lb/>
wenigen Anweſenden knieten in den Stühlen und<lb/>
beteten ſtill; und die mild tönende, wie in Ehr-<lb/>
furcht leiſe zitternde Orgel betete mit, war wie<lb/>
eine flehende, weinende Fürſprache vor Gott für<lb/>
die arme Gemeinde, die ſeit geſtern, da das Unge-<lb/>
witter die Feldfrucht vernichtet, neuen Kummer trug.</p><lb/><p>Als die Meſſe zu Ende war, und die Leute<lb/>ſich erhoben, bekreuzten, die Kniebeugung machten<lb/>
und davongingen, ſtieg ein hübſcher junger Mann<lb/>
die Chorſtiege herab. Ich frug ihn vor der Kirch-<lb/>
thür, ob er es ſei, der die Orgel geſpielt habe.<lb/>
Er neigte den Kopf. Er ſchritt gegen das Dörf-<lb/>
chen hinab; ich ging mit ihm und ſuchte ein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[26/0036]
gewaſchen, die Sonne hatte Spalten gezogen.
Das war der Winkelſteger Altarbild. Ich habe
nie einen Prediger ernſter und eindringlicher ſpre-
chen gehört, von Liebe und Geduld, von Auf-
opferung und Entſagung, als es dieſes ſtille Kreuz
that auf dem Altare.
Dann fiel mir noch ein Zweites auf, was
faſt abſtach von der Armut und Einfachheit, ſo in
dieſem Gotteshauſe herrſchte, was aber die Stim-
mung und Ruhe nur noch erhöhte. An beiden Sei-
ten des Altares waren zwei ſchmale hohe Fenſter
mit Glasmalereien. Sie thauten ein mildes roſiges
Dämmerlicht über den Altar.
Der Prieſter verrichtete die Handlung; die
wenigen Anweſenden knieten in den Stühlen und
beteten ſtill; und die mild tönende, wie in Ehr-
furcht leiſe zitternde Orgel betete mit, war wie
eine flehende, weinende Fürſprache vor Gott für
die arme Gemeinde, die ſeit geſtern, da das Unge-
witter die Feldfrucht vernichtet, neuen Kummer trug.
Als die Meſſe zu Ende war, und die Leute
ſich erhoben, bekreuzten, die Kniebeugung machten
und davongingen, ſtieg ein hübſcher junger Mann
die Chorſtiege herab. Ich frug ihn vor der Kirch-
thür, ob er es ſei, der die Orgel geſpielt habe.
Er neigte den Kopf. Er ſchritt gegen das Dörf-
chen hinab; ich ging mit ihm und ſuchte ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/36>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.