Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Frohnleichnam 1831.

Seit drei Jahren schon sammeln wir Geld
für einen Traghimmel. Aber wir Winkelsteger kön-
nen uns den Himmel nicht kaufen. Wir müssen
uns selber einen machen.

Der alte Schwamelfuchs hat aus grünenden
Birkensträußen ein tragbares Zelt gebaut, auf daß
wir zu diesem Feste das Hochwürdigste nach gebüh-
render Weise aus der Kirche in das Freie tragen
können.

Das ist ein feierlicher Umgang gewesen im
Sonnenschein. Und die Leute, von dem harten
Winter endlich befreit, haben hellen Lobgesang ge-
sungen. Im Walde haben wir geruht, und der
Pfarrer hat mit dem Heiligsten den Segen gegeben
nach allen vier Gegenden des Himmels hin.

Es ist noch nicht erhört worden, daß mitten
im Gottesdienst ein weltlicher Mensch so seine
Stimme hätt' erhoben. Der alte Rüppel hat's ge-
than und das ist sein Frohnleichnamsspruch ge-
wesen:

"Klinget alle Glöckelein, singet alle Vögelein;
der große Gott kommt aus himmlischen Thüren,
geht im grünen Wald spazieren. Er rastet süß auf

Frohnleichnam 1831.

Seit drei Jahren ſchon ſammeln wir Geld
für einen Traghimmel. Aber wir Winkelſteger kön-
nen uns den Himmel nicht kaufen. Wir müſſen
uns ſelber einen machen.

Der alte Schwamelfuchs hat aus grünenden
Birkenſträußen ein tragbares Zelt gebaut, auf daß
wir zu dieſem Feſte das Hochwürdigſte nach gebüh-
render Weiſe aus der Kirche in das Freie tragen
können.

Das iſt ein feierlicher Umgang geweſen im
Sonnenſchein. Und die Leute, von dem harten
Winter endlich befreit, haben hellen Lobgeſang ge-
ſungen. Im Walde haben wir geruht, und der
Pfarrer hat mit dem Heiligſten den Segen gegeben
nach allen vier Gegenden des Himmels hin.

Es iſt noch nicht erhört worden, daß mitten
im Gottesdienſt ein weltlicher Menſch ſo ſeine
Stimme hätt’ erhoben. Der alte Rüppel hat’s ge-
than und das iſt ſein Frohnleichnamsſpruch ge-
weſen:

„Klinget alle Glöckelein, ſinget alle Vögelein;
der große Gott kommt aus himmliſchen Thüren,
geht im grünen Wald ſpazieren. Er raſtet ſüß auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0362" n="352"/>
          <p>
            <date> <hi rendition="#et">Frohnleichnam 1831.</hi> </date>
          </p><lb/>
          <p>Seit drei Jahren &#x017F;chon &#x017F;ammeln wir Geld<lb/>
für einen Traghimmel. Aber wir Winkel&#x017F;teger kön-<lb/>
nen uns den Himmel nicht kaufen. Wir mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
uns &#x017F;elber einen machen.</p><lb/>
          <p>Der alte Schwamelfuchs hat aus grünenden<lb/>
Birken&#x017F;träußen ein tragbares Zelt gebaut, auf daß<lb/>
wir zu die&#x017F;em Fe&#x017F;te das Hochwürdig&#x017F;te nach gebüh-<lb/>
render Wei&#x017F;e aus der Kirche in das Freie tragen<lb/>
können.</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t ein feierlicher Umgang gewe&#x017F;en im<lb/>
Sonnen&#x017F;chein. Und die Leute, von dem harten<lb/>
Winter endlich befreit, haben hellen Lobge&#x017F;ang ge-<lb/>
&#x017F;ungen. Im Walde haben wir geruht, und der<lb/>
Pfarrer hat mit dem Heilig&#x017F;ten den Segen gegeben<lb/>
nach allen vier Gegenden des Himmels hin.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t noch nicht erhört worden, daß mitten<lb/>
im Gottesdien&#x017F;t ein weltlicher Men&#x017F;ch &#x017F;o &#x017F;eine<lb/>
Stimme hätt&#x2019; erhoben. Der alte Rüppel hat&#x2019;s ge-<lb/>
than und das i&#x017F;t &#x017F;ein Frohnleichnams&#x017F;pruch ge-<lb/>
we&#x017F;en:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Klinget alle Glöckelein, &#x017F;inget alle Vögelein;<lb/>
der große Gott kommt aus himmli&#x017F;chen Thüren,<lb/>
geht im grünen Wald &#x017F;pazieren. Er ra&#x017F;tet &#x017F;üß auf<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0362] Frohnleichnam 1831. Seit drei Jahren ſchon ſammeln wir Geld für einen Traghimmel. Aber wir Winkelſteger kön- nen uns den Himmel nicht kaufen. Wir müſſen uns ſelber einen machen. Der alte Schwamelfuchs hat aus grünenden Birkenſträußen ein tragbares Zelt gebaut, auf daß wir zu dieſem Feſte das Hochwürdigſte nach gebüh- render Weiſe aus der Kirche in das Freie tragen können. Das iſt ein feierlicher Umgang geweſen im Sonnenſchein. Und die Leute, von dem harten Winter endlich befreit, haben hellen Lobgeſang ge- ſungen. Im Walde haben wir geruht, und der Pfarrer hat mit dem Heiligſten den Segen gegeben nach allen vier Gegenden des Himmels hin. Es iſt noch nicht erhört worden, daß mitten im Gottesdienſt ein weltlicher Menſch ſo ſeine Stimme hätt’ erhoben. Der alte Rüppel hat’s ge- than und das iſt ſein Frohnleichnamsſpruch ge- weſen: „Klinget alle Glöckelein, ſinget alle Vögelein; der große Gott kommt aus himmliſchen Thüren, geht im grünen Wald ſpazieren. Er raſtet ſüß auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/362
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/362>, abgerufen am 22.11.2024.